Das Ablenkungsmanöver
Übernommen aus der Wochenzeitung "Die Zeit":
Eine Hamburger Privatbank mit noch immer persönlich haftenden Gesellschaftern gegen eine Symbolinstitution des Finanzkapitalismus, dem man nach unzähligen Skandalen grundsätzlich erst einmal alles zutraut. So kann und soll man die Klage der Warburg-Bank gegen die Deutsche Bank wohl interpretieren, die in der vergangenen Woche bekannt wurde. Es geht um den Cum-Ex-Skandal, den größten Steuerraub aller Zeiten, und um die Rolle der beiden Institute darin. Kurz gesagt lautet die Botschaft der Klage: Warburg ist unschuldig - verbockt hat es die Deutsche Bank.
Erkenntnisse der Ermittler zeichnen anderes Bild
Bei Cum-Ex-Geschäften wird eine Steuer erstattet, die nie bezahlt wurde, was in Deutschland einen Milliardenschaden beim Staat verursacht hat. Dem geht aber ein Verwirrspiel voraus, an dem Banken, Broker und Investoren beteiligt sind. Und die Beteiligten schieben sich nun gegenseitig die Schuld zu. Warburg behauptet, die Deutsche Bank habe es pflichtwidrig unterlassen, Steuern abzuführen. Diese wiederum teilt mit, die Pflicht dazu liege allein bei Warburg. Noch sind etliche juristische Fragen ungeklärt. Schon aber lässt sich erkennen, dass die Rollen der beiden Banken im Cum-Ex-Skandal sehr unterschiedlich waren. Und dass die Opferrolle, in die Warburg mit der Klage nun zu schlüpfen versucht, mit den Erkenntnissen der Ermittler kaum in Einklang zu bringen ist. Das zeigen vertrauliche Akten und Berichte im Zuge der Cum-Ex-Files.
Seit dem Jahr 2016 hat die Staatsanwaltschaft Köln die Warburg-Bank mehrfach durchsuchen lassen und die Ermittlungen gegen sie stetig ausgeweitet. Sie vermutet, dass die Bank zwischen 2006 und 2011 ein zentraler Akteur auf dem Cum-Ex-Markt war. Der Verdacht lautet Steuerhinterziehung in besonders schwerem Fall. Der entstandene Schaden soll bei 330 Millionen Euro liegen. Die Warburg-Bank hat demnach auf allen Ebenen mitgemischt: Sie hat Cum-Ex- Geschäfte auf eigene Rechnung und für vermögende Kunden getätigt. Inhaber sollen auch ihr Privatvermögen in Cum-Ex-Deals investiert haben. Die Führung des Hauses war offenbar eng eingebunden.
"Hochgradig involviert"
In einer Befragung durch die Wirtschaftsprüfer von Deloitte sagte der wichtigste Cum-Ex-Händler der Bank, es gebe Institute, bei denen der Vorstand von solchen Transaktionen nichts wissen wolle, das sei bei Warburg anders gewesen. Die sogenannten Partner in der Führung der Bank seien "hochgradig involviert" gewesen. Die Warburg-Bank bestätigt das, bestreitet aber, dass die Partner von "rechtswidrigen Cum-Ex-Transaktionen" gewusst haben.
Neben der Staatsanwaltschaft interessiert sich auch das Hamburger Finanzamt für Warburg. Es will rund 46 Millionen Euro an Steuern zurück. Warburg hatte diese im Zuge von Cum-Ex-Geschäften in den Jahren 2010 und 2011 geltend gemacht, nach Ansicht des Finanzamts zu Unrecht. Die Warburg-Bank indes beharrt darauf, das Geld stehe ihr zu. Sie hat Einspruch gegen die Steuerbescheide eingelegt.
Um diese Forderung geht es nun auch in der Klageschrift gegen die Deutsche Bank. Auf Anfrage will Warburg sie der "ZEIT" nicht zur Verfügung stellen, aber die Süddeutsche Zeitung zitiert daraus: Bei Warburg sei "ohne eigenes Zutun und Wissen" eine Steuerschuld entstanden. Verantwortlich sei vielmehr die Deutsche Bank. Sie solle daher auch für alle Rückforderungen des Fiskus aufkommen und der Privatbank von der Binnenalster zudem den Reputationsschaden ersetzen, der durch die Vorwürfe gegen sie entstanden sei.
