Ocean Race: Malheur zum Start der "Monster-Etappe" - Malizia souverän
Die fünf Imoca-Yachten sind am Sonntag in Kapstadt in das dritte Teilstück des Ocean Race gestartet. Die Königsetappe bei der Weltumseglung begann mit einem starken Auftritt von Boris Herrmann und der Malizia. Zwei Teams mussten das Rennen für Reparaturen unterbrechen.
Kurz vor dem Ablegen goss Boris Herrmann in bester Segeltradition jeweils einen Schuss Karibik-Rum ins südafrikanische Hafenwasser, aufs Deck seiner Rennyacht und lachend auch auf die Kappe von Teamkameradin Rosalin Kuiper. Es schien zu wirken: Das Team Malizia war der Auftakt-Gewinner der "Monster-Etappe" und erwischte einen guten Start in den dritten Abschnitt der wichtigsten Team-Segelregatta um die Welt.
Das Boot des Hamburger Skippers kreuzte bei extrem schwankenden Winden als Zweiter die Startlinie vor Kapstadt und führte kurz danach das dezimierte Feld vor dem Guyot Environnement - Team Europe mit dem Berliner Co-Skipper Robert Stanjek an.
Biotherm fährt zurück in den Hafen
Zwei Boote erlebten allerdings ein Malheur, bevor die Königsetappe überhaupt richtig begonnen hatte. Das französische Team Biotherm Racing kehrte nach einem fulminantem Start mit technischen Problemen rund um die Bedienung des Großschotes in den Hafen zurück, um sich dort vom Landteam unterstützen zu lassen. "Wir haben heute zwischen null und 45 Knoten Wind erlebt - verrückt", sagte Skipper Paul Meilhat, der die Reparaturen als "keine Riesensache" beschrieb.
Auch 11th Hour Racing muss reparieren
Auch 11th Hour Racing unterbrach das Rennen, um Material für eine Reparatur an Bord zu bekommen. Zwei Großsegellatten waren gebrochen. Zuvor hatte das Team an Bord fieberhaft überlegt: Die wichtigen Ersatzteile schon nach ersten 30 Minuten in Anspruch nehmen oder lieber Material von Land aufnehmen und dafür eine Zeitstrafe kassieren?
Die Amerikaner, seit Sonntagnachmittag wieder im Rennen, nahmen schließlich zwei "Strafstunden" auf See in Kauf, und das aus gutem Grund. "Wir haben zwar Ersatzteile an Bord, aber das wollen wir mit Blick auf 35 Tage im Southern Ocean nicht jetzt schon einsetzen", sagte Teammanager Mark Towill.
Herrmann setzt auf "MacGyver-Ausrüstung"
Ersatzteile dürften auf der 35 bis 40 Tage langen und beschwerlichen Reise durch den Südlichen Ozean eine wichtige Rolle spielen. Herrmann setzt bewusst auf eine gut 200 Kilo schwere "MacGyver-Ausrüstung", hat sogar ein Ersatzruder dabei. Nichts will der gebürtige Oldenburger dem Zufall überlassen auf der einsamen Route, die entlang der Eisgrenze vorbei an den drei berühmten Kaps der Guten Hoffnung, Leeuwin und Hoorn führt.
"Sollten wir Rettung benötigen, kann es für ein Schiff zehn Tage dauern, bis es diese Regionen erreicht. Wir segeln Tausende Kilometer entfernt vom dichtesten Land", so der 41-Jährige, der Kap Hoorn zum sechsten Mal meistern will. "Wenn man die ikonische Form des Kaps sieht, weiß man, dass man eine sehr schwierige Passage gemeistert hat."
"Das sind die widrigsten Bedingungen, die man auf diesem Planeten vorfindet. Da ist nichts, keine Landmassen, die den Wind, die Wellen bremsen. Es ist alles etwas härter und größer - und natürlich kälter." Guyot-Co-Skipper Robert Stanjek
Es werden extreme Wetterbedingungen erwartet. Herrmann, der wegen einer Verbrühung am Fuß auf der zweiten Etappe pausiert hatte, zeigte sich optimistisch, mit seiner Crew angreifen zu können. "Ich freue mich, an Bord zu gehen, der Start hier ist sehr emotional. Ich glaube, wir haben wirklich eine Chance, die Etappe zu gewinnen. Wir müssen uns da nicht verstecken oder besonders schüchtern sein."
Für ihn und das Team Malizia geht es auf der Königsetappe, die doppelt gewertet wird, allerdings nicht nur um eine Verbesserung des bisherigen vierten Gesamtrangs.
Malizia für diese Bedingungen gebaut
Vor allem soll sich nun zeigen, was in dem Neubau mit Blick auf die Vendée Globe 2024 wirklich steckt. Herrmann macht kein Geheimnis daraus, dass sein bewusst robust gebautes Boot mit den extremen Wetterbedingungen des Südmeers im Kopf konstruiert wurde. "Ich glaube, dass wir sehr gut performen und vielleicht sogar gewinnen können", sagte er.
Beim gewagten Trip einmal halb um die Erde gilt es schon gleich zu Beginn. "Die ersten drei Tage nach dem Start werden super wichtig sein", erklärte Co-Skipperin Kuiper. Denn für alle Boote stellt sich direkt nach dem Start die wichtige Frage nach der Segel-Taktik: in Küstennähe bleiben und am Kap der Guten Hoffnung vorbeifahren oder weiter nach Süden aufbrechen, um nach einer stärkeren Brise und den ersten Westwinden zu suchen?
Boris Herrmann ist so oder so überzeugt: "Ich fühle mich gut, die Crew auch. Wir sind bereit. Unser Boot ist bereit. Die Etappe kann kommen."
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