Die "Schölermanns" - Familienleben im Fernsehen
Das Fernsehen zu Gast im häuslichen Wohnzimmer und die Fernsehfamilie als Spiegelbild des eigenen Alltags: Familienserien hatten bis weit in die 1950er-Jahre hinein Konjunktur - zunächst im Radio, später auch im Fernsehen. Der NWDR startete mit der "Familie Schölermann" am 15. September 1954 eine Reihe, die noch heute vielen Menschen in Erinnerung ist als ein Stück "Hamburg im 20. Jahrhundert".
"Um 20 Uhr musste ich ins Bett, außer bei 'Familie Schölermann‘ (…), da durfte ich länger aufbleiben, und alle saßen vor der Schwarz-Weiß-Glotze". Ein Eintrag wie dieser findet sich in vielen Internetforen zu "Fernsehserien" und zur sogenannten TV-Nostalgie. Aber nicht nur medienbiografische Reminiszenzen zeigen, dass die "Schölermanns" als die Fernsehfamilie des Nordens im Gedächtnis vieler verankert sind: In seinem Band "Hamburg im 20. Jahrhundert" widmet der Hamburger Journalist Dierk Strothmann der frühen Bildschirm-Familie ein ganzes Kapitel und schwärmt vom "Fernsehen in der Schölermannzeit".
Selfies der etwas anderen Art
Dabei würde heute wohl niemand mehr die Dialoge besonders unterhaltsam, geschweige denn amüsant finden, und heutige Sehgewohnheiten würden mit der Behäbigkeit des Konfliktaufbaus und dessen Lösung kollidieren. Der Charme liegt in etwas anderem begründet, nämlich in dem kleinen Kosmos der fünfköpfigen Familie, der von 1954 bis 1960 im Bildschirmformat zu betrachten war. Eine vergangene Welt, die die Alltagssorgen und Aufstiegswünsche, die Rollenvorstellungen und Konsumfreuden der damaligen Zeit widerspiegelt. In vielem erscheinen die "Schölermann"-Folgen wie ein Blick in das Fotoalbum der eigenen Familiengeschichte.
Wer waren die "Schölermanns"?
Die "Familie Schölermann" sollte nach dem Willen der Fernsehmacher in jeder Hinsicht eine norddeutsche Durchschnittsfamilie abbilden: Vater Matthias als Familienoberhaupt, Mutter Trudchen als seine im Haushalt das Regiment führende Ehefrau, Teenager-Tochter Evchen, der kurz vor der Hochzeit stehende Sohn Heinz sowie Nachzügler und Schuljunge Joachim, genannt Jockeli.
Verkörpert wurden sie von den Schauspielerinnen und Schauspielern Willy Krüger, Lotte Rausch, Margit Cargill, Charles Brauer und Harald Martens. Doch das wurde dem Publikum lange Zeit nicht verraten. Erst in der letzten der 111 Folgen wurden die Namen der Darstellerinnen und Darsteller genannt. Zuvor war es die Strategie der Sendeverantwortlichen, die Schölermanns so realistisch wie möglich erscheinen zu lassen und alle Verweise auf Fernsehinszenierung und auf einstudierte Rollen zu vermeiden.
Verwirrspiel um die Darsteller
Eine Strategie, die in gewisser Hinsicht aufging, denn die realen TV-Künstler berichteten immer wieder von kuriosen Begebenheiten mit ihrem Publikum. Etwa wenn Lotte Rausch des Ehebruchs bezichtigt wurde, als man sie mit ihrem richtigen Mann anstatt mit Herrn Schölermann beim Einkauf sah.
Aber vielleicht ist auch dies nur eine Anekdote, denn TV-Schein und Wirklichkeit durchkreuzten sich ständig. Deutschlands damals größte Fernsehzeitung "Hör zu!" trug ihren Teil dazu bei, indem sie im November 1958 beispielsweise ausführlich über "Familie Schölermann privat" berichtete. Lotte Rausch hatte, wie man liest, ihre Fernsehfamilie über das Wochenende in das eigene Haus am Plöner See eingeladen. Für die Kameras der "Hör zu!" posierten alle Schauspieler denn auch so, wie es ihre Fernsehrollen von ihnen verlangten. Gleichzeitig erkennt man: Die Namen der Darsteller waren also auch vor der letzten Sendefolge schon publik geworden.
- Teil 1: Selfies der etwas anderen Art
- Teil 2: Wie die Mutter so die Tochter