Nach Millionen-Verlust: FC St. Pauli möchte 2024 Genossenschaft gründen
Auf der Mitgliederversammlung des Fußball-Zweitligisten FC St. Pauli hat Präsident Oke Göttlich zum Überwinden der angespannten finanziellen Situation die Gründung einer Genossenschaft angekündigt. Das könnte im ersten Halbjahr des kommenden Jahres passieren.
Das Selbstverständnis der Hamburger als der "etwas andere Verein" könnte eine Renaissance erfahren. Angesichts der schwierigen Finanzlage plane der Club, eine Genossenschaft aufzubauen, wie Göttlich am Donnerstag vor den mehr als 700 stimmberechtigten Mitgliedern im Congress Centrum Hamburg (CCH) bekanntgab. Eine andere Finanzierung sei möglich, erklärte er.
"Es geht um ein Finanzierungsmodell, das zum FC St. Pauli passt." St. Paulis Präsident Oke Göttlich
Wirtschaftliche Stärke erreiche man nur durch den Aufbau von Eigenkapital, betonte der 47-Jährige. Daher habe der Verein "eine Idee aus der Mitgliedschaft wiederbelebt und in den vergangenen Monaten geprüft, diskutiert und vorangetrieben". Es gehe "um ein Finanzierungsmodell, das zum FC St. Pauli passt, das auf Teilhabe basiert". Weitere Details nannte er nicht.
Anfang 2024 Voraussetzungen schaffen
Man wolle im ersten Halbjahr 2024 die Voraussetzungen geschaffen haben, den Schritt zu gehen, erklärte Göttlich. "Wir haben den Mut, aus uns heraus eine eigene Finanzierung auf die Beine zu stellen." Für den Präsidenten gehe es darum, "unabhängig und mitbestimmend eine alternative Finanzierung für den FC St. Pauli zu ermöglichen, um Investitionen in großer Verbundenheit zu unserem Verein vorzunehmen, die wir aus unserem operativen Geschäft nicht leisten können."
St. Pauli verzeichnet Minus von fast fünf Millionen Euro
Zu Beginn der Woche war bekannt geworden, dass der Kiezclub im Geschäftsjahