Stand: 25.01.2016 09:00 Uhr

Harder und Halvorsen: Erst HSV-Freunde, dann Todfeinde

von Utz Rehbein, NDR.de
Die Mannschaft des Hamburger SV im Jahr 1924: Baier, Martens, Risse, Lang, Halvorsen, Krohn (oben v.l.), Warnholtz, Breuel, Harder, Schneider, Rave (unten, v.l.) © Witters Foto: Witters
Jahrelang in einer Mannschaft: Asbjörn Halvorsen (obere Reihe, 2.v.r.) und "Tull" Harder (untere Reihe, Mitte) .

Sie sind beide Hamburger Fußballhelden, feiern 1923 gemeinsam die deutsche Meisterschaft mit dem HSV: Mittelstürmer "Tull" Harder und Mittelläufer Asbjörn Halvorsen. Keine 20 Jahre nach dem Triumph ist der eine KZ-Kommandant, der andere KZ-Opfer.

Halvorsen, einen der besten Spieler Norwegens, hat sein Beruf als Schifffahrtsmakler 1921 nach Hamburg verschlagen. Zusammen mit dem athletischen, großgewachsenen Harder bildet er neun Jahre lang die erfolgreiche Mittel-Achse des HSV-Spiels. Zumindest in Halvorsens Anfangsjahren beim Rautenclub gelten die beiden als beste Freunde. Die Popularität des am 25. November 1892 in Braunschweig geborenen Otto Fritz "Tull" Harder in den Zwanzigern ist selbst nach heutigen Maßstäben erstaunlich - und nicht auf Hamburg begrenzt. Seine Vita dient als Vorlage für den Spielfilm "Der König der Mittelstürmer" mit Ufa-Star Paul Richter, ein Tabakhersteller bringt eine "Tull Harder Zigarette" auf den Markt.

"Der König der Mittelstürmer"

Otto "Tull" Harder © picture-alliance/ dpa Foto: Ullstein
"Elementare Wucht": Otto Fritz "Tull" Harder.

14 Tore gelingen dem 1,90-Hünen in seinen 15 Länderspielen. Nach einem Freundschaftsmatch gegen das englische Team Corinthians London schwärmt der Gegner vom Hamburger 'Centre forward': "Harder hat das brutale Äußere für diese Position. Aber wie er nie mit seinem Äußeren protzt, wie er mit elementarer Wucht und Pfiffigkeit den Ball vorstieß und vorlief, wie er ausbrach und wieder stoppte - grandios."

Der Lebemann Harder, der auf St. Pauli gern und ausgiebig dem Schaumwein zuspricht, äußert sich schon in den Zwanzigern häufig als glühender Nationalist. 1932, kurz nach seinem Abgang vom HSV, tritt er der NSDAP bei, ein Jahr später wird er SS-Mann und macht im Krieg in der NS-Eliteorganisation Karriere. In immer höheren Positionen schiebt Harder Dienst in den KZ Sachsenhausen, Neuengamme, Hannover-Stöcken und schließlich, im Rang eines SS-Untersturmführers, als Kommandant in der Neuengammer KZ-Außenstelle Ahlem.

Halvorsen in Neuengamme: "Mehr tot als lebendig"

Asbjörn Halvorsen vom Hamburger SV im Jahr 1924. © Witters Foto: Witters
1942 von der Gestapo festgenommen: Asbjörn Halvorsen.

In Neuengamme taucht auch Halvorsen auf - als Häftling. Er hatte in den 30er-Jahren die Nationalmannschaft seines Heimatlandes trainiert. Unter seiner Führung bringen die Norweger Deutschland die schmerzlichste Fußball-Niederlage der gesamten Nazizeit bei: 1936 werfen sie das Hakenkreuz-Team unter den Augen des wutschnaubenden Adolf Hitler im Viertelfinale mit 2:0 aus dem olympischen Turnier.

Nach dem Überfall auf Norwegen wird Halvorsen 1942 von der Gestapo festgenommen. Er hat sich für die Besatzer als unkooperativ erwiesen. Sein Leidensweg führt ihn durch mehrere Konzentrationslager. Als das KZ Neuengamme 1945 befreit wird, wird er als "mehr tot als lebendig" beschrieben. Er wiegt 40 Kilogramm, leidet an Typhus, Lungenentzündung, Rheuma, Fieber und Unterernährung. Dass er seinem früheren Mannschaftskameraden Harder begegnete, ist nach aktuellem Forschungsstand unwahrscheinlich. Sicher ist, dass ihn die Haft so mitgenommen hat, dass Halvorsen - inzwischen Generalsekretär des norwegischen Fußballverbandes - 1955 an den Folgen stirbt.

Peinlicher Fehler in DFB-Broschüre 1974

Harder, der vor Gericht 1947 keine Reue zeigt, wird als Kriegsverbrecher zu 15 Jahren Haft verurteilt. Tatsächlich kommt er bereits nach viereinhalb Jahren frei und wird stürmisch gefeiert, als er sich am Rothenbaum zu Spielen seines Clubs HSV blicken lässt. Er stirbt 1956, die Ehrenwache am Grab übernehmen HSV-Jugendkicker, den Sarg schmückt die Vereinsfahne. Zur WM 1974 wirbt der Austragungsort Hamburg mit einer Broschüre, in der neben den HSV-Legenden Uwe Seeler und Jupp Posipal auch Harder als Vorbild für die Jugend angepriesen wird. Der Fehler fällt erst einen Tag vor der Verteilung auf. Die Seite muss aus 100.000 Ausgaben entfernt werden.

Dieses Thema im Programm:

Hamburg Journal | 14.01.2016 | 19:30 Uhr

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