Eine Phase des Übergangs
Die zweite Hälfte der 50er-Jahre markiert die Endphase des so genannten "Radio-Booms“. Noch bildete das Radio den Mittelpunkt der häuslich verbrachten Freizeit, noch war es das Leitmedium, wenn es um Information, Kultur, Bildung oder Unterhaltung ging. Aber das Fernsehen gewann in diesen Jahren immer mehr Terrain - das sich ausbreitende "Fernsehfieber“, von dem zeitgenössisch die Rede ist, wurde spürbar.
Das Hörfunkprogramm in dieser Zeit stand in der Tradition der ersten Hälfte der 50er-Jahre. Beispiel dafür ist das Mittelwellen-Programm, das NDR und WDR gemeinsam verantworteten. NDR/WDR 1 mit seinen vielfältigen Angeboten aus allen Bereichen und seinen traditionellen Sendeplätzen wurde in einer kleinteiligen Kästchenstruktur weitergeführt.
Dagegen gewann das auf UKW ausgestrahlte zweite Programm mehr und mehr an Bedeutung. Vor allem die regionalen Belange rückten stärker in den Mittelpunkt. Eine ganze Reihe von Angeboten wurde für das UKW-Nord-Programm entwickelt oder wechselte den Sendeplatz vom Mittelwellenprogramm auf die regionale UKW-Frequenz, so etwa die plattdeutsche Fünf-Minuten-Sendung "Hör mal’n beten to" der "Niederdeutschen Abteilung“. Dieses bis heute existierende Format ging im November 1954 an den Start und wurde von April 1956 an täglich auf UKW-Nord gesendet.
"Hoffentlich hören uns (...) nur wenige.“
Es gab auch eine echte Neuerung. Sie trat am 1. Dezember 1956 in Kraft. Mit dem Pausenzeichen b-a-c-h meldete sich fortan das "Dritte Programm" zu Wort. Zwei Versuchsreihen waren diesem Sendestart vorangegangen. Nach Einschätzung der Programmverantwortlichen waren diese Versuche mit einem hochwertigen Kulturprogramm in der Tradition des "Third Programme"der BBC erfolgreich verlaufen.
Welche Adressaten mit dem Dritten Programm aus dem Funkhaus in Hannover angesprochen werden sollten, machte Intendant Walter Hilpert in der Einführungsrede deutlich: "Hoffentlich hören uns (…) nur wenige. Das klingt wie Überheblichkeit. Und es ist so gemeint: hoffentlich hört uns nur eine Auswahl, eine Minderzahl, und morgen eine andere, und zu jeder Stunde unseres Dritten Programms nur die, die wir meinen."
Das täglich um 20.15 Uhr beginnende Wort-Programm zielte auf "zum Zuhören bereite Hörer“. Walter Hilpert und Jürgen Schüddekopf als Leiter des Dritten Programms versprachen ein anspruchsvolles Programm, das die "großen Themen dieser Zeit, die politischen, die künstlerischen und die wissenschaftlichen Fragen" behandelt. Von ihrer Zuhörerschaft verlangten sie "Bemühung"und "ungeteilte Aufmerksamkeit“.
- Teil 1: Weichenstellungen für den NDR
- Teil 2: Der Tradition verpflichtet: Die Hörfunkprogramme
- Teil 3: Programmprägend: Die Macher
- Teil 4: Neue Wege eröffnen neue Chancen