SC Lorbeer 1906: Triumph und Niedergang
1933 wird der SC Lorbeer verboten
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten ändert sich auch im Hamburger Fußballsport vieles. Reichsinnenminister Wilhelm Frick ordnet im Mai 1933 für ganz Deutschland an, "das vielfach planlose Nebeneinander von sportlichen Organisationen und Einrichtungen zu beseitigen". Die Nationalsozialisten wollen nicht, "dass dieselbe Sportart gleichzeitig von mehreren Verbänden nach verschiedenen Gesichtspunkten geleitet wird". Konkret bedeutet das: Die als "marxistisch" gebrandmarkten Arbeitersportvereine - ob sozialdemokratisch oder kommunistisch - werden verboten und ihr Vermögen beschlagnahmt. Auch der SC Lorbeer wird aufgelöst.
Nazis stoßen auf keinen Widerstand
Die bürgerlichen Vereine wie der SC Victoria und der HSV können hingegen fortbestehen, sie werden aber "nazifiziert". Das heißt, fortan haben die Nationalsozialisten das Sagen. "Die Fußballvereine leisteten keinen nennenswerten Widerstand", sagt Herbert Diercks von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme. Er hat die Ausstellung "Hamburger Fußball im Nationalsozialismus" zusammengestellt. Der Traditionsclub SC Victoria beispielsweise habe sich bereitwillig der nationalsozialistischen Diktatur untergeordnet. "Die Vereinsnachrichten aus dieser Zeit spiegeln die große Übereinstimmung mit der Politik der neuen Machthaber wider", so Diercks. Auch beim HSV wird Stimmung gegen jüdische Sportler gemacht.
"Sieg Heil!" an der Mittellinie
Ab Ende 1933 müssen in ganz Deutschland die Fußballmannschaften vor dem Spiel den rechten Arm zum "Deutschen Gruß" erheben. Nach dem Schlusspfiff treten sich die Mannschaften an der Mittellinie gegenüber und sollen "auf Zeichen des Schiedsrichters ein dreifaches "Sieg Heil!" auf die deutsche Sportkameradschaft ausbringen". Dieser Ausruf ersetzt das alte "Hipp, hipp, hurra!" in den bürgerlichen Fußballvereinen.
Neuanfang nach dem Krieg
Im Zweiten Weltkrieg wird der Stadtteil Rothenburgsort bei den Luftangriffen schwer beschädigt. Aber schon bald nach Kriegsende wird der SC Lorbeer neu gegründet: 1946 schließt er sich mit der - 1933 ebenfalls verbotenen - FTSV Rothenburgsort von 1896 zum heutigen FTSV Lorbeer Rothenburgsort 1896 zusammen. Aber an die glorreichen Zeiten um 1930 kann der Verein nicht mehr anknüpfen. Die 1. Herren-Mannschaft kommt nicht mehr über die Bezirksliga hinaus, heute spielt sie in der Kreisliga. Zur Winterpause 2015/2016 stehen die 1. Herren auf Platz 8. Aber sie spielen weiterhin in blau-weiß, so wie die Bundesmeister vor 85 Jahren.
Jubelnde Frauen
Erfolgreicher sind zuletzt die Frauen des Vereins: Sie erringen 1972 den ersten Hamburger Meistertitel im Frauenfußball überhaupt - und spielen zeitweise in der Regionalliga. Es folgen drei weitere Meisterschaften, zudem gewinnen die Frauen 15 Mal den Hamburger Pokal-Wettbewerb. Größter überregionaler Erfolg ist der Einzug ins Halbfinale des DFB-Pokals 1987. Aber inzwischen hat der Verein nur noch eine 7er-Frauenmannschaft gemeldet. Heute ist der Vorstand vor allem auf seine Jugendarbeit stolz. "Wir haben momentan 16 Jugendmannschaften", sagt der 2. Vorsitzende Detlev Hasenpusch im Gespräch mit NDR.de. "Wir sind froh, dass wir auf diese Art viele Jugendliche von der Straße holen können." Denn Rothenburgsort ist weiterhin ein Arbeiterviertel.
Erwin Seeler ließ sich öfter blicken
Den Namen Erwin Seeler kennen beim SC Lorbeer noch viele. Der Ärger über den Vereinswechsel im Frühjahr 1932 ist längst vergessen. Nach dem Krieg lässt sich Erwin Seeler oft bei seinem alten Club blicken, nicht erst seit seiner Pensionierung 1973. Er pfeift sogar hin und wieder ein Spiel als Schiedsrichter. "Mein Vater ist immer wieder gerne zu seinen Wurzeln in Rothenburgsort zurückgekommen", erzählte Uwe Seeler 2007 in einem Interview für ein Jubiläumsheft des FTSV Lorbeer. So überreicht Erwin Seeler auch den Frauen des Vereins bei ihrem ersten Meistertitel einen Blumenstrauß. Getreu dem Motto des Fußballvereins: einmal Lorbeer, immer Lorbeer.
- Teil 1: Ein Verein der Arbeiter und Arbeitslosen
- Teil 2: Wie Erwin Seeler zum "Verräter" wird
- Teil 3: Das Ende des SC Lorbeer kommt mit den Nazis