Stand: 25.11.2012 22:50 Uhr

Jürgen Rynio - Rekordabsteiger und Aussteiger

von Florian Neuhauss, NDR.de

Fünf Bundesliga-Abstiege mit fünf verschiedenen Clubs. Jürgen Rynio hält einen traurigen Rekord. Doch der Torhüter hat - anders als viele Ex-Profis - nach der Karriere Karriere gemacht.

Jürgen Rynio © Witters
Gehörte zu den besten Torhütern der 60er- und 70er-Jahre: Jürgen Rynio.

Eigentlich hatte Jürgen Rynio seine Fußballschuhe längst an den berühmten Nagel gehängt. Der 38 Jahre alte Keeper von Hannover 96 war nur noch Stand-by-Profi, arbeitete bei den "Roten" als Manager, Co- und Torwarttrainer und kurz sogar als Chefcoach (22. November 1985 bis zum 13. Januar 1986). Dann kam allerdings Jörg Berger als neuer Trainer und Rynio zog sich - vermeintlich endgültig - zurück. Doch Berger brauchte ihn: und zwar auf dem Platz. Stammtorhüter Ralf Raps hatte sich verletzt. Rynio sprang noch einmal in die Bresche und wird die zwei Einsätze nie vergessen. Es setzte verheerende Niederlagen, die Einzug in die Vereinshistorie gehalten haben: ein 0:5 gegen die Bayern (die höchste Heimniederlage der Clubgeschichte) und ein 0:7 in Stuttgart (die höchste Auswärtsniederlage der Clubgeschichte). Im Gastspiel bei den Schwaben kassierte Rynio von einem Spieler, Michael Nushöhr, drei Strafstöße in einem Spiel - ein bis heute unerreichter Wert. Am Ende der Saison stieg Hannover ab - und Rynio stellte einen Negativekord für die Ewigkeit auf.

VIDEO: Rynio der Rekordabsteiger der Bundesliga (3 Min)

Sechs Clubs - fünf Abstiege aus der Bundesliga

Der Schlussmann gehörte Ende der 60er-Jahre zu den Besten seiner Zunft. Zwei Mal war Rynio für die deutsche Nationalmannschaft unterwegs - ein Einsatz blieb ihm jedoch verwehrt. Dafür war der Torhüter gut 450 Mal in Erster und Zweiter Liga für den Karlsruher SC, den 1. FC Nürnberg, Borussia Dortmund, Rot-Weiß Essen, den FC St. Pauli und 96 am Ball. Doch hängengeblieben ist davon vor allem eine einsame, traurige Bestmarke: Rynio hat es geschafft, mit fünf dieser Clubs aus der Bundesliga abzusteigen. "Mit dem Rekord muss ich halt leben, bis ich sterbe - oder mich doch noch jemand überholt", sagt der heute 64-Jährige NDR.de und glaubt selbst nicht daran. Doch ihm kann es egal sein, denn anders als viele Ex-Profis hat er es geschafft, sich ein Leben nach dem Fußball aufzubauen. Rynio leitet seit 2002 sein eigenes Pflegeheim für geistig und körperlich Behinderte.

Chef vom eigenen 50-Mitarbeiter-Unternehmen

Jürgen Rynio in der Heimwerkstatt © Florian Neuhauss Foto: Florian Neuhauss
Kein rundes Leder mehr: Rynio in der Heim-Werkstatt mit Basteleien der Bewohner.

Heute hat der ehemalige Bundesliga-Profi mit Fußball nicht mehr viel am Hut. In seinem Büro erinnert nichts an seine aufregende Karriere. Nachdem er zunächst als Trainer und Immobilienmakler gearbeitet hatte, eröffnete er gemeinsam mit seiner zweiten Frau Julia das Pflegeheim "Rynio Wohnen" in Bergen (Landkreis Celle), um "etwas Sinnvolles zu tun". Fußball habe lange genug die erste Geige gespielt, meint Rynio: "In der Bundesliga heißt es immer: friss oder stirb. Aber nicht einmal bei Abstiegen stirbt jemand, für einige Vereine haben sie sogar heilende Wirkung." Wenn Geschäftsführer Rynio durch die Flure seines Heims geht, in dem 55 Menschen untergebracht sind, bleibt er oft stehen, weil ihn die Bewohner ansprechen. Er kennt sie beim Namen. "Hier gibt es ganz andere Probleme. Hier stirbt wirklich mal jemand", weiß der Wahl-Niedersachse, der in den Anfängen oft selbst Nachtwache schob oder sich hinter den Herd stellte. Heute beschäftigt er 50 Mitarbeiter.

Mit 64 Jahren zum Klavierunterricht

Jürgen Rynio im Gespräch © Florian Neuhauss Foto: Florian Neuhauss
Der Geschäftsführer hat immer ein offenes Ohr für die Bewohner des Heims.

Auch die Familie hat mittlerweile einen ganz anderen Stellenwert. Christiane, seine Tochter aus erster Ehe, ist stellvertretende Heimleiterin. Mit seiner zweiten Tochter Dana, die gerade eingeschult worden ist, nimmt der Vater Klavierstunden. "An den Wochenenden habe ich dann auch ganz andere Termine, als mich um Fußball zu kümmern", betont Rynio, der trotzdem lieber in der heutigen Zeit Profi wäre. "Würde ich heute als 19-Jähriger zum deutschen Meister wechseln, hätte ich wirtschaftlich ausgesorgt." Für das Heim musste er zwar einen großen Kredit aufnehmen, gelohnt hat es sich für ihn trotzdem. "Einige Bewohner sagen Papa zu mir", betont der dreifache Vater stolz. "Die Arbeit im Heim bringt anderen Erfolg als auf dem Platz, aber er ist größer, als wenn mich früher Tausende beklatscht haben. Das war nur oberflächlich."

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Sportclub | 25.11.2012 | 22:50 Uhr

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