US Open: Zverev im Viertelfinale - Entgleisung von Fan bei Sieg über Sinner
Tennis-Olympiasieger Alexander Zverev steht im Viertelfinale der US Open, in dem es nun gegen Carlos Alcaraz geht. Das hart umkämpfte 6:4, 3:6, 6:2, 4:6, 6:3 gegen den Italiener Jannik Sinner wurde von einer schweren Entgleisung eines Fans überschattet.
Zverev fand kaum noch Kraft zum Jubeln, doch dann brüllte er seine Freude in den New Yorker Nachthimmel: Der Hamburger steht zum dritten Mal im Viertelfinale der US Open. Die deutsche Nummer eins setzte sich in einem 4:41 Stunden dauernden Tennis-Drama trotz offensichtlicher körperlicher Probleme gegen den ebenfalls deutlich angeschlagenen Südtiroler Sinner durch und steht nun vor einer Herkulesaufgabe gegen den spanischen Titelverteidiger Carlos Alcaraz. "Das ist einer der besten Momente meiner Karriere", sagte Zverev nach der Partie. "Das ist das, wofür ich lebe, das liebe ich. Ich hätte mich gefreut, wenn wir etwas kürzer gespielt hätten."
Zverev, Finalist von 2020, gelang mit dem hart erkämpften Erfolg gegen den Wimbledon-Halbfinalisten ein Ausrufezeichen und er feierte seinen zweiten Sieg bei einem Major gegen einen Top-Ten-Gegner (13 Niederlagen). Der 26-Jährige erreichte sein insgesamt zehntes Viertelfinale bei einem Grand-Slam-Turnier und schloss damit zu Michael Stich auf. Boris Becker erreichte als bester Deutscher 23-mal die Runde der letzten Acht bei den wichtigsten vier Turnieren in Melbourne, Paris, Wimbledon und New York.
"Deutschland über alles": Zuschauer-Entgleisung bei Zverev-Match
Überschattet wurde Zverevs Triumph von einer verbalen Entgleisung eines Zuschauers im Arthur-Ashe-Stadium. "Er hat den bekanntesten Hitler-Satz gesagt", sagte der 26 Jahre alte Hamburger Mitte des vierten Satzes der Partie zum Stuhlschiedsrichter und zeigte in Richtung der Tribüne. "Das ist nicht zu akzeptieren, das ist unglaublich." In den TV-Bildern ist zu hören, wie ein Zuschauer "Deutschland über alles" ruft.
Schiedsrichter James Keothavong ließ den Mann im Unterrang des Arthur Ashe Stadiums während der anschließenden Pause identifizieren, andere Zuschauer zeigten in dessen Richtung. Beim Stand von 6:4, 3:6, 6:2, 3:2 ging der Zuschauer begleitet von Sicherheitskräften von der Tribüne. "Er ist kein sonderlich kluger Typ", kritisierte Zverev den Zuschauer, der das Achtelfinale mit dem Ruf "Deutschland über alles" gestört hatte. "Das war ein bisschen zu viel. Ich liebe es, wenn Fans laut sind, ich liebe es, wenn Fans emotional sind. Aber ich denke, da ich Deutscher bin und nicht wirklich stolz auf diese Geschichte, ist das keine wirklich tolle Sache. Wenn ich einfach nicht reagiere, finde ich es schlecht von meiner Seite."
Das Publikum bei den Abendsessions im 23.000 Zuschauer fassenden Arthur Ashe Stadium war zuletzt in die Kritik geraten. Die ehemalige australische Profispielerin Rennae Stubbs schrieb kurz nach dem Zverev-Vorfall, dass es bei den abendlichen Trainingseinheiten Fans gebe, die "nicht gut" seien. "Ich liebe die Fans, aber im Moment gibt es einige schlechte Charaktere", schrieb Stubbs auf X (ehemals Twitter): "Gestern Abend wurde mir von einem betrunkenen Fan, der sich mit einem Freund stritt, ein Drink über den Kopf geschüttet. Jetzt haben wir jemanden, der Hitler-Beleidigungen brüllt! Kommt schon, Leute."
