Computertaste mit der Aufschrift CUM-EX. © picture alliance/chromorange Foto: Christian Ohde

Cum Ex-Untersuchungsausschuss: Warten auf Akten

Stand: 05.02.2021 14:40 Uhr

Dem Bonner Landgericht liegen Akten zur Cum-Ex-Affäre vor, auf die der Hamburger Untersuchungsausschuss seit Wochen wartet.

von Oliver Hollenstein, Oliver Schröm

Seit Wochen warten die Abgeordneten des Hamburger Untersuchungsausschusses "Cum-Ex Steueraffäre" auf Akten. Die Ausschussmitglieder sollen aufklären, ob Peter Tschentscher und Olaf Scholz einst Einfluss genommen haben auf die Entscheidung der Hamburger Steuerverwaltung, die Ansprüche der Stadt an die Privatbank M.M. Warburg verjähren zu lassen.

"Es muss jetzt endlich richtig losgehen", sagt Götz Wiese, der Sprecher der CDU im Ausschuss, "Wir verlangen, dass sämtliche Akten uns umgehend und in digitaler Form zur Verfügung gestellt werden."

VIDEO: Cum-Ex: Der Bankier und der Bürgermeister (30 Min)

Steuerproblem löste sich in Luft auf

Im Februar sowie im September 2020 berichteten Panorama und DIE ZEIT über Treffen des damaligen Bürgermeisters Olaf Scholz mit dem Warburg-Mitinhaber Christian Olearius. Thema der vertraulichen Unterredungen: Das Steuerproblem der Privatbank - das sich zeitnah in Luft auflöste.

Es ging um 47 Millionen Euro. Auf so viel Geld hatte Hamburg 2016 verzichtet. Die Berichte führten im November 2020 zur Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Seitdem ist nichts passiert. Zumindest nicht in Hamburg.

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In Bonn vor dem Landgericht treibt derweil Richter Roland Zickler die Aufklärung in der Causa Warburg voran. Im März 2020 hatte er mit einem spektakulären Urteil dafür gesorgt, dass Warburg 176 Millionen Euro aus Cum-Ex-Geschäften zurückzahlen muss. Das Bankhaus ging in Berufung, hat aber vorerst gezahlt.

Momentan beschäftigt sich Zickler mit dem früheren Generalbevollmächtigten von M.M. Warburg. Der heute 77-Jährige und weitere Warburg-Manager sollen fast 326 Millionen Euro vom Fiskus erbeutet haben, indem sie sich mithilfe von Cum-Ex-Aktiengeschäften Steuern erstatten ließen, die niemals gezahlt wurden. Der Beschuldigte schweigt zu den Anschuldigungen.

Aufklärung nebenbei - in Bonn

Nebenbei scheint Zickler die Rolle der Hamburger Politik und Steuerverwaltung aufzuklären. Vier Hamburger Finanzbeamte hat er in den Zeugenstand zitiert und so Aussagen und Dokumente bekommen, die im Hamburger Untersuchungsausschuss auch Scholz und Tschentscher in Bedrängnis bringen könnten.

Im Bonner Gerichtssaal wurde bereits ein Beleg zutage gefördert, wonach im Gegensatz zur Finanzbehörde des Stadtstaates, also dem Landesfinanzministerium Hamburgs, das nachgeordnete Finanzamt durchaus von Warburg die erbeuteten Millionen zurückholen wollte. Das geht aus einem 28-seitigen Schreiben hervor, dass Zickler von einer der Finanzbeamtinnen übergeben wurde.

Finanzbeamtin lehnt Stellungnahme ab

Verfasserin des Schreibens ist die Finanzbeamtin P., als Sachgebietsleiterin einst zuständig für Warburg. Frau P. taucht in den Tagebüchern des Warburg-Mitinhabers Christian Olearius öfters auf. Die Aufzeichnungen des Bankiers sowie interne Bankvermerke, die Panorama und weitere Medien einsehen konnten, erwecken wie berichtet den Eindruck, P. sei weniger die Kontrolleurin von Warburg gewesen, sondern eher bemüht, dass die Bank die Cum-Ex-Gelder behalten konnte. In einem Vermerk heißt es, P. habe Warburg geradezu beruhigt mit der Aussage, die Gelder würden nicht zurückverlangt. Gegenüber Panorama hat P. eine Stellungnahme abgelehnt.

