Nach Sieg gegen Kaiserslautern: HSV feiert "Tarzan"-Schüler Matheo Raab
Fußball-Zweitligist HSV hat seine Aufstiegschancen durch einen mühevollen 2:1-Arbeitssieg gegen den 1. FC Kaiserslautern gewahrt. Großen Anteil am Hamburger Erfolg hatte dabei Keeper Matheo Raab, der gegen seinen Ex-Club mit einer sensationellen Doppel-Parade den Rückstand verhinderte.
Die HSV-Spieler hatten ihre Ehrenrunde durchs Volksparkstadion am Samstagnachmittag beinahe schon beendet, da stand plötzlich Robert Glatzel neben Matheo Raab. Der gegen die Pfälzer verletzt und erkankt fehlende Torjäger sprach den Schlussmann an und zeigte grinsend mit seinem rechten Arm in Richtung des Gehäuses, das Raab im zweiten Abschnitt gehütet hatte. Der Angreifer redete mit dem 25-Jährigen ganz offensichtlich über die Szene in der 60. Minute an, als er gegen den freistehenden Almamy Touré mit zwei tollen Reflexen binnen einer Sekunde das 1:2 verhinderte.
Wie er die Abschlüsse aus der Nahdistanz pariert hatte, das schien der Ballfänger selbst nicht so recht zu wissen. Jedenfalls strich er sich er sich nach Glatzels Befragung zu den Heldentaten unsicher durchs Haar und lachte wie jemand, dem gerade ein Lausbubenstreich gelungen ist.
"Das war sensationell, Matheo ist der Man of the Match." HSV-Mittelfeldspieler Jonas Meffert über Matheo Raab
Raab wirkte nach dem Duell mit seinem Ex-Verein so gelöst wie nie zuvor seit Wochen. Erstmals nach seiner Beförderung zum Stammkeeper Anfang Februar hatte "Matze", wie der Torsteher gerufen wird, entscheidend zu einem HSV-Sieg beigetragen. "Das war sensationell, Matheo ist der Man of the Match", adelte Mittelfeldakteur Jonas Meffert den 25-Jährigen.
Komplizierte Anfangszeit als Stammkeeper
Der achte Saisoneinsatz von Raab, er wurde zu einer dieser Geschichten, die angeblich nur der Fußball schreibt - oder ein angeschwipster Roman-Autor. "Teufelskerl lässt 'Rote Teufel' verzweifeln" könnte die Überschrift zu einer Story sein, die sich fast schon in Richtung Kitsch bewegt. Schließlich war es vielen HSV-Fans bis zu diesem Nachmittag ein Rätsel geblieben, warum der gebürtige Hesse überhaupt seit nun zwei Monaten das Hamburger Gehäuse hütet.
Raab hatte in seinen ersten sieben Partien zwar nicht gravierend gepatzt. Doch souveräner oder gar besser als Daniel Heuer Fernandes, der vor dem Nordduell mit Hannover 96 vom damaligen Coach Tim Walter überraschend aus dem Tor genommen wurde, war er halt auch nicht gewesen. Gegen die "Roten" musste der 25-Jährige dann auch gleich viermal hinter sich greifen. Hernach war Walter Geschichte.
Viele Gegentore trotz ordentlicher Leistungen
Die altbekannten Abwehrschwächen zeigten die Hanseaten aber auch unter dessen Nachfolger Steffen Baumgart, sodass Raab weiter Gegentore kassierte. Zu viele Gegentore für einen Aufstiegskandidaten. Gleich elf Mal schlug es bis zum Duell mit Kaiserslautern in sieben Spielen hinter dem Schlussmann ein. Dass Raab beim desaströsen HSV-Auswärtsauftritt gegen Fortuna Düsseldorf (0.2) ein paar Mal glänzend parierte, es geriet anhand von dieser Statistik des Grauens beinahe in Vergessenheit.
