"Gefühl von Freiheit" - Popp über ihr Karriereende im Nationalteam
Am 28. Oktober wird DFB-Kapitänin Alexandra Popp in Duisburg gegen Australien ihr 145. und letztes Länderspiel bestreiten. Ihre Vereinskarriere will die 33-Jährige über 2025 hinaus fortsetzen. Über die Gründe für den Abschied aus dem Nationalteam spricht sie nun erstmals ausführlich und exklusiv in einer neuen NDR Dokumentation.
Als Alexandra Popp am vergangenen Wochenende zu den Dreharbeiten für die Dokumentation "Ende Legende" im Wolfsburger Stadion am Elsterweg erscheint, schmerzt ihr rechtes Knie. Am Abend zuvor hat die VfL-Stürmerin mit ihren Club in der Bundesliga gegen Leipzig gespielt, viele Sprints, viele Zweikämpfe, ein intensives Spiel.
"Das Knie meldet sich immer mal wieder, es ist ja auch leider nicht mehr das jüngste Knie", sagt die Stürmerin, die vor dreieinhalb Jahren eine schwere Knorpelverletzung erlitten hatte. Auch der rechte Fuß tut immer wieder weh, insgesamt spürt sie die Folgen ihrer langen Karriere - ein Grund für den Rücktritt aus dem DFB-Team. "Teilweise stehe ich morgens mit Schmerzen auf. Ich muss dann erst einmal, wie man so schön sagt, ins Rollen kommen, damit alles wieder ein bisschen besser und geschmeidiger wird."
"Du hast immer Lust zu spielen. Aber der Körper sagt dann doch: 'Nö, du musst dich erst warm laufen und darfst nicht sofort aufs Tor schießen.' Das merkt man im Alter dann schon." Alexandra Popp
Kraftraubende Gespräche neben dem Platz
Hinzu kommen mentale Abnutzungserscheinungen bei der 33-Jährigen, die im Februar 2010 ihr Debüt im Nationalteam gegeben hatte. 2016 in Rio wurde sie Olympiasiegerin, seit 2019 war sie Kapitänin. Marschierte auf dem Platz ebenso vorweg wie abseits davon. Etwa, wenn sie als Mitglied des Mannschaftsrates Prämien mit dem DFB verhandelte oder im vergangenen Jahr nach der Erkrankung von Martina Voss-Tecklenburg den Verband zu einer Lösung drängte.
"Wir als Führungsspielerinnen hatten einfach unglaublich viel neben dem Fußball zu klären, was natürlich auch extrem viel Energie geraubt hat. Wir wussten lange nicht: Wo geht jetzt eigentlich die Reise hin? Mit wem geht die Reise wo überhaupt hin? Dementsprechend haben wir da auch relativ viel Druck ausgeübt", sagt sie dem NDR.
Erleichterung nach der Entscheidung zum Rücktritt
Sie sei bereits seit Anfang des Jahres nicht mehr mit uneingeschränkter Vorfreude zu Lehrgängen und Länderspielen gefahren, erzählt die 33-Jährige. Beim Olympischen Fußballturnier habe sie dann gemerkt, dass sie nicht mehr so wie früher darauf brenne, für das Nationalteam auf dem Platz zu stehen.
Zur Freude über die Bronzemedaille zum Karriereende kam Erleichterung: "Es war auch irgendwie ein Lastabfall. Ich habe so viel investiert in den letzten Jahren als Kapitänin, aber auch die ganzen Jahre zuvor immer und immer wieder. Ich habe diese Verantwortung jetzt nicht mehr. Und dieses Gefühl ist auch ein Stück Freiheit."
"Ich bin nicht mehr zur Nationalmannschaft gereist mit 'Ich habe pure Freude in mir, ich habe pure Emotionen in mir.' Und das hat mich schon ein bisschen ins Nachdenken gebracht." Alexandra Popp
Die Kehrseite der Popularität
Nach der Europameisterschaft 2022, bei der sie in fünf Spielen sechs Tore erzielt und das Finale verletzungsbedingt verpasst hatte, war Popp zum Gesicht des Frauenfußballs in Deutschland geworden, führte ihren Sport aus der Nische und auf die große Bühne. Mittlerweile wird sie überall erkannt, ist ein großes Idol. Sie freut sich über die Wertschätzung, auf der anderen Seite setzt ihr der Prominentenstatus manchmal sehr zu. "Irgendwie gibt's privat nicht mehr. Und das ist für mich ziemlich schwer", berichtet sie.
Nicht nur in und vor den Stadien, sondern auch, wenn sie in ihrer Freizeit unterwegs ist, suchen Fans den Kontakt. "Manchmal mache ich Fotos oder Autogramme dann auch nicht", sagt Popp. "Da komme ich wahrscheinlich fürs Erste dann immer ein bisschen doof rüber, arrogant oder wie auch immer. Aber es ist einfach mein eigener Schutz, weil ich doch ein Stück weit Privatleben auch benötige, um Kraft zu tanken, um wieder Woche für Woche Leistung auf dem Platz zu bringen."
"Irgendwie gibt's privat nicht mehr. Und das ist für mich ziemlich schwer." Alexandra Popp
Die Zukunft als Fußballerin
Wer Alexandra Popp Woche für Woche beim VfL Wolfsburg erlebt, kann nicht feststellen, dass ihr Feuer auch beim Verein nachlässt. Vor einigen Wochen, beim Bundesligaspiel gegen Köln, fragte Trainer Tommy Stroot seine Stürmerin in der 70. Minute und bei einer hohen Führung für den VfL, ob sie ausgewechselt werden wolle. Die Antwort: Daumen hoch und ein Lächeln. In der Woche darauf warf sie sich in Frankfurt in jeden Zweikampf, wurde häufig gefoult, spielte weiter trotz Leistenbeschwerden und Kopfschmerzen.
Ihr Vertrag in Wolfsburg läuft im Sommer aus, Gespräche über eine Verlängerung laufen. "Grundsätzlich fühle ich mich hier sehr, sehr wohl", betont Popp. "Wenn jetzt in den nächsten Wochen und Monaten mit meinem Körper nichts passiert, ist grundsätzlich schon der Plan, dass ich meine Karriere an sich nächstes Jahr nicht an den Nagel hänge, sondern dass es noch weitergeht. Wo das dann sein wird, werden wir sehen."