Fiskus zahlte einmal zu viel
Wusste die Warburg-Bank also gar nicht, was sie tat? Das ist eher unwahrscheinlich. Bei Cum-Ex-Geschäften erwarb sie riesige Aktienpakete, hielt sie für wenige Tage und veräußerte sie dann wieder an den Verkäufer. Allein im Jahr 2010 hat Warburg auf diese Weise Aktien im Wert von 10,7 Milliarden Euro bewegt. So steht es in einem Bericht der Wirtschaftsprüfungsfirma Deloitte, die im Auftrag der Finanzaufsicht die Cum-Ex-Geschäfte von Warburg untersucht hat. Deloitte vermutet ebenso wie die Staatsanwaltschaft, dass es sich dabei um sogenannte Leerverkäufe gehandelt habe, also um den Handel mit Aktien, die sich der Verkäufer erst noch beschaffen muss. Bis 2012 konnten solche Leerverkäufe dazu führen, dass Steuerbescheinigungen mehrfach ausgestellt wurden, obwohl die Steuer nur einmal abgeführt wurde. Dadurch konnte sich sowohl der Verkäufer als auch der Käufer die Steuer erstatten lassen. Der Fiskus zahlte einmal zu viel.
Wusste man bei Warburg, dass man offenbar Aktien von einem Leerverkäufer erwarb? Dafür sprechen eine Reihe von Indizien, die von Wirtschaftsprüfern und Ermittlern zusammengetragen wurden. So heißt es im Deloitte-Bericht, die Deals seien im Detail abgesprochen, die Gegenpartei immer dieselbe gewesen. Vor allem aber hätte man bei Warburg angesichts der hohen Renditen wissen können, dass es sich um Leerverkäufe gehandelt habe und keine Steuer abgeführt wurde. Denn ohne sie seien solche Gewinne nur "schwer nachvollziehbar", so die Deloitte-Prüfer. Anders gesagt: Ohne den Steuertrick ergeben die Warburg-Deals ökonomisch keinen Sinn.
Ruf der Warburg-Bank beschädigt
Auch ein ehemaliger Händler der Macquarie-Bank sagte bei der Staatsanwaltschaft aus, dass er mit Warburg Cum-Ex-Geschäfte durchgeführt habe, bei denen er als Leerverkäufer aufgetreten sei. Die Bank habe dies gewusst, die Deals seien abgesprochen gewesen. Die Profite hätten erkennen lassen, dass keine Steuer abgeführt worden sei. Die Bank teilt dazu mit: "Zu keinem Zeitpunkt war mit der Warburg-Bank abgesprochen, dass Aktien leer verkauft und keine Kapitalertragssteuer abgeführt werde." Die nun verklagte Deutsche Bank war bei diesen Geschäften weder Käufer noch Verkäufer, sondern fungierte als Depotbank eines Londoner Brokers, über den Warburg die Aktien kaufte. Das heißt, sie verwahrte die Aktien nur, ähnlich wie Geld für einen Kunden auf einem Girokonto. Trotzdem argumentiert Warburg nun, die Deutsche Bank hätte Sorge tragen müssen, dass die Steuer, die Warburg sich später erstatten ließ, zuvor auch abgeführt wurde.
Schon 2010 allerdings wurde der Warburg-Bank ein Schreiben der Deutschen Bank an das Finanzamt Wiesbaden übersandt. Darin beantwortet diese ein Auskunftsersuchen zu einem Cum-Ex-Fall, bei dem sie als Depotbank des Käufers diente. Auf drei Seiten erläutert die Deutsche Bank, dass sie nicht habe erkennen können, ob es sich um Leerverkäufe gehandelt habe und ob Steuern abgeführt wurden. Die Deloitte-Prüfer nehmen das in ihren Bericht auf, weil es darauf hindeuten könnte, dass die Warburg-Bank wusste, wie die Deutsche Bank die Dinge handhabt. Nun aber argumentiert die Warburg-Bank, dass der Sachverhalt nicht vergleichbar sei. Die Deutsche Bank sei damals als ausländische Depotbank des Käufers aufgetreten. Im strittigen Fall sei sie aber die inländische Depotbank der Verkäufer und damit zur Zahlung der Steuer verpflichtet gewesen. Ob das aus juristischer Sicht eine Rolle spielt, müssen wohl Richter entscheiden. Den Ruf der Warburg-Bank haben die Erkenntnisse der Ermittler aber schon jetzt beschädigt.