Cum Ex: Vom Ende einer Chose
Als Christian Olearius, Inhaber der altehrwürdigen Privatbank Warburg, im Oktober 2016 in der Nähe seines Brandenburgischen Schlosses spazieren geht, ahnt er wohl noch nicht, dass just in diesen Tagen eine Sachbearbeiterin im Finanzamt für Großunternehmen Hamburg eine für ihn verhängnisvolle Entscheidung trifft. Über Jahre hatte Olearius mit seiner Bank groß bei sogenannten Cum-Ex-Geschäften mitgemischt. Bei diesem größten Steuerraubzug aller Zeiten erstattete der Staat über Jahrzehnte Steuern, die gar nicht gezahlt wurden. Ob das bloß unanständig oder schon illegal war, darüber streiten die Juristen bis heute. Doch bereits im Oktober 2016 entscheidet die Hamburger Finanzbeamtin: Warburg muss das Geld, womöglich einen dreistelligen Millionenbetrag, zurückzahlen.
"Sie haben eine merkwürdige Auffassung!"
Wir treffen damals Christian Olearius beim Spazierengehen und so selbstsicher, wie er unsere Frage abwehrt, ob seine Cum-Ex-Geschäfte nicht ein Griff in die Steuerkasse gewesen seien, kann er von der Entscheidung der Finanzbeamtin eigentlich nichts gewusst haben: Er lacht nur kurz und erwidert: "Sie haben eine merkwürdige Auffassung!" Wir sollten doch mal abwarten, wie "diese gesamte Chose" ausgehe. Inzwischen ist klar: Die "Chose" dürfte für Christian Olearius und seine Bank nicht sonderlich gut ausgehen und aus Sicht der Steuerzahler ist das eine Genugtuung.
190 Millionen Euro Nachzahlung drohen
Wie NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung berichten, könnte sich die Rechnung für die Cum-Ex-Party bei Warburg inklusive Bußgelder und Zinsen am Ende auf mehr als 190 Millionen Euro belaufen. Zu diesem Ergebnis kommt dem Bericht zufolge die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte, die die Cum-Ex-Deals der Warburg-Bank zwischen 2007 und 2011 untersucht hat. Eine solche Summe zahlt auch die Warburg-Bank, immerhin Hamburgs ältestes Bankhaus, nicht mal eben aus der Portokasse und so kann es passieren, dass die Inhaber der Bank mit ihrem eigenen Geld für den Steuerraubzug einstehen müssen. Die beiden Haupteigner, neben Olearius noch Max Warburg, haften dem Bericht zufolge bereits mit 92 Millionen Euro aus ihrem Privatvermögen für etwaige Nachzahlungen aufgrund der Cum-Ex-Deals. Aber selbst das könnte - siehe oben - nicht reichen.
Hamburger Behörden ermitteln erst auf Druck
Offenbar haben die Hamburger Behörden zunächst sogar versucht, den Fall zu verschleppen, wie NDR, WDR und SZ berichten. Nachdem die Sachbearbeiterin die Finanzbehörde vom Steuerraub bei Warburg unterrichtet hatte, sei zunächst mehr als ein Jahr nichts passiert. Erst auf Druck aus Berlin hin hätten Hamburger Behörden Maßnahmen ergriffen, um eine drohende Verjährung der Forderungen zu verhindern. Die Verjährung wäre ein Debakel gewesen, denn Warburg verdiente jahrelang prächtig an Cum-Ex. Panorama liegt ein "streng vertraulicher" Untersuchungsbericht im Auftrag der Warburg Bank vor. Darin wird unter der Überschrift "Cum-Ex-Geschäfte im Eigenhandel von M.M. Warburg" vorgerechnet, dass diese Deals in den Jahren 2008 bis 2010 sogar zwischen 12 und 17 Prozent zum operativen Ergebnis der Bank beigetragen hätten. Das zurückzuzahlen tut weh. Für Olearius und die Warburg-Bank geht es jetzt also ans Eingemachte.
Erste Durchsuchungen bereits 2016
Aber mit Geld allein ist die Sache nicht getan. Denn für Warburgs Cum-Ex-Geschäfte interessiert sich neben dem Finanzamt auch die Staatsanwaltschaft Köln. Sie ermittelt wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung. In besonders schweren Fällen gehen Beschuldigte dafür bis zu zehn Jahre ins Gefängnis und die Kölner Ermittler schrecken auch vor großen Namen und feinen Adressen nicht zurück. Die noble Warburg-Bank an der Binnenalster durchsuchten sie bereits im Januar 2016 und tragen seitdem Beweismittel um Beweismittel zusammen. Mehrere Insider haben umfassend ausgesagt - und dabei auch Warburg und Olearius belastet. In einem anderen Cum-Ex-Großverfahren hat die Staatsanwaltschaft Frankfurt inzwischen Klage bei Gericht eingereicht. Auch strafrechtlich könnte es also eng werden.
Warburg-Bank weist Schuld von sich
Die Warburg-Bank hatte gegenüber Panorama stets darauf beharrt, keine Transaktionen durchgeführt zu haben, "die strafrechtlich oder steuerlich zu beanstanden sind". Und der Deloitte-Bericht? Auch der enthalte "zum Sachverhalt keine neuen Erkenntnisse", heißt es nun von einem Anwalt der Bank. "Die über zweijährigen internen und externen Untersuchungen und die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Köln haben keine belastenden Ergebnisse erbracht." Forderungen gegenüber der Bank hätten somit keine Grundlage. Also alles tutti?
Beim Spaziergang im Brandenburgischen im Oktober 2016 ist Christian Olearius sich seiner Sache ähnlich sicher. "Es wird alles in Vernunft, mit Zeit, vernünftig aufgeklärt", sagt der Bankier da noch, dann wird er plötzlich laut: "Ich brauche von meiner Einschätzung, die Sie ja kennen, keinen Deut abzuweichen, brauch ich nicht!"
Offensichtlich könnte Christian Olearius mit seiner Einschätzung falsch liegen.