Eine Phase des Übergangs
Das schwerfällige Gebilde NWRV erwies sich als immer ungeeigneter, um angemessen auf diese Entwicklungen zu reagieren. Als der seit 1952 amtierende Fernseh-Intendant Werner Pleister im Juli 1959 vom NWRV-Kuratorium entlassen wurde, wertete man dies in der Öffentlichkeit als überfälligen Schritt und begrüßte die dadurch mögliche Innovation. Die Produktions- und Distributionsstrukturen des Fernsehbetriebs veränderten sich: Durch die Magnetaufzeichnung konnten Produktion und Ausstrahlung einer Sendung zeitlich entkoppelt werden, Vorproduktionen erlaubten es, Programme zwischen den Sendeanstalten auszutauschen und einzelne Sendungen zu wiederholen.
Mit Studio Hamburg in die Zukunft
Neue Kooperationen in der Film- und Fernsehwirtschaft entstanden. So führte zum Beispiel in Hamburg die Kooperation mit Filmproduzent Gyula Trebitsch zur Gründung der Atelier-Betriebsgesellschaft Real-Film. Sie gehörte zu 80 Prozent der Norddeutschen Werbefernsehen GmbH. Wenig später wurde die Real-Film in "Studio Hamburg" umbenannt. Solche Entscheidungen schufen die Voraussetzungen für einen medialen Aufbruch, der in den 60er-Jahren zum Tragen kam.
Schöner fernsehen in Wirtschaftswunder-Zeiten
Noch sah ein Fernsehabend beispielsweise im Jahr 1958 wie folgt aus: Das "Deutsche Fernsehen“, zu dem sich die Fernsehprogramme der einzelnen ARD-Rundfunkanstalten im November 1954 zusammengeschlossen hatten, startete am späten Nachmittag mit dem Kinder- und Jugendprogramm. Zwischen 19 und 20 Uhr gab es regionale Sendungen wie die "Nordschau" mit der bald sehr populären "Sportschau der Nordschau“. Täglich um 20 Uhr markierte die "Tagesschau" den Übergang zum zweistündigen Abendprogramm. Dessen Zusammensetzung regelte ein Fernsehvertrag, der eine Zulieferung von 50 Prozent durch den NWRV festlegte.
Aus den Fernsehstudios in Hamburg kamen zahlreiche Programme, die ihr Publikum nicht mehr nur im Norden fanden. Berühmt wurde die Kochsendung "Bitte in zehn Minuten zu Tisch“, mit der Fernsehkoch Clemens Wilmenrod das deutsche Wirtschaftswunder begleitete und die Konsumwünsche seines Publikums weckte. Den ganz normalen Alltag einer bundesrepublikanischen Familie konnte man verfolgen, wenn man einmal monatlich um 20.15 Uhr bei "Unsere Nachbar heute abend: Familie Schölermann" zu Gast war.
Heute heißt es "Gerichtsshow"
Ein glückliches Händchen hatte man mit der bunten und unterhaltsamen Sendung "Die aktuelle Schaubude“, die im Dezember 1957 ihren Siegeszug durch die deutschen Wohnzimmer antrat. Kriminalserien wie "Stahlnetz" sorgten für Spannung. Neben der Unterhaltung setzte man aber auch auf das Interesse am Zeitgeschehen. "Das Fernsehgericht tagt" hieß eine der ersten Serien, die juristische Fälle mediengerecht aufbereitete. Große aufwändige Dokumentationen machten das Fernsehen zu einem "Fenster zur Welt“, wie beispielsweise die 1957 ausgestrahlte Produktion "Auf der Suche nach Frieden und Wahrheit“.
Mit diesen und vielen weiteren Sendungen trug das Fernsehen dazu bei, ein Modernisierungsinstrument in der jungen Bundesrepublik zu werden. Das kulturkritisch oft noch als "Pantoffelkino" verschmähte Medium wuchs und stellte Öffentlichkeit her – boten doch die Sendungen viel Gesprächsstoff für angeregte Diskussionen am Arbeitsplatz und in der Nachbarschaft.
- Teil 1: Weichenstellungen für den NDR
- Teil 2: Der Tradition verpflichtet: Die Hörfunkprogramme
- Teil 3: Programmprägend: Die Macher
- Teil 4: Neue Wege eröffnen neue Chancen