In der Gerichtsverhandlung am 7. Januar äußerst sich P. erstmals. Gegenüber dem Richter streitet sie ab, sich je so geäußert zu haben. Ihre Haltung habe sie dargelegt in dem Schreiben an die Finanzbehörde, die damals von Peter Tschentscher als Senator geführt wurde. Darin schrieb P., das Finanzamt beabsichtige, die Steuerauszahlungen an Warburg rückgängig zu machen.

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Was wusste die Behörde wann?

Richter Zickler will von P. wissen, ob sie von sich aus die Finanzbehörde in die Entscheidung einbezogen habe. Er fragt, ob sie ihren Bericht an die Behörde proaktiv geschrieben habe.

Frau P. sagt, in ihrer Erinnerung habe sie den Bericht proaktiv geschrieben.Zickler hakt nach:

Die ihr vorgesetzte Finanzbehörde habe nicht nachgefragt?

Nein!

Aber es sei ja denkbar, dass die Finanzbehörde nachfrage.

Nein, die Behörde habe nicht nachgefragt.

Bei so einem existenziellen Vorgang?

Nein, dazu hätte sie von dem Vorgang überhaupt erst wissen müssen, sagt P.

Richter Zickler lässt eine Liste der Warburg-Bank an die Wand projizieren, wer im Sommer 2016 das Argumentationspapier der Bank erhielt. Unter Namen wie des damaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs und anderen steht am Ende der Liste: "Herrn BM Olaf Scholz" und "Zum Termin am 7.9.2016". Es ist das erste von insgesamt drei Treffen zwischen Olearius und "BM Scholz" in der Steuerangelegenheit.

Ich nehme an, BM steht für Bürgermeister, sagt Zickler.

Das würde sie auch so deuten, sagt Frau P.

Das bestätige dann doch, dass irgendwo in der Verwaltung des Stadtstaates Wissen über die Vorgänge um Warburg vorhanden gewesen sei, sagt Zickler. Er fragt, ob es vom Büro Scholz eine Anfrage gab.

Sie erinnere sich nicht, sagt Frau P.

Das könne man immer behaupten, sagt Zickler.

Er kann sich nicht vorstellen, dass P. sich nicht erinnern kann, ob sie vom Bürgermeister oder seinem Umfeld eine Anfrage dazu bekommen hat. Doch P. weicht weiter aus. Sie sei immer noch der Auffassung, dass sie selbst entschieden habe, an die Finanzbehörde zu berichten. Das ist offenbar nicht die Antwort auf die Frage. Aber Zickler lässt es auf sich beruhen.

Dem Gericht liegen die Akten vor

Während die Abgeordneten in Hamburg seit Wochen auf die Akten warten, liegen Richter Zickler die Akten des Finanzamtes vor, wie das Gericht auf Anfrage Panorama bestätigte. Die Vorsteherin des Finanzamtes hatte dem Richter bei ihrer Zeugenaussage versprochen, er könne die Akten bis zum 15. Januar haben: Man müsse die Unterlagen sowieso für den U-Ausschuss kopieren, begründete sie die schnelle Lieferung.

In Hamburg wird den Abgeordneten der Zugang zu Akten bislang verwehrt. Begründung: Aktuell würden dafür erst Räumlichkeiten eingerichtet, mit IT-Technik und Mobiliar versorgt, sagte eine Sprecherin der Bürgerschaftskanzlei zu Panorama.

Hinzu kommt, dass Tschentschers Senatskanzlei die Abgeordneten wissen ließ, die Öffentlichkeit sei ausgeschlossen, wenn Akten Gegenstand von Zeugenbefragungen im Ausschuss sind. "Das ist aktive Aufklärungsverhinderung", sagt Norbert Hackbusch (Linke). "In Bonn wird in öffentlicher Gerichtsverhandlung über die Akten der Finanzverwaltung gesprochen. Und im Untersuchungsausschuss geht dies nur hinter verschlossen Türen", sagt Hackbusch.

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