Tierhaltungs-Kennzeichnung: Was genau bedeuten die Siegel?
Schweine, die auf engstem Raum leben, Hühner, die Antibiotika bekommen, oder Rinder, die sich auf stundenlangen Tiertransporten quälen: Vielen Menschen ist die Vorstellung, dass Nutztiere unnötig leiden müssen, zuwider. Mehr Orientierung darüber, wie die Tiere gehalten und wie das Fleisch hergestellt wurden, soll die neue staatliche Tierhaltungs-Kennzeichnungspflicht geben.
Sie war im August 2023 beschlossen worden und soll ab August 2025 verpflichtend für frisches Schweinefleisch aus Deutschland gelten. Geplant ist, die Kennzeichnungspflicht dann auf verarbeitete Produkte und die Gastronomie auszuweiten. Zu einem späteren Zeitpunkt soll sie zudem auch auf andere Fleischarten wie Rind und Geflügel ausgedehnt werden.
Neues Siegel stuft ab von "Bio" bis "Stall"
Das neue Siegel unterscheidet insgesamt fünf Haltungsstufen und kennzeichnet den jeweiligen "Ist-Zustand". Neue Anforderungen an die Tierhaltung sind mit der Einführung der Kennzeichnungspflicht nicht verbunden. Die Vorgaben sind auf einer Webseite des Bundeslandwirtschaftsministeriums ausführlich erläutert. Hier ein Überblick in Kürze:
Stall | Es werden nur die gesetzlichen Mindestanforderungen erfüllt. |
Stall + Platz | Die Tiere bekommen mindestens 12,5 Prozent mehr Platz als gesetzlich vorgeschrieben, zusätzlich gibt es Beschäftigungsmaterial. Die Ställe sind entweder durch verschiedene Elemente strukturiert oder den Tieren steht jederzeit ein Auslauf zur Verfügung, sodass sie Umwelteindrücke wahrnehmen können. |
Frischluftstall | Die Tiere haben in der letzten Mastphase die Möglichkeit, sich in unterschiedlichen Klimabereichen aufzuhalten, ihnen steht Beschäftigungsmaterial zur Verfügung. Sie haben entweder ganztägig die Möglichkeit zum Auslauf im Freien oder zu einem Auslauf, der ihnen die Wahrnehmung von Umwelteindrücken ermöglicht. |
Auslauf/Weide | Die Tiere haben in der letzten Mastphase mindestens 50 Prozent mehr Platz als gesetzlich vorgeschrieben. In der Variante "Auslauf" haben die Tiere einen Auslauf und einen z.B. mit Stroh eingestreuten Liegebereich. In der Variante "Weide" leben die Tiere dauerhaft im Freien und haben dort eine Schutzeinrichtung mit Liegebereich. |
Bio | Die Tiere haben mindestens 150 Prozent mehr Platz als gesetzlich vorgeschrieben, ihnen steht Auslauf zur Verfügung und sie erhalten ausschließlich biologisches Futter. Die Haltung entspricht den Anforderungen der EU-Ökoverordnung. |
Bauern befürchten mehr Bürokratie - Verbraucherschützer fordern rasche Ausweitung
Landwirtschafts-Verbände kritisierten, dass es durch das staatliche Label für Bauern wieder neue Auflagen gibt: Sie müssen zum Beispiel Baupläne und Fotos an die Behörden schicken, um zu zeigen, wie ihre Tiere gehalten werden. Außerdem müssen sie mit Kontrollen rechnen. Und: Das neue Label gilt erstmal nur für Schweinefleisch aus Deutschland - etwa 20 Prozent der hierzulande konsumierten Menge kommt aber aus dem Ausland.
Verbraucherschützer forderten, dass die verpflichtende Etikettierung rasch auf andere Produkte ausgeweitet wird. Zugleich befürchten sie, dass das neue Label zu mehr Verwirrung führen könnte. Denn es gibt ja schon Haltung-Kennzeichnungen auf vielen tierischen Produkten, die Verbrauchern eine Orientierung geben sollen - bislang allerdings nur freiwillige.
Freiwillige Kennzeichnung "Haltungsform"
Bereits seit Längerem findet sich in vielen Supermarkt-Ketten das Label "Haltungsform", das Verbrauchern beim Kauf mehr Transparenz ermöglichen soll. Mit ihm wird vorwiegend Fleisch von Schweinen, Rindern, Hühnern und Puten, aber auch von Kaninchen und Enten gekennzeichnet.
