100 Jahre VfB Lübeck: Fußball-Tradition an der Lohmühle
Der neue Vereinsname VfB soll auf Karl Wenzel zurückgehen, neben Felgenhauer das zweite Lübecker Fußballidol. Die englischen Soldaten sollen den Vollblutstürmer ins Herz geschlossen und mit "Blondy, Blondy"-Sprechchören angefeuert haben. Wenzel begründete eine Lübecker Fußball-Dynastie, auch seine Söhne Horst und Rüdiger gingen erfolgreich für den Club auf Torejagd, bevor sie ganz oben, in der Bundesliga, anheuerten. Rüdiger, genannt "Sonny", machte von allen Lübecker Kickern die beeindruckendste Karriere. Er spielte mit den Weltmeistern Grabowski und Hölzenbein bei Eintracht Frankfurt im Europacup, gewann mit Fortuna Düsseldorf den DFB-Pokal und schoss 1989 im Dress des FC St. Pauli das Tor des Monats.
Beinahe erstklassig
"Sonny" Wenzel steht auch stellvertretend für den Personal-Austausch der Lübecker mit Hamburger Vereinen, besonders rege seit den Sechziger-Jahren. Unter anderem zog es den talentierten Beinahe-Nationalspieler Siegfried Bronnert von St. Pauli über Umwege zum VfB, um wegen ausbleibender Gehaltszahlungen in der Winterpause 1972/1973 wieder ans Millerntor zu wechseln. Bronnert, den eine schwere Verletzung um eine noch weit erfolgreichere Karriere bei Eintracht Frankfurt gebracht hatte, kostete den VfB die damals enorme Ablöse von 55.000 Mark, war in seinen dreieihalb VfB-Jahren aber jeden Pfennig wert.
Beinahe hätte der torhungrige Niedersachse Lübeck sogar in die Bundesliga geschossen. Unter Trainer Jockel Krause hatte sich das Ensemble 1969 zu einem Spitzenteam der Regionalliga Nord, damals zweithöchste Spielklasse, gemausert. Als Nord-Zweiter zog es in die Aufstiegsrunde zur Bundesliga ein, hatte im Saisonendspurt aber zu viel Kraft gelassen. Schon das erste Heimspiel gegen den Südwestmeister SV Alsenborn ging mit 0:3 verloren, 17.000 ernüchterte Fans trotteten von der Lohmühle nach Hause. Am Ende erreichte Krauses Team einen einzigen Punkt und den letzten Tabellenplatz.
Abstieg in die Verbandsliga
Trotzdem gehörte die Spielzeit 1968/1969 zu den Highlights in der Vereinsgeschichte, verbunden mit Spielernamen wie Manfred Bomke und Jürgen Brinckmann - der erste ein würdiger und langlebiger Nachfolger Felgenhauers im VfB-Tor, der langjährige Kapitän "Brinko" sagenhafte 17 Jahre lang rechts in der Läuferreihe gesetzt. Anfang der Achtziger endete mit ihren Abgängen eine Ära, die Nachfolger machten es sich längere Zeit im oberen Drittel der Verbandsliga Schleswig-Holstein gemütlich. Selbst dem früheren HSV-Nationalspieler Peter "Eiche" Nogly, von Geburt waschechter Lübecker, gelang es nicht, den Club wieder in angemessene Regionen zu hieven. Seine Rivalen hießen ab sofort nicht mehr Phönix Lübeck wie nach dem Krieg, St. Pauli oder Holstein Kiel in den 1950er- und 1960er-Jahren, sondern TuS Hoisdorf und TSV Pansdorf.
Noch zweimal Zweite Liga
Zweimal noch, 1995 unter dem kantigen Coach Michael Lorkowski und 2002 mit dem derzeitigen HSV-Trainer Dieter Hecking, fuhr der Aufzug mit dem VfB Lübeck dann doch mal hoch in die zweithöchste Etage. Starke Männer auf dem Platz waren Abwehrchef Holger Behnert und später Torjäger Daniel ("Fußballgott") Bärwolf, hinter den Kulissen, im frisch gegründeten Verwaltungsrat, gab Günter Schütt den Ton an. Schütt (Spitzname "Molle"), ehemaliger VfB-Abwehreisenfuß und mittlerweile breitbeiniger Bauunternehmer, trieb die Modernisierung des Stadions voran und nahm dafür auch kräftig Geld in die Hand.
Mit seiner erstligareifen Haupttribüne und einem Fassungsvermögen von 15.292 Plätzen ist die Lohmühle Schleswig-Holsteins größtes Stadion. In dieser Zeit, bilanzierte das Lokalblatt "Lübeckische Blätter" 2008, gingen in der VfB-Chefetage "Augenmaß, Eigeninitiative, demokratische Strukturen" verloren. Und die Schulden wuchsen. Zweitligist St. Pauli, Hannover 96 und der große HSV rückten zu sogenannten Retterspielen an der Lohmühle an.
- Teil 1: Jahrzehntelang im Fahrstuhl gefangen
- Teil 2: Polizisten mächtig "auf zack"
- Teil 3: Wenzel - eine Lübecker Fußball-Dynastie
- Teil 4: Was bleibt: Erinnerungen