Zverev und Sinner gehen über die volle Distanz
Für Zverev war das Duell mit Sinner der erste Auftritt im mächtigen Arthur-Ashe-Stadium in diesem Jahr. Nach dem überzeugenden Viersatzerfolg gegen den Bulgaren Grigor Dimitrow war ihm bewusst gewesen, dass er eine weitere Steigerung braucht, um weiter träumen zu dürfen. "Ich erwarte, dass es unfassbar schwierig wird", hatte er vor der Partie gesagt, die er mit einer 3:1-Bilanz im direkten Vergleich anging. Er sollte Recht behalten.
"Das ist echtes Drama, über dieses Match werden wir noch lange sprechen", sagte Boris Becker bei Sportdeutschland.TV, als mehr als dreieinhalb Stunden gespielt waren: "Wie zwei Schwergewichtsboxer in der zehnten Runde." Mit besserem Ende für Zverev.
Sinner kommt gegen Zverev zweimal zurück
Doch die Hypothek mit Blick auf das Alcaraz-Match, der seine Aufgabe gegen den Italiener Matteo Arnaldi problemlos löste und schon deutlich früher am Tag spielte, ist groß. Von Beginn an lieferten sich der Weltranglistensechste Sinner, der mit einem Masterstriumph in Toronto im August auch seine Ansprüche für New York angemeldet hatte, und Zverev ein intensives Duell, das beide Profis schwer forderte.
Bei Temperaturen knapp unter 30 Grad bot Zverev, aktuell Nummer zwölf der Welt, zunächst eine bessere Balance aus Sicherheit und Aggressivität, schnappte sich ein Break zum 5:4 und brachte dies durch. Sinner reagierte blendend, ließ sich trotz einer kurzen Behandlung am Oberschenkel im zweiten Satz nicht ausbremsen und schaffte nach 1:50 Stunden per Ass den Satzausgleich. Sein verrückter Fanclub "Carota Boys" jubelte auf der Tribüne.
Beide Spieler am körperlichen Limit
Das Klima blieb trotz des geöffneten Dachs drückend - und die Fitness ein Faktor. Zverev stand in den drei vorigen Partien bereits mehr als neuneinhalb Stunden auf dem Platz, Sinner mehr als zwei Stunden weniger. Dennoch wurden die körperlichen Probleme des Italieners immer sichtbarer. Nach einem Break von Zverev zum 3:2 im dritten Durchgang humpelte Sinner zu seiner Bank. Er ging nun stark auf schnelle Punktgewinne, berappelte sich nach einer weiteren Behandlung Anfang des vierten Satzes aber wieder.
Nun wirkte auch Zverev selbst deutlich angeschlagen, hatte bereits seine schweißnassen Schuhe gewechselt und lehnte sich in den kurzen Pausen immer wieder nach vorne. Es wurde zu einem hochspannenden Drama.
Zverev im Viertelfinale nun gegen Alcaraz
Rund 16 Minuten dauerte es alleine, bis der Hamburger sein erstes Aufschlagspiel von Satz vier durchbrachte. Nach dem Wirbel um den Rauswurf des Zuschauers wirkte Sinner wieder frischer, der Italiener erzwang den Entscheidungssatz. Und auch dort blieb es dramatisch. Zverev stolperte, fiel hin, blieb aber unverletzt. Wenig später feierte er nach einem grandiosen Punkt die 3:0-Führung, das Publikum johlte. Doch Sinner blieb hartnäckig. Erst nach mehr als viereinhalb Stunden war der Widerstand gebrochen, Zverev durfte jubeln. Nun muss der Olympiasieger schnell regenerieren für ein weiteres forderndes Duell gegen Top-Favorit Alcaraz. Aber der Traum des ersten Grand-Slam-Titels für Zerev, er lebt.