US Open: Zverevs Wettlauf mit der Zeit vor der Herkulesaufgabe Alcaraz
Alexander Zverev trifft im Viertelfinale der US Open auf Carlos Alcaraz. Eine Herkulesaufgabe, doch der Tennis-Olympiasieger gibt sich kämpferisch. Immerhin ist der Spanier einer von zwei Top-Ten-Spielern, die er bei Grand-Slam-Turnieren besiegen konnte.
Für eine kleine Kampfansage in Richtung der Nummer eins der Welt reichte es bei Alexander Zverev trotz des Fünfsatz-Krimis gegen den Italiener Jannik Sinner am frühen Dienstagmorgen noch: "Ich bin hier, um zu spielen", sagte der 26-Jährige mit strahlenden Augen zum anstehenden Viertelfinal-Kracher der US Open. "Ich werde kämpfen bis zum letzten Moment."
"Ich weiß nicht, wie ich es geschafft habe. Ich war im vierten Satz komplett am Ende." Alexander Zverev nach seinem Sieg über Jannik Sinner
Es wird eine Herkulesaufgabe, die der Hamburger mit der Hypothek einer kurzen Regenerationszeit in der Nacht zum Donnerstag angeht. Sein Viertelfinal-Duell gegen den an Nummer eins gesetzten Titelverteidiger findet erneut als zweites Match in der Night Session im Arthur Ashe Stadium statt. Ab 19 Uhr Ortszeit am Mittwoch (Donnerstag, 1 Uhr MESZ) spielt dort zunächst Wimbledonsiegerin Marketa Vondrousova aus Tschechien ihr Viertelfinale gegen Madison Keys aus den USA.
Doch das konnte die Freude der deutschen Nummer eins nach dem glücklichen Ende einer 4:41 Stunden langen Nervenschlacht nicht trüben. Zverev erwies sich bei seinem 6:4, 3:6, 6:2, 4:6, 6:3-Erfolg gegen den starken Südtiroler als echtes Mentalitätsmonster. Beide Kontrahenten hatten angeschlagen zeitweise gewankt wie Schwergewichtsboxer in der zehnten Runde, wie Boris Becker treffend feststellte.
"Ich weiß nicht, wie ich es geschafft habe. Ich war im vierten Satz komplett am Ende", sagte Zverev, der sich mit dem Erfolg bei seinem längsten Match überhaupt in New York selbst einen ultimativen Beweis erbrachte: Die schwere Verletzung aus dem Sommer 2022 ist endgültig Vergangenheit. "Das ist einer der besten Momente in meiner Karriere nach meinem Comeback und allem", sagte der 26-Jährige: "Dafür lebe ich. Ich glaube, ich kann jetzt wirklich sagen, dass ich zurück bin."
Becker: Zverev "ist ein unglaublicher Kämpfer, ein Stehaufmännchen"
Eine Einschätzung die Becker nach einer echten Willensleistung teilte. "Sascha is back", sagte der sechsmalige Grand-Slam-Sieger bei "Sportdeutschland.tv": "Das ist in seiner DNA, in seinem Instinkt. Er ist ein unglaublicher Kämpfer, ein Stehaufmännchen. In schwierigen Situationen macht er immer weiter."
Alcaraz sieht Zverev auf gutem Weg zu alter Stärke
Und auch der nächste Gegner ist von Zverevs Saison nach dessen schwerer Knöchelverletzung im vergangenen Jahr beeindruckt, sieht ihn auf gutem Weg zurück zu alter Stärke. "Er spielt wirklich, wirklich gut", sagte der Spanier: "Dieses Jahr findet er sein Topniveau wieder." Dennoch ist die vor Zverev liegende Aufgabe eine Herausforderung. Alcaraz ist Titelverteidiger und Weltranglistenerster. Der 20 Jahre alte Wimbledonsieger ist neben Novak Djokovic der klare Favorit auf den Titel in New York. Und Zverev geht mit einem Nachteil an die Höchstschwierigkeit. Alcaraz, der Modellathlet, hatte seine Aufgabe gegen den Italiener Matteo Arnaldi schon am Montagnachmittag (Ortszeit) erledigt.
"Gegen Sascha ist die Bilanz wirklich, wirklich eng. Wir haben großartige Matches gegeneinander gespielt." Carlos Alcaraz
Er konnte entsprechend deutlich früher mit der Regeneration beginnen und hatte obendrein viel weniger Kraft verbraucht, sagt aber: "Gegen Sascha ist die Bilanz wirklich, wirklich eng. Wir haben großartige Matches gegeneinander gespielt." Von den bisherigen fünf Aufeinandertreffen entschied der deutsche Tennis-Olympiasieger drei für sich. Das bislang letzte Duell gewann Alcaraz Anfang Mai in Madrid deutlich mit 6:1, 6:2 - allerdings auf Sand.
Nun duellieren sich die beiden auf dem Hardcourt des Arthur-Ashe-Stadiums. Und: Neben Sinner ist Alcaraz der zweite Top-Ten-Spieler auf der Tour, gegen den Zverev in seiner Karriere bei einem Grand-Slam-Turnier gewinnen konnte. Der 26-Jährige hatte den Spanier im vergangenen Jahr bei den French Open geschlagen, sich anschließend aber schwer am Knöchel verletzt und war mehr als ein halbes Jahr ausgefallen.
Alcaraz trat im Achtelfinale mit Tapeverband an
Alcaraz, mit 20 Jahren bereits zweimaliger Grand-Slam-Titelgewinner, trat in seinem Achtelfinale mit einem Tapeverband am linken Oberschenkel an, bewegte sich aber ohne sichtbare Probleme. "Für mich ist es normal, dass Schmerzen im Körper entstehen und man sich darum kümmern muss. Es ist nichts Ernstes, es ist nur vorbeugend. Ich hatte etwas Schmerzen im linken Bein", sagte der Spanier, der immer wieder mit Blessuren zu kämpfen hat. Alcaraz stand bislang rund achteinhalb Stunden bei diesen US Open auf dem Platz - Zverev spielte fast sechs Stunden länger.
Zverev: "Ich werde bereit sein"
Für den Hamburger, der in diesem Jahr erstmals sein Heimturnier am Rothenbaum gewinnen konnte, begann nach dem Ausrufezeichen gegen Sinner somit ein Stück weit ein Wettlauf gegen die Zeit. Es standen für ihn noch die Medientermine an, dann Arbeit mit dem Physio, etwas Essen, bevor er in Manhattan ins Hotelbett sinken konnte. "Vor dem Turnier hat jeder auf zwei Spiele gewartet: Alcaraz gegen Novak (Djokovic) im Finale und Alcaraz gegen Sinner im Viertelfinale", sagte Zverev. "Vielleicht kann ich sicherstellen, dass beides nicht passiert. Es wird eines der schwersten Matches für mich. Ich muss mich gut erholen. Aber ich werde bereit sein."