Profi-Anfänge in Kaiserslautern
Der 25-Jährige brauchte also dringend einmal ein Spiel, dessen Ausgang er im positiven Sinne beeinflussen konnte - schon allein für sein Seelenheil. Und natürlich bot sich dafür die Begegnung gegen Kaiserlautern ganz besonders an. Bei den Pfälzern hatte er 2017 seinen ersten Profivertrag unterzeichnet. Dort schaffte Raab den Durchbruch als Profi.
Mit ihm als Stammkeeper gelang den "Roten Teufeln" 2022 die Zweitliga-Rückkehr. Und in Kaiserslautern lernte er, dass Aufgeben nie eine Option ist. Eingetrichtert bekam Raab dies von einem Mann mit dem Spitznamen "Tarzan": Gerald Ehrmann.
Förderer Ehrmann: "Er besitzt Sieger-Mentalität"
"Sieger zweifeln nicht - und Zweifler siegen nicht", lautet der Wahlspruch des langjährigen Bundesliga-Keepers, der als Torwart-Trainer Kaiserslauterns vielen späteren Top-Schlussmännern wie Kevin Trapp, Roman Weidenfeller, Tim Wiese oder Tobias Sippel den Weg nach oben ebnete.
Auch Raab wurde von Ehrmann nach seinem Wechsel von Eintracht Trier auf den Betzenberg drei Jahre lang trainiert. Als sein Ex-Schützling dann im Sommer 2022 nach Hamburg wechselte, verabschiedete er ihn via "Bild" mit warmen Worten: "Der Junge kann ein Gewinn für den HSV werden. Matheo hat eine gute Psyche, bewahrt in schwierigen Situationen die Ruhe. Er besitzt eine Sieger-Mentalität und Entschlossenheit. Er ist mutig, hat echt Eier."
Baumgart fordert mehr Respekt für Raab
Zunächst aber einmal hatte Raab an der Elbe ein Problem: Er kam nicht an Heuer Fernandes vorbei. Erst als der Deutsch-Portugiese in dieser Saison anfing, an seiner zuvor gezeigten Souveränität einzubüßen und Walter wohl auch in einer Art-Panikreaktion in Angst um seinen Job einen Torwart-Wechsel vornahm, bekam der "Tarzan"-Lehrling die Chance, auf die er eineinhalb Jahre lang gewartet hatte. Um allen zu zeigen, dass er zu recht die neue Nummer eins ist, bedurfte es aber nun dieser Leistung gegen Kaiserslautern.
"Wir hatten mit Matheo einen sehr, sehr guten Torwart, der nun aus meiner Sicht hoffentlich auch als der Rückhalt respektiert wird, der er diesmal war", sagte Baumgart nach der Partie. Damit sprach der Walter-Nachfolger Raab noch einmal ausdrücklich und öffentlich das Vertrauen aus. Einen erneuten Wechsel im Kasten, so viel dürfte feststehen, wird es beim HSV zumindest bis zum Saisonende nicht geben.
"Wir hatten mit Matheo einen sehr, sehr guten Torwart." HSV-Trainer Steffen Baumgart über Matheo Raab
Matchwinner bleibt bescheiden: "Es zählen die drei Punkte"
Ob die Partie gegen Kaiserlautern für Raab nun zum Karriere-"Booster" wird, es muss sich noch zeigen. Lange in Erinnerung bleiben wird sie dem 25-Jährigen gewiss. "Das Spiel war für mich nicht wie jedes andere", gab der Ballfänger mit Blick auf seine Vergangenheit auf dem "Betze" zu. "Ich bin es aber angegangen, als wenn es ein normales war. Ich denke, das ist mir ganz gut gelungen", führte er bescheiden fort.
Ein Lautsprecher ist er also nicht, der Mann, der von "Tarzan" in die Geheimnisse des Torwart-Spiels eingeführt wurde. Der Rummel um seine Person war ihm fast unangenehm. Denn: "Im Endeffekt zählen die drei Punkte. Es ist egal, wer geschossen oder gehalten hat."