Pleite gegen VfL Osnabrück - Erste HSV-Blamage unter Baumgart
Der HSV hat sich gegen den VfL Osnabrück zum zweiten Mal in dieser Saison bis auf die Knochen blamiert. Die Hamburger verloren am Sonntag trotz Überzahl in der Schlussphase auch das Heimspiel gegen das Tabellenschlusslicht der 2. Liga mit 1:2 (1:1). In der Hinrunde hatten die "Lila-Weißen" mit demselben Resultat gewonnen.
Es war die erste Pleite des HSV im zweiten Spiel unter seinem neuen Trainer Steffen Baumgart. Und sie war in Anbetracht eines insgesamt enttäuschenden Auftritts nicht unverdient. Lukas Kunze (6.) und Michaël Cuisance (89., Elfmeter) waren für die Niedersachsen erfolgreich. Robert Glatzel hatte zwischenzeitlich per Strafstoß für die Hausherren ausgeglichen (45.+2). Osnabrücks Maxwell Gyamfi sah in der 76. Minute die Gelb-Rote Karte. "Wir müssen uns ankreiden lassen, dass wir zwar viel Ballbesitz hatten, aber uns wenig Chancen herausgespielt haben. Das war einfach zu wenig", sagte Glatzel im NDR Interview.
"Wenn du aufsteigen willst, brauchst du Herz und viel Mentalität. Und da müssen wir die Jungs hinkriegen." HSV-Coach Steffen Baumgart
Koschinat: "Haben großen Sieg gelandet"
Die Hanseaten verpassten es durch die überraschende Niederlage, Holstein Kiel (spielte bereits am Freitag 2:2 bei Hertha BSC) vom zweiten Tabellenplatz zu verdrängen. "Wenn du die Qualität, die die Mannschaft hat, auf den Platz bringen willst, musst du mit Leidenschaft beginnen. Und das haben wir nicht getan", kritisierte Baumgart: "In vielen kleinen Situationen fehlt einfach die Präzision, fehlt so ein bisschen das Selbstvertrauen. Und das ist dann auch ganz klar meine Aufgabe, die Jungs dahinzukriegen, dass sie mit mehr Selbstvertrauen spielen."
So groß der Frust beim HSV war, so groß war die Freude bei den Gästen. Der VfL verkürzte den Rückstand auf Relegationsplatz 16 auf sechs Zähler und darf nun - zumindest leise - wieder vom Klassenerhalt träumen. "Wir haben einen großen Sieg gelandet für unser Ziel, uns noch an die Nichtabstiegsplätze heranzuarbeiten. Für dieses Ziel brauchten wir auch mal einen solchen großen Sieg. Ich denke, das wird der Mannschaft sehr viel Kraft geben", erklärte Osnabrücks Coach Uwe Koschinat.
Halbzeit-Frust bei Baumgart
Seine Co-Trainer sowie die Spieler waren nach dem Halbzeitpfiff bereits im Bauch des Volksparkstadions verschwunden, da stand Baumgart noch immer vor der Auswechselbank. Zunächst nahm der Trainer ein paar kräftige Schlucke Wasser mit einem mittelstarken Kohlensäuregehalt aus einer PET-Flasche. Dann schlug er die Hände vors Gesicht und rieb sich einige Male über die Augen. Dem 52-Jährigen war die Unzufriedenheit über die Leistung seiner Mannschaft anzusehen. Und Baumgart war vermutlich in diesen Momenten auf der Suche nach Lösungen, die er seinen Schützlingen für den zweiten Abschnitt an die Hand geben konnte.
Das, was er zuvor gesehen hatte, konnte nicht nach seinem Geschmack sein. Denn der Auftritt des HSV in den ersten 45 Minuten war maximal so wie der Kohlensäuregehalt des Wassers, das Baumgart soeben getrunken hatte: mittelstark.
