100 Jahre VfB Lübeck: Fußball-Tradition an der Lohmühle
Im Gedächtnis bleiben keine Zahlen, sondern Bilder. Momente aus handylosen Zeiten, die an Lübecks Stammtischen noch Jahrzehnte später verhandelt werden. Die unglaubliche Reise ins DFB-Pokalhalbfinale 2004 zuallererst, in dem Heckings Zweitligatruppe Werder Bremens Stars in die Verlängerung zwang und beinahe ins Endspiel eingezogen wäre. Millionen waren live am Fernsehschirm Zeugen des Lohmühlen-Dramas. "Pokalsieger der Herzen 2004" lautete die Botschaft auf einem Banner, das junge Anhänger anschließend auf dem Platz entfalteten.
Elfmeter mit fatalen Folgen
Zwei Elfmeter, beide verschossen, sind ebenfalls tief im kollektiven Fan-Gedächtnis verankert. Der erste, 1950, besiegelte den ersten Oberliga-Abstieg. Der VfB lag 1:2 gegen Göttingen 05 zurück, Torjäger Horst Wenzel tönte: "Wer den verschießt, kriegt‘s mit mir zu tun!" Da wollte keiner mehr, und Wenzel selbst musste ran. Er verschoss und sah sich derart heftiger Kritik ausgesetzt, dass er die Fußballstiefel an den Nagel hängte. 39 Jahre später ereilte Holger Behnert ein ähnliches Schicksal, als ihm gegen Kickers Emden zwei Minuten vor Schluss die Nerven versagten. Der VfB verlor 1:2, der Aufstieg war verpatzt, die Fans auf der Lohmühle tobten.
Tragödie um Trainer Höher
Am 17. Oktober 1996 wurden die Zweitliga-Spieler um Keeper Maik Wilde und Goalgetter Daniel Jurgeleit Zeugen einer ganz anderen Tragödie. Kultcoach Michael Lorkowski war nach zehn Spieltagen entlassen worden und "Molle" Schütt präsentierte dem Team Heinz Höher als Nachfolger. Höher hatte nach erfolgreichen Jahren in Bochum und Nürnberg schon länger keinen Club mehr trainiert, und das hatte seinen Grund. Der 58-Jährige war alkoholkrank. Am Vorabend des ersten Trainings trank er sich Mut an und brach während der Einheit zusammen, sein endgültiges Karriere-Aus. Er sollte nie mehr einen Verein bekommen. Ronald Reng hat die Begebenheit in seiner eindrucksvollen Höher-Biographie "Spieltage. Die andere Geschichte der Bundesliga" beschrieben.
Keegans Box-Einlage
Und dann war da noch die Geschichte mit Kevin Keegan und dem Knockout, der den VfB international in die Schlagzeilen brachte. Am Silvestertag 1977 streckte der englische Superstar des HSV seinen Lübecker Gegenspieler Erhard "Mucker" Preuß in einem Testspiel auf der Lohmühle vor 12.000 Zuschauern mit zwei wohlkalkulierten Faustschlägen zu Boden, nachdem dieser ihn zehn Minuten lang fortgesetzt in zünftiger Oberliga-Vorstoppermanier bearbeitet hatte. Er habe kurz überlegt, erzählte der Weltstar später, und sei zu dem Schluss gekommen: "Lieber zwei Monate Sperre als drei Monate Krankenhaus!" Langte zu, sah Rot und ließ sich per Taxi nach Hamburg zurückfahren. "Mucker" war sich keiner Schuld bewusst, er wurde dann in der Halbzeit aber doch vorsichtshalber ausgewechselt.
Das nächste Highlight auf der Lohmühle soll nach Ansicht des Talkshow-erfahrenen Managers Stefan Schnoor - Ex-Profi beim HSV - und des österreichischen Trainers Rolf Landerl im Frühjahr 2020 steigen: der Aufstieg in die Dritte Liga.
- Teil 1: Jahrzehntelang im Fahrstuhl gefangen
- Teil 2: Polizisten mächtig "auf zack"
- Teil 3: Wenzel - eine Lübecker Fußball-Dynastie
- Teil 4: Was bleibt: Erinnerungen