Jürgen Rynio - Rekordabsteiger und Aussteiger
Dabei gab es auch für den Sohn eines Schlossers lange nur eines: Fußballspielen. "Für mich war das vor allem ein Riesenspaß", meint Rynio, der in den Straßen des Gelsenkirchener Stadtteils Resse das Kicken lernte. Denn das Leben abseits des Platzes war hart genug. Nach dem Abschluss an der Volksschule, begann er mit 14 Jahren eine Ausbildung zum Starkstromelektriker. "1.000 Meter tief im Bergwerk musste ich arbeiten. Neben mir sind Kumpel verschüttet worden und gestorben", blickt der Gelsenkirchener mit Graus zurück. Noch beschwerlicher wurde der Alltag, als kurz darauf sein Vater tödlich verunglückte. Dennoch schaffte er nach seinem 18. Geburtstag den Sprung in den bezahlten Fußball. Von seinem Heimatverein VfL Resse 08 wechselte Rynio erst zu Eintracht Gelsenkirchen in die Zweite Liga und ein Jahr später in die Beletage zum Karlsruher SC.
Lattek entdeckte das Talent für die Bundesliga
Udo Lattek, der den jungen Keeper von der Junioren-Nationalmannschaft kannte, empfahl ihn dem KSC und Rynio überzeugte im Probetraining. Für die 15.000 DM Handgeld richtete er die neue Zweizimmerwohnung ein, die er gemeinsam mit seiner schwangeren Frau Sigrid bezog. Schnell war er Stammspieler. Meist gehörte er in der Saison beim KSC zu den Besten. Doch er konnte nicht verhindern, dass die Karlsruher 1968 als Letzter abstiegen. "Dadurch liefen alle Verträge aus", berichtet der damals junge Familienvater. "Ich hatte Angst, wieder im Bergwerk arbeiten zu müssen, in den unteren Ligen wurde ja kaum etwas bezahlt." Doch der Höhenflug Rynios war noch längst nicht beendet.
"Es gab auch Glücksmomente"
Der frischgebackene deutsche Meister aus Nürnberg klopfte an - die existenziellen Sorgen waren passé. Allerdings lief es auch beim "Club" sportlich nicht rund. Als Titelträger stieg der Verein ab und Rynio plagten erstmals Selbstzweifel. Doch schuldig fühlte er sich nicht, zumal ihn das Interesse anderer Bundesligisten spüren ließ, dass er gut gehalten hatte. Allerdings stieg er 1972 auch mit Dortmund ab. Nur in Essen blieb er erstklassig. "Erst ein Jahr, nachdem ich weg war, sind sie abgestiegen. Aber damit habe ich nichts zu tun", witzelt Rynio. Mit St. Pauli stieg er in die Bundesliga auf und gewann im Derby beim Hamburger SV (2:0). "Ich hatte also auch Glücksmomente." Nach einem Jahr war für die Kiezkicker im Oberhaus aber schon wieder Schluss - für Rynio zum vierten Mal. Acht Jahre später folgte sein Abstieg Nummer fünf mit Hannover.
Frieden mit den Abstiegen gemacht
Seine Erlebnisse will er bald als Buch veröffentlichen, die letzten 50 Seiten fehlen noch. "Das wollte ich schon kurz nach meinem Karriereende - aber damals hätte ich nur alles verdammt. Vor allem habe ich es gehasst, wenn man mich auf meine Abstiege angesprochen hat. Mittlerweile weiß ich, dass sie einfach zu meinem Leben dazugehören."
- Teil 1: Sechs Clubs - fünf Abstiege aus der Bundesliga
- Teil 2: Aus dem Bergwerk in die Beletage des Fußballs