HSV spielt ideenlos - Kunze sorgt für VfL-Führung
Die Gastgeber fanden gegen defensiv sehr kompakt stehende und in den Zweikämpfen griffige Osnabrücker in Ballbesitz kaum bis gar keine Lösungen. Immer wieder rannten sich die Hanseaten in der vielbeinigen VfL-Abwehr fest. Auch die Versuche, mit langen Bällen zum Erfolg zu kommen, schlugen fehl. Aus dem Spiel heraus kreierte der Aufstiegskandidat vor der Pause keine einzige Torchance. Das traf auf die Gäste genauso zu. Allerdings waren vom abgeschlagenen Schlusslicht auch keine fußballerischen Delikatessen zu erwarten gewesen.
Zudem konnten sich die "Lila-Weißen" auch deswegen aufs Verteidigen konzentrieren, weil sie früh in Führung gegangen waren. Nach einem Freistoß von Cuisance aus dem linken Halbfeld auf den langen Pfosten konnte Kunze den Ball völlig freistehend im Tor unterbringen. Keeper Matheo Raab war beim Abschluss des Mittelfeldmanns machtlos - und vermutlich verwundert, dass seine Vorderleute den 25-Jährigen komplett aus den Augen verloren hatten.
Glatzel trifft per Elfmeter zum Ausgleich
Ernsthaft in Gefahr geriet die VfL-Führung bis zur 34. Minute nicht. Dann verpasste Kapitän Sebastian Schonlau nach einem Eckstoß per Kopf knapp das 1:1. Es war die einzige und beste Chance der Hamburger bis kurz vor der Pause, als Immanuel Pherai in den Strafraum eindrang, sich den Ball eigentlich zu weit vorlegte, dann aber Glück hatte, dass Osnabrücks Innenverteidiger Gyamfi ihn dennoch über die Klinge springen ließ. Den fälligen Strafstoß verwandelte Glatzel - bis dahin ein Fremdkörper im Hamburger Spiel - sicher zum Ausgleich.
HSV in der Schlussphase in Überzahl
Der HSV kam schwungvoller aus der Kabine und besaß sieben Minuten nach dem Wiederbeginn durch Ransford-Yeboah Königsdörffer die große Chance zur Führung. Aber der Siegtorschütze aus dem Elversberg-Spiel brachte den Kopfball aus der Nahdistanz nicht im Tor unter. Weil der 22-Jährige nicht nur in dieser Situation ziemlich unglücklich agierte, wechselte ihn Baumgart bald darauf gegen Jean-Luc Dompé aus (58.).
Der Franzose sorgte dann auch für etwas mehr Druck als sein Vorgänger auf der Linksaußen-Position. Entscheidend in Szene setzten konnte sich der 28-Jährige jedoch ebenfalls nicht. Das lag auch daran, dass der VfL weiter sehr diszipliniert verteidigte und geschickt verschob. Den Hamburgern boten sich kaum Räume. Und sie bekamen zu selten Tempo und Tiefe in ihre Offensivaktionen. Selbst in Überzahl - Gyamfi sah Gelb-Rot (76.) - und nachdem Baumgart in Andras Nemeth einen zweiten Mittelstürmer auf den Rasen geschickt hatte (81.), wurde die Angriffsleistung nicht besser.
Cuisance lässt Osnabrück jubeln
Vorne lief so gut wie nichts zusammen - und hinten patzte die Baumgart-Elf ein zweites Mal: Ignace van der Brempt stellte dem eingewechselten Robert Tesche ein Bein, den Strafstoß verwandelte Cuisance zum Siegtreffer für das Tabellenschlusslicht - die Sensation war perfekt. "Wir haben es nicht geschafft, von Anfang an da zu sein, die Bereitschaft auf den Platz zu kriegen, die wir noch gegen Elversberg auf den Platz bekommen haben. Das hat einfach zu lange gedauert. Und dann sind wir hinten raus bestraft worden", resümierte HSV-Kapitän Sebastian Schonlau im NDR Interview.