Stand: 14.06.2017 10:00 Uhr

Allianz: Versicherungen haben an Cum-Ex mitverdient

von Manuel Daubenberger, Felix Rohrbeck, Christian Salewski & Oliver Schröm

Wir Deutschen lieben Versicherungen. Fast jedes Kind kennt den Slogan "Hoffentlich Allianz-versichert". Es gibt kaum etwas, das man nicht versichern könnte. Das gilt offenbar sogar für das Ausplündern des Staates. Ein Redakteursteam - Panorama, ZEIT und ZEIT ONLINE - hat zusammen geheime Ermittlungsakten, Zeugenvernehmungen und E-Mails ausgewertet. Aus ihnen geht hervor, wie die Versicherungswirtschaft an Cum-Ex mitverdiente und den Geschäften den Anschein von Seriösität verlieh. Allen voran der Marktführer, die Allianz.

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Alles legal?

Der Mann, dessen Kanzlei 2011 eine Versicherung abschließt, heißt Hanno Berger. Der Anwalt ist Anfang der neunziger Jahre Finanzbeamter, dann wechselt er die Seiten und berät von nun an Konzerne und Milliardäre. Zunächst geht es darum, die Steuern reicher Kunden möglichst auf null zu drücken. Dann reicht auch das nicht mehr. Spätestens 2006 steigt Berger ins Cum-Ex-Geschäft ein. Er öffnet die Türen zu Banken und Milliardären und sorgt für die juristischen Gutachten, die behaupten: alles legal.

Mit der Allianz versichert

Um ein solches Gutachten geht es. Allerdings hat Berger ein Problem. Nach mehreren gescheiterten Versuchen hat die Politik Ende 2010 den Cum-Ex-Geschäften in ihrer bisherigen Form einen Riegel vorgeschoben. Berger und Kollegen geben nicht auf. Sie haben sich eine neue Struktur ausgedacht, rund um einen Fonds in Luxemburg, für den Berger das Gutachten schreibt. Doch ist das noch legal? Und werden die Investoren Berger glauben? Ein einfaches Gutachten reicht nicht mehr. Jetzt soll der Allianz-Stempel auf die Arbeit von Bergers Kanzlei. "Das Risiko ist hoch", schreibt ein Allianz-Mitarbeiter im Dezember 2010 an seine Kollegen. Zum Vertragsabschluss kommt es dennoch. In einem Schreiben der Allianz an Bergers Kanzlei aus dem März 2011 bestätigt sie, "die anwaltliche und steuerliche Beratung" der Luxemburger Gesellschaft auf Basis des "übersandten Gutachtens durch die Kanzlei Berger, Steck und Kollegen" zu versichern." Die Versicherungssumme: 100 Millionen Euro. Allerdings trägt die Allianz das Risiko nicht allein. Sie teilt es sich zu gleichen Teilen mit zwei weiteren Versicherungen: HDI Gerling, das zum zum Talanx-Konzern gehört, und der Versicherungsstelle Wiesbaden, einem Spezialversicherer für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Ein Allianz-Mitarbeiter schreibt an den Inhaber der Allianz-Agentur, die Berger betreut, dass man wegen "des möglichen finanziellen Volumens" die Versicherungssummen nicht alleine tragen wolle. Als Prämie werden insgesamt 300.000 Euro vereinbart.

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Sicherheit suggeriert

Ist der Allianz damals klar, dass sie Steuerräuber versichert? Der Inhaber der Allianz-Vertretung wird später in seiner Zeugenvernehmung aussagen, dass Berger ihm erläutert habe, er kenne da eine "Gesetzeslücke" und nutze sie aus. Ihm sei klar gewesen, dass es um ein "Steuersparmodell" ging. Zu den Motiven Bergers, das Gutachten zu versichern, vermutet er: Eine Allianz-Versicherung sehe "einfach besser" aus. Man habe damit wohl "Sicherheit suggerieren" wollen.

"Kein Steuer-Fachmann"

Der Sportbekleidungs-Unternehmer Peter Schöffel  steckt fünf Millionen Euro in den Sheridan-Fonds, dessen Geschäfte das Gutachten für legal erklärt. In seiner Zeugenvernehmung sagt er später aus, dass die Versicherung sein Vertrauen in die Anlage erhöht habe. Er habe es so verstanden, "dass die Allianz einspringen würde", wenn etwas nicht so laufen sollte wie geplant. Auch ein Mitarbeiter der Schweizer Sarasin-Bank, die in Cum-Ex-Geschäfte verstrickt war, sagt aus, dass die Versicherung eine zusätzliche Absicherung bedeutet habe. Man habe geglaubt, dass die Allianz "umfangreich geprüft" habe. Dem war aber nicht so. Der Mitarbeiter der Allianz, der die Deckung erteilt, hat das Gutachten "durchgesehen". So sagt er es in seiner Zeugenvernehmung aus. Zu einer steuerrechtlichen Begutachtung sei er gar nicht in der Lage gewesen, er sei "kein Steuer-Fachmann". Stattdessen habe er ein bisschen im Internet recherchiert und der Wirtschaftspresse entnommen, es handele sich bei Hanno Berger um einen "Top- Rechtsanwalt im Steuerrecht". Kurzum: Der Allianz-Mitarbeiter vertraut darauf, dass es schon stimmt, was Hanno Berger in seinem Gutachten schreibt.

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Auf Anfrage teilt die Allianz zu dem konkreten Fall lediglich mit, dass "wie üblich sorgfältig geprüft" worden sei, ob ihre Anforderungen erfüllt gewesen seien. Sie weist aber auch darauf hin, "dass es weder Aufgabe noch Funktion der Vermögenschaden-Haftpflichtversicherung sein kann, die materielle Rechtslage in solchen Fällen zu prüfen".

Klar, "dass es um Cum-Ex-Geschäfte" ging

Bei HDI Gerling verlässt man sich auf die Einschätzung der Allianz. Man habe das Gutachten, so sagt es ein Mitarbeiter in seiner Zeugenvernehmung, selbst gar nicht geprüft. Auf Nachfrage will sich HDI aus "datenschutzrechtlichen Gründen" nicht äußern. Die Versicherungsstelle Wiesbaden reagiert nicht auf eine Anfrage. Ein Mitarbeiter hat als Zeuge aber ausgesagt, er habe gewusst, dass es sich um Cum-Ex-Geschäfte handelte. Aus den Unterlagen geht zudem hervor, dass die Versicherungsstelle Wiesbaden einen Teil ihres Risikos an zwei Rückversicherer weitergegeben hat: die Munich Re und die Swiss Re. Auch sie haben die Fragen der ZEIT nicht beantwortet. Als das Geschäftsmodell der Sheridan-Fonds zusammenbricht, weil das Bundeszentralamt für Steuern stutzig wird, hilft auch die Allianz-Versicherung nichts. Investoren verlieren Geld. Berger setzt sich in die Schweiz ab. Seine Kanzlei macht dicht. Die Unternehmensabwicklerin bittet die Allianz Ende 2014 um Schadensersatz in Millionenhöhe. Diese allerdings sieht sich nicht in der Pflicht. Die dargelegten Gründe würden "nicht ansatzweise" genügen, um einen Anspruch zu begründen. Ob die Allianz jemals etwas von der Versicherungssumme ausgezahlt hat, will sie nicht verraten.

 

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Dieses Thema im Programm:

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