Urteil: Filmen von Polizeieinsätzen im öffentlichen Raum nicht verboten
Videoaufnahmen (Ton und Bild) mit Mobiltelefonen bei Polizeieinsätzen sind nach einem Urteil zulässig, der sogenannte "Abhörparagraf" 201 StGB findet im öffentlichen Raum keine Anwendung. Das entschied jetzt das Landgericht Osnabrück für einen Fall aus dem Juni.
Was wäre der Fall "George Floyd" ohne das Video? Die Aufnahme zeigt, wie der Polizist Derek Chauvin dem Mann unter seinem Knie minutenlang die Luft zum Atmen nimmt, wie Floyd sein Leben verliert.
Auch in Deutschland gibt es Fälle von polizeilichen Übergriffen, die dem Auftrag und der Rolle der Polizei nicht gerecht werden. Dürfen solche Auseinandersetzungen durch eine Handyaufnahme in Bild und Ton festgehalten werden? Und ist die Polizei berechtigt, in einem solchen Fall das Handy zu beschlagnahmen, mit dem derartige Aufnahmen gemacht worden sind? Panorama hatte berichtet, dass Polizisten immer wieder versuchen, das Filmen ihrer Arbeit zu unterbinden - mit juristisch fragwürdigen Argumenten.
Polizei darf bei Einsätzen im öffentlichen Raum gefilmt werden
Bei einem Polizeieinsatz in Osnabrück im Sommer 2021 waren die Einsatzkräfte gefilmt worden, während sie einen Verdächtigen auf dem Boden fixierten. Mit dem Hinweis, dass derartige Tonaufnahmen strafbar seien, forderten daraufhin die Polizeibeamten den Beschwerdeführer auf, die Aufzeichnungen zu unterlassen. Zudem stellten sie sein Mobiltelefon wegen des Verdachts einer Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes sicher.
Jetzt hatte sich das Landgericht Osnabrück damit befasst - und in diesem Fall (Beschl. v. 24.09.2021, Az. 10 Qs 49/21) entschieden: Es liege kein Anfangsverdacht für eine strafbare Handlung vor, sodass das Handy nicht hätte beschlagnahmt werden dürfen.
Die von den Polizeibeamten vorgenommenen Diensthandlungen seien im öffentlichen Verkehrsraum vorgenommen worden. Die insoweit gesprochenen Worte seien in faktischer Öffentlichkeit gesprochen, weil der Ort frei zugänglich gewesen sei, so die Begründung des Gerichts.
Die Strafvorschrift des Paragraf 201 StGB, die die Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes unter Strafe stelle, erfasse solche Äußerungen nicht. Die Vorschrift schütze die Unbefangenheit der mündlichen Äußerung. Diese Unbefangenheit sei bei dienstlichem Handeln, das rechtlich gebunden sei und der rechtlichen Überprüfung unterliege, nicht tangiert.
Auch das Anfertigen von Bildaufnahmen im öffentlichen Raum ist - von wenigen Ausnahmenfällen abgesehen - straffrei. Es sei kein Grund ersichtlich, so das Landgericht weiter, warum das Aufnehmen von Tonaufnahmen im öffentlichen Raum strenger geahndet werden sollte als die Fertigung von Bildaufnahmen in demselben Umfeld.
Der sogenannte "Abhörparagraf"
Bisher beruft sich die Polizei bei Beschlagnahmung von Einsatz-Aufnahmen meist auf Paragraf 201 StGB. Der sogenannte "Abhörparagraf" verbietet Tonaufnahmen in bestimmten Fällen. Er soll sicherstellen, dass man sich privat unbefangen äußern kann. Das vertraulich gesprochene Wort, sogenannte "Schlafzimmergespräche", sollen damit geschützt werden. Im Kern geht es nicht um Bildaufnahmen, sondern um den Ton. Und auf diesen Paragrafen berufen sich nach Panorama-Recherchen immer wieder Polizisten, um das Filmen ihrer Einsätze zu verhindern oder zur Anzeige zu bringen - da Handys auch ein Mikrofon haben.