Ocean Race: Großes Spektakel mit Fly-By in Kiel
Die Yachten beim Ocean Race starten heute in die sechste und kürzeste Etappe der Mannschaftsregatta - von Aarhus über Kiel nach Den Haag. Wieder mit dabei das Team Guyot. Malizia-Skipper Boris Herrmann und seine Crew peilen den Sieg an.
"Es wird sehr schwierig, durch die Ostsee nach Kiel zu segeln", sagte Will Harris von der Malizia in der Pressekonferenz. Der Brite erwartet oft wechselnde Winde. "Es wird darum gehen, wer die besten Übergänge bei den Winden und unterschiedlichen Zonen hinbekommt."
Seine Kollegin Rosalin Kuiper sprach von einer sehr intensiven Etappe - "und es wird etwas ganz Anderes sein, als all das, was wir bisher erlebt haben". Für die Malizia-Crew steht fest: "Wir wollen ein paar Punkte auf die vorderen Teams gutmachen", betonte Harris.
Mit 24 Zählern liegt die Malizia nach fünf von sieben Etappen aktuell auf Rang drei. Es ist die vorletzte Chance, das Team Holcim (27) und das führende 11th Hour Racing (28) noch mal anzugreifen.
Und es scheint wie gemalt, dass es mit dem Fly-By in Kiel, das der NDR am Freitagnachmittag live überträgt, erst durch das Heimatrevier von Herrmann und gegen Ende der 800 Seemeilen auch noch in die Nordsee von der Küste der Niederlande geht, wo Kuiper "zu Hause" ist. "Ich glaube nicht, dass es einen sportlichen Vorteil gibt, aber es gibt großen Ansporn durch die deutschen Fans", sagte Herrmann. "Das ist etwas, das mir viel Energie gibt. Ich hoffe, dass es in Zukunft einen echten Zwischenstopp in Deutschland geben kann."
Kuiper, die am Mittwoch ihren 28. Geburtstag feierte, bekommt auf der Etappe weibliche Unterstützung: Die Französin Axelle Pillain, für die es der erste Einsatz in der Imoca-Klasse ist, ersetzt Yann Eliés und soll sich vor allem um Elektronik- und Performance-Aspekte des Bootes kümmern.
Guyot nach Segel-Wunder wieder am Start
Bei der sechsten Etappe wieder mit dabei ist das Team Guyot. Am 9. Mai hatte die Yacht in stürmischer See einen Totalschaden erlitten: Schäden am Rumpf, beiden Rudern, den Foils - und dazu ein Mastbruch. "Mit so einem Schaden kann man sonst drei oder vier Monate Segelpause machen", sagte Co-Skipper Robert Stanjek im NDR Interview.
Doch es kam ganz anders - auch weil die Segel-Gemeinde zusammenhielt. Den Ersatzmast bekam Guyot in einer "Wahnsinns-Geste" (O-Ton Stanjek) von Ocean-Race-Konkurrent 11th Hour. Die Yacht wurde nach dem Transport über den Atlantik zuletzt in Kiel wieder seetauglich gemacht.
"Unser Mast steckt jetzt glaube ich in der Titanic. Die Koordinaten passen extrem genau." Robert Stanjek
In rund 800 Arbeitsstunden und einigen Nachtschichten zerlegte das Team, das von Experten aus ganz Europa unterstützt wurde, das Boot "in tausend Einzelteile" und machte am Ende das "Unmögliche möglich". Die 120 Seemeilen von der Werft in Kiel zum Start in Aarhus erscheinend da wie ein Klacks.
Holcim ohne zurückgetretenen Skipper Escoffier
Eine große Änderung hat es beim Team Holcim gegeben. Skipper Kevin Escoffier ist zurückgetreten, nachdem bekannt geworden war, dass er sich auf einer Party in Newport einer jungen Frau gegenüber "unangemessen verhalten" haben soll. Präsident Jean-Luc Denécheau vom französischen Segelverband (FFVoile) kündigte an, die Vorwürfe zu prüfen und schloss die Eröffnung eines Disziplinarverfahrens nicht aus.
Escoffier, der in einem Tweet zunächst von einem "angeblichen Vorfall" geschrieben, das Posting später aber wieder gelöscht hat, wird durch Benjamin Schwartz ersetzt. Das Schweizer Team hatte die Entscheidung nicht kommentiert, sondern lediglich die Crew-Aufstellung für das Hafenrennen in Dänemark veröffentlicht, das Holcim hinter Biotherm auf dem zweiten Platz beendete.
"Gute Show" für Zehntausende Fans beim Fly-By in Kiel
Das Rennen beginnt heute um 18.10 Uhr. Die Durchfahrt der Kieler Innenförde wird für Freitagnachmittag zwischen 15.30 und 16.30 Uhr erwartet. Sollten die Boote schneller als erwartet sein, sollen sie auf der Ostsee eine zusätzliche Schleife segeln, damit der Zeitplan in der Förde eingehalten werden kann. Wobei das nicht zuletzt ob der Windverhältnisse ein kompliziertes Unterfangen werden dürfte, wie Harris ankündigte.
Das Fly-By in Kiel löst nicht nur bei Herrmann große Vorfreude aus. Harris erwartet ein beeindruckendes Spektakel. Erwartet werden Zehntausende Fans an Land und eine Armada von Zuschauerbooten auf dem Wasser. Etwa 50 Boote der Wasserschutzpolizei und der Veranstalter werden zum Schutz der Ocean-Race-Yachten und der Zuschauerflotte im Einsatz sein. Das Fahrwasser zwischen dem Kieler Leuchtturm und der Wendemarke ist am Freitagnachmittag von 15 bis 17 Uhr für den normalen Verkehr gesperrt.
Die Imoca-Yachten werden eine Wendemarke direkt vor dem Ocean Live Park an der Kiellinie umrunden. "Wir müssen ein bisschen Glück haben und unsere Augen offen halten", erklärte Harris. "Unsere Boote sind sehr schwierig zu manövrieren, das hat man bei den In-Port-Rennen gesehen. Hoffentlich passiert nichts." Er hofft auf eine "gute Show" für alle, die zum Zuschauen kommen. Renndirektor Phil Lawrence sagte: "Unsere Botschaft an die Zuschauer ist: Ihr werdet großartige Anblicke erleben, aber haltet Euch vom Fahrwasser fern."
Der "Marathon" biegt auf die Zielgerade ein
Die Ankunft in Den Haag wird für den Sonntagnachmittag erwartet. Und dann neigt sich das Ocean Race auch schon langsam, aber sicher dem Ende zu. Die finale Etappe von Den Haag ins italienische Genua beginnt am 15. Juni. Die finale Ankunft soll nach den 2.200 Seemeilen am 1. Juli sein.
"Es ist ein Marathon", sagte Kuiper. "Und wir sind fit genug für die letzten Etappen. Aber danach werden wir alle erst einmal runterkommen und uns richtig ausruhen müssen." Sie rechne damit, dass sie "einige Monate" brauchen wird, um wieder im Vollbesitz ihrer Kräfte zu sein.