Das Label unterschied zunächst vier, seit Juli 2024 fünf verschiedene Kategorien von Haltungsbedingungen: "Stallhaltung" (rot), "Stallhaltung + Platz" (blau), "Frischluftstall" (orange), "Auslauf /Weide" (hellgrün) sowie "Bio" (dunkelgrün). Die Haltungsbedingungen von Tieren der Kategorie Stallhaltung erfüllen dabei nur die gesetzlichen Mindestanforderungen, was den Platz angeht. Fleisch der Kategorie "Bio" ist nach EU-Öko-Verordnung oder entsprechend der Anforderungen der ökologischen Anbauverbände zertifiziert, die teilweise einen höheren Standard garantieren als die EU-Öko-Verordnung. Mit der neuen Einteilung in fünf Kategorien passt sich das Label den Vorgaben der geplanten staatlichen Kennzeichnung für Schweinefleisch an.
Entwickelt wurde die "Haltungsform"-Kennzeichnung von der "Initiative Tierwohl", einer Gemeinschaftsaktion der Landwirtschaft, der Fleischwirtschaft und des Lebensmittelhandels. Betriebe, die über das gesetzliche Maß hinaus etwas für das Tierwohl tun, erhalten einen Geldbetrag aus einem gemeinsamen Fonds.
"Für mehr Tierschutz": Label des Deutschen Tierschutzbundes
Das Label "Für mehr Tierschutz" führte der Deutsche Tierschutzbund bereits im Jahr 2013 ein. Das zweistufige Siegel bewertet die Haltung von Mast- und Legehühnern, Mastschweinen sowie Milchkühen in der konventionellen Landwirtschaft. Die Einstiegsstufe, auf dem Label mit einem Stern gekennzeichnet, garantiert etwa Hühnern und Schweinen mehr Platz und Beschäftigungsmöglichkeiten. Bei Mastschweinen ist das Kürzen der Schwänze, bei Milchkühen die Anbindehaltung verboten. Die Kriterien entsprechen laut Stiftung Warentest einer Kennzeichnung der Stufe 3 des Labels "Haltungsform".
Bei der Premium-Stufe, die mit zwei Sternen gekennzeichnet ist, müssen die Tiere unter anderem Auslauf ins Freie sowie mehr Platz bekommen. Die Kriterien entsprechenden der Stufe 4 des Labels "Haltungsform".
Bio-Siegel: Naturland, Bioland, Demeter & Co
Bio-Betriebe haben generell relativ strenge Richtlinien bezüglich der Tierhaltung. Zu unterscheiden ist aber zwischen deutschen Bio-Anbauverbänden wie Naturland, Bioland oder Demeter und dem EU-Biosiegel, das teilweise niedrigere Anforderungen stellt. So schreibt etwa das EU-Siegel nicht vor, wie viel Auslauf Milchkühe und Mastrinder haben sollen, sondern lediglich, dass ein Maximum an Weidegang zu gewährleisten ist. Auch müssen die Tiere nicht ausschließlich Bio-Futter erhalten und längere Transporte sind erlaubt.
Neuland: Anforderungen vergleichbar mit Bio-Siegeln
Neuland ist ein Markenfleisch-Programm, das von dem gleichnamigen Verein aufgelegt wurde. Bezüglich der Tierhaltung legt Neuland strenge Kriterien an, die denen der deutschen Bio-Anbauverbände ähneln, etwa, was den freien Auslauf für Hühner beziehungsweise den Weidegang für Rinder und Milchkühe betrifft. Die Ställe bieten ausreichend Platz und sind mit Stroh ausgestattet. Ferkel werden immer unter Betäubung kastriert, es werden keine vorbeugenden Medikamente verabreicht und der Transport zum Schlachthof darf nicht länger als vier Stunden dauern. Anders als bei Bio-Betrieben muss bei Neuland das Futter nicht aus biologischem Anbau stammen, allerdings wird ausschließlich mit einheimischem und gentechnikfreiem Futter gefüttert.
Diskussion um Tierwohlabgabe
Fleisch aus artgerechter Haltung hat seinen Preis. Um die Landwirtinnen und Landwirte dabei zu unterstützen, wird derzeit eine Tierwohlabgabe diskutiert, also eine Art Steuer auf tierische Produkte wie Fleisch, Milch oder Butter. Diese Produkte würden wahrscheinlich für Verbraucher und Verbraucherinnen teurer. Bis dahin müssen Verbraucher selbst entscheiden, was ihnen das Tierwohl wert ist. Umweltschutzverbände raten überdies dazu, den Fleischkonsum insgesamt zu reduzieren und Fleisch nur als Delikatesse und in Maßen zu genießen.