Freud und Leid - der THW Kiel bleibt eine Wundertüte
Das Remis in der Handball-Champions-League in Aalborg zeigte einmal mehr die zwei Gesichter des THW Kiel in dieser Saison: Erst sah alles nach einem klaren Sieg für die "Zebras" aus, am Ende aber schrammten sie nur knapp an einer Niederlage vorbei.
Freud und Leid lagen in den letzten acht Minuten des Spiels eng beieinander. Zunächst war für den deutschen Rekordmeister alles im Lot: Eduardo Gurbindo hatte gerade das 27:21 für die Kieler erzielt - der Auswärtssieg mitsamt gelungener Revanche für das Heimdebakel gegen den dänischen Vizemeister vor einer Woche schien Form anzunehmen. Doch Aalborg antwortete nur 20 Sekunden später mit dem ersten Tor des 6:0-Laufs, der zwei Minuten vor der Schlusssirene zum 27:27-Ausgleich führte.
Die Begegnung drohte zugunsten der Hausherren zu kippen. "Vielleicht haben wir etwas zu früh begonnen, die Partie verwalten zu wollen. Dann hatten wir unsere Probleme gegen die offensive Deckung, sodass es zu diesem dramatischen Ende kam", räumte Kiels Geschäftsführer Viktor Szilagyi in seiner Analyse ein.
Kieler Gefühlslage unentschieden
In diesem "dramatischen Ende" gab es erneut ein Wechselbad der Gefühle für den THW: Denn nachdem Nikola Bilyk an Niklas Landin gescheitert war und Niclas Ekberg einen Siebenmeter an den Pfosten geworfen hatte, trat Mikkel Hansen eine halbe Minute vor dem Ende zum Strafwurf an. Der dreifache Welthandballer (2011, 2015 und 2018) zielte jedoch schlecht, der Ball flog über das Tor.
Verschenkter Sieg, glückliches Remis? Die Kieler Gefühlslage war ebenso unentschieden wie das Spielresultat: "Direkt nach dem Spiel fühlt es sich an, als ob wir einen Punkt verloren hätten", sagte Szilagyi. Bilyk sprach von einem "gewonnenen Punkt" und Patrick Wiencek ("Wir waren die bessere Mannschaft") war "froh", überhaupt einen Zähler mitgenommen zu haben.
"Ich weiß ganz genau, wie die Jungs sich jetzt fühlen, weil es gut und gerne zwei Punkte hätten sein können. Wir müssen aber damit zufrieden sein, weil wir es ohnehin nicht ändern können", sagte Christian Sprenger, der in Aalborg den erkrankten Chefcoach Filip Jicha vertrat.
Er sei aber "sehr stolz" auf die Mannschaft, weil sie ein "ganz anderes Gesicht" gezeigt habe als im Heimspiel gegen Aalborg. So sah das auch Rückraumspieler Gurbindo: "Das Positive für uns ist, dass wir mit diesem Punktgewinn das Bild, das man von uns in der letzten Woche hatte, zurechtgerückt haben."
Der 36 Jahre alte Spanier musste angesichts der personellen Sorgen als Alleinunterhalter im rechten Rückraum ran, weil neben dem erkrankten Jicha auch Top-Torschütze Harald Reinkind wegen einer Wadenverletzung ausfiel. Gurbindo löste die Aufgabe stark, glänzte sowohl als Torschütze wie auch als Balleroberer.
THW bleibt schwer einzuschätzen
Der THW bleibt somit in dieser Saison eine Wundertüte - und damit schwer einzuschätzen: In der Bundesliga stehen unerwartete Niederlagen gegen Melsungen, in Leipzig und bei der TSV Hannover-Burgdorf ebenso in der Bilanz wie der jüngste 30:26-Sieg gegen den bis dahin ungeschlagenen Tabellenführer Füchse Berlin.
In der Champions League sieht es nicht anders aus: Einem starken Auftritt in Paris folgte das besagte Heimdebakel gegen Aalborg. Die Revanche dafür wurde am Mittwoch mit dem Remis zwar verpasst, "aber man wird erst am Ende der Gruppenphase sehen, wofür der Punktgewinn gut sein kann", sagte Szilagyi.
In der Tat spiegelt auch die enge Tabellensituation in der Gruppe A der Champions League die ambivalente Lage des THW wider: Zwischen Rang eins und fünf ist alles drin. Zeigt Spitzenreiter Kiel in den zwei anstehenden Heimspielen gegen Paris (30.11.) und Kolstad (6.12.) seine starke Seite, wären zwei Konkurrenten um die direkte Qualifikation für das Viertelfinale distanziert. Die ersten beiden der Gruppe überspringen das Achtelfinale. THW-Routinier Gurbindo jedenfalls zeigte sich zuversichtlich: "Wir sind auf einem guten Weg, diesen wollen wir nun weitergehen."