100 Jahre VfB Lübeck: Fußball-Tradition an der Lohmühle
Dass "Jonny" kurz nach dem Krieg in den Staatsdienst ging und Polizeibeamter wurde, war kein Zufall. Auch etliche seiner Teamkameraden trugen abseits des Platzes Uniform, unter anderem der blonde Stürmerstar Karl Wenzel und Mittelläufer Max Hoppe. Der VfB war aus einem Polizeisportverein hervorgegangen, der 1921 gegründeten Sportvereinigung Polizei Lübeck, die sich 1930 auch zivilen Mitgliedern geöffnet hatte. Die kickenden Ordnungshüter - weiße Spielkleidung, grün-weiß-schwarzes Vereinsemblem -, spielten sich in den Dreißigern in die norddeutsche Fußballelite. Hilfreich dabei war die Fusion mit einem weiteren Lübecker Verein, dem hochverschuldeten VfR, der gerade sein Gelände an der Wilhelmshöhe hatte verkaufen müssen.
SG Ordnungspolizei
Mit der Nazi-Machtergreifung pfiff auch bei Lübecks Polizisten schnell ein unangenehmer Wind. Zu den harmlosen Begleiterscheinungen gehörten noch die Umbenennungen der höchsten Spielklasse in Gauliga Nordmark und später - 1943 - ein neuer Vereinsname: SG Ordnungspolizei. Auf dem Trikot prangte schließlich das Hakenkreuz. Abteilungsleiter Friedrich Grabner hatte schon im Januar 1933 auf einer Jahreshauptversammlung vor den kommenden Machthabern gewarnt. Im April war sein Name prompt aus dem Vereinsregister gestrichen, wie Guido Eschholz und Thomas Nöllen in ihrer liebevoll gestalteten VfB-Historie "Eine Liebe in Grün-Weiß" (2010) zu berichteten wissen. Nach dem Krieg gehörte Grabner, ein aktiver Gewerkschaftler, zu den Neugründern des VfB.
Neugründung mit Arbeitersport-Tradition
Die Wiedergeburt des Vereins war allerdings eine schwierige. Für die britischen Besatzer kam ein Club in der Tradition der Nazi-Ordnungsmacht überhaupt nicht infrage. Bedenkenlos hingegen war die Wiederbelebung des 1933 verbotenen Arbeitersport-Clubs Ballspielverein Vorwärts Lübeck, der 1919 aus der sogenannten wilden Straßenclub-Szene hervorgegangen war.
Der Arbeitersportbund ATB (später ATSB) hatte sich zur Kaiserzeit mit einer eigenen Struktur neben den bürgerlichen Sportorganisationen entwickelt. Lübecks Vorwärts-Spieler konnten sich 1927 ihren ersten Titel sichern und dominierten die regionale Arbeiter-Bezirksmeisterschaft auch in den kommenden Jahren. Auf den BSV Vorwärts geht das offizielle Gründungsjahr des VfB zurück, außerdem brachte der Verein seine Spielstätte "Bei der Lohmühle", eröffnet im Jahr 1924, mit ein. Die Sportler hingegen waren vornehmlich Polizei-Kicker - Vorwärts war zwölf Jahre zuvor aufgelöst worden, Aktive gab es kaum noch.
- Teil 1: Jahrzehntelang im Fahrstuhl gefangen
- Teil 2: Polizisten mächtig "auf zack"
- Teil 3: Wenzel - eine Lübecker Fußball-Dynastie
- Teil 4: Was bleibt: Erinnerungen