Schuh-Klau und Straftraining - Die KSV Holstein wird zum Kieler Spaß-Verein
Die Fußballer von Holstein Kiel haben nach dem Aufstieg in die Fußball-Bundesliga die Nacht zum Tag gemacht. Selbst der sonst eher nüchtern daherkommende Erfolgscoach Marcel Rapp wurde zum "Feierbiest". Und Verteidiger Timo Becker kündigte an, drei Tage lang nicht schlafen zu wollen. Bevor er mit seinen Teamkameraden auf Piste ging, klaute er noch rasch ein paar Schuhe.
Die obligatorische Pressekonferenz zum Spiel durfte natürlich auch nicht an diesem historischen Samstagabend fehlen, an dem Holstein Kiel durch ein 1:1 gegen Fortuna Düsseldorfden ersten Bundesliga-Aufstieg in der Vereinsgeschichte perfekt gemacht hatte. Also saß Marcel Rapp nun dort mit einem sehr breiten Grinsen auf dem Podium, schenkte sich Mineralwasser ein und begann mit seinem emotionalen Statement. "Es sind unbeschreibliche Gefühle. Die Jungs haben wieder alles auf dem Platz gelassen", sagte der Coach.
Der 45-Jährige war mit seinen Ausführungen noch nicht ganz am Ende, da enterten seine Spieler den Presseraum im Bauch des Holstein-Stadions. "Nie mehr Zweite Liga, nie mehr Zweite Liga - KSV", sangen sie. Dann schüttete Finn Porath seinem Trainer den Inhalt eines riesigen Bierglases über den Kopf. Und was machte Rapp? Er schüttelte sich kurz, sprang dann auf und hüpfte ebenfalls "Nie mehr Zweite Liga" singend mit seinen Kickern mit.
Bremser: "Wir haben Geschichte geschrieben"
Während sich der Coach anschließend noch einmal hinsetze, um weitere Fragen der anwesenden Medienvertreter zu beantworten, machten sich die KSV-Profis in Richtung Kabine auf. Im Falle von Timo Becker allerdings nicht, ohne eine Straftat zu begehen. Denn der Verteidiger nahm kurzerhand die aus Werbezwecken auf dem Podest liegenden orangen Fußballschuhe des Ausrüsters mit. "Nächstes Jahr gibt es neue Schuhe", sagte der 27-Jährige und versuchte den Diebstahl damit zu rechtfertigen.
Dass sein Arbeitgeber den Klau der sündhaft teuren "Buffer" zur Anzeige bringen wird, erscheint dann aber doch eher unwahrscheinlich. Denn an diesem Abend, an dem Holstein "Geschichte geschrieben hat" (Co-Trainer Dirk Bremser) wurde über Regelverstöße großzügig hinweggeschaut.
Partynacht wird auf Rasen eingeläutet
Dazu zählt eigentlich auch, im Trikot Bier zu trinken. Die Kieler Spieler taten es nach dem Düsseldorf-Spiel natürlich trotzdem. Gemeinsam mit ihren Frauen und Freundinnen eröffneten sie noch auf dem Rasen die lange Partynacht. Zu den Klängen des bei jeder anständigen Fete mindestens fünfmal abgespielten Hits "Freed from Desire" wurde getanzt und geknuddelt.
"Das ist einfach geisteskrank. Ich kann das gar nicht greifen, das ist unfassbar, so krank - einfach ein geiler Verein", sagte Holsteins Eigengewächs Jonas Sterner. Benedikt Pichler, Torschütze zum 1:0 gegen Düsseldorf, war ebenfalls übermannt von seinen Gefühlen. "Lasst mich alle in Ruhe", stammelte der Österreicher überglücklich.
Becker will drei Tage lang nicht schlafen
Wahlweise mit Schal um den Kopf oder Fischerhut auf dem Haupt feierten die KSV-Kicker später in der Kabine weiter. Wo und wann sie die Party beendeten, ist nicht überliefert. Im Falle von Becker ist anzunehmen, dass sein Zug durch die Gemeinde noch nicht beendet ist. "Ich werde jetzt drei Tage lang nicht schlafen", hatte er schließlich unmittelbar nach der Düsseldorf-Partie angekündigt.
Während der Verteidiger vermutlich atemlos durch die Nacht tanzte, dürfte Alexander Hahn, neben Bremser Co-Trainer von Rapp, die Stunden nach dem Spiel bei einem Glas stillen Wassers - vielleicht auch Medium - mit der tiefgehenden Analyse der Begegnung verbracht haben. "Wir haben relativ viel Glück gehabt. Ich bin auch echt sauer", sagte der 35-Jährige im Interview mit dem vereinseigenen Youtube-Kanal. Die logische Konsequenz: "Morgen gibt es Straftraining." In dieselbe Kerbe schlug auch Philipp Sander: "Es ist ärgerlich, am Ende noch so einen Elfmeter zu bekommen. Da gehen wir in jedem Fall in die Analyse, das müssen wir aufarbeiten", erklärte der Kapitän lachend.
Co-Trainer Hahn: "Grandiose Saison gespielt"
Denn natürlich standen die beiden Kieler Spaßvögel am Sonntagmorgen dann nicht gemeinsam auf dem Trainingsplatz. Das einzige, was sie und die meisten anderen Holstein-Protagonisten am Tag nach dem Spiel vermutlich aufarbeiteten, war die Partynacht. Und gewiss wurde in dieser auch mehrmals auf diese so unerwartet erfolgreiche Kieler Spielzeit angestoßen.
Dass die Rapp-Schützlinge jetzt schon realisieren können, was sie geleistet und erreicht haben, es erscheint fraglich. Fakt aber ist, was der strenge Co-Trainer Hahn halb in Deutsch und halb in Englisch auf den Punkt brachte: "I think, we have a grandiose Saison gespielt."