Ocean Race: Segel-Wunder Guyot - "Das Unmögliche möglich gemacht"
Nach dem Mastbruch auf der vierten Etappe schien das Ocean Race für das Team Guyot beendet. Ein internationales "Bootsbauer-Einsatzkommando" hat in Kiel allerdings das Unmögliche möglich gemacht. Das Team um Co-Skipper Robert Stanjek steht bei der Weltumseglung vor dem Comeback.
"Der Start in Aarhus ist unser Ziel", sagt Stanjek im NDR Interview in Kiel und lächelt. Dabei geht es dem Berliner nicht nur um den Donnerstagabend, wenn in Dänemark der Startschuss für die sechste Etappe in Richtung Den Haag fällt - mit dem Fly-By am Freitag in Kiel. Für das Team Guyot fühlt es sich wie "ein Neustart" an, an den vor ein paar Tagen noch keiner so recht glauben konnte.
Zu schwerwiegend waren die Schäden an der Guyot-Rennyacht. Ganz zu schweigen von den finanziellen und logistischen Herausforderungen, die das deutsch-französische Team nach dem Mastbruch am 9. Mai rund 600 Seemeilen östlich von Newport - Zielhafen der vierten Etappe - meistern musste.
"Unser Mast steckt jetzt glaube ich in der Titanic. Die Koordinaten passen extrem genau." Robert Stanjek
"Es war eine emotionale Achterbahnfahrt", gibt Stanjek zu, aber "jetzt gerade ist alles cool." Die Guyot liegt einen Monat nach dem "Desaster" vor der Ostküste der USA tatsächlich wieder im Wasser und wird von Kiel aus Kurs auf Aarhus nehmen.
Schäden am Rumpf, beiden Rudern und den Foils mussten repariert werden, Segel wieder in Stand gesetzt und nicht zuletzt ein neuer Mast aufgebaut werden. "Mit so einem Schaden kann man sonst drei oder vier Monate Segelpause machen", sagt Stanjek. Doch das Team konnte sich auf die Segel-Gemeinde verlassen. Den Ersatzmast hat Guyot von Ocean-Race-Konkurrenten 11th Hour Racing bekommen. "Eine Wahnsinns-Geste", so Stanjek.
Olympia-Segler Pickel als Helfer in der Not
Und dann ist da noch Marc Pickel. Der ehemalige Olympia-Segler und Bootsbauer aus Kiel hat die Kampagne von "Guyot environnement – Team Europe" vom Start an begleitet und übernahm das Ruder in der Not. "Das nächtliche Video von Bord, als Benjamin Dutreux völlig aufgelöst den Mastbruch realisiert, war für mich der Auslöser zu sagen: Wie können wir es möglich machen, dem Team die beiden verbleibenden Etappen zu ermöglichen?", so Pickel, der mit seinem ehemaligen Olympia-Konkurrenten Stanjek mittlerweile befreundet ist.
"Feuerwehreinsatz" internationaler Bootsbauer in Kiel
Pickel holte für die "Hilfsaktion Guyot" die Kieler Knierim-Werft ins Boot und trommelte eine Crew von Bootsbauern aus Spanien, Italien, Schweden und Deutschland zusammen. "Das ist wirklich ein High-End-Netzwerk, das hier aktiviert wurde. Das war wie eine alte Gang zusammenholen und die Band gibt dann über eine Woche ein Konzert. Wahnsinn", sagt Stanjek und bekommt das Lächeln gar nicht mehr aus dem Gesicht. "Für die war das scheinbar ein cooler Feuerwehreinsatz."
Rund 800 Arbeitsstunden und einige Nachtschichten investierte die "Bootsbauer-Hilfsband" mit ihren "Roadies" vom Guyot-Technikteam, zerlegte das Boot "in tausend Einzelteile" und machte am Ende das "Unmögliche möglich".
Jetzt ist wieder Land in Sicht, oder besser gesagt; Wasser. Die 120 Seemeilen von Kiel nach Aarhus werden sich für die Segelcrew der Guyot wahrscheinlich schon wie eine Sieger-Ehrenrunde anfühlen. Sportlich gesehen können Stanjek und Co. im Rennen um die Welt nicht mehr die erste Geige spielen.
Wieder dabei zu sein, ist jetzt im wahrsten Sinne des Wortes alles. Wenn der Startschuss in Aarhus fällt und Stanjek die Segel setzt, ist das Team Guyot irgendwie schon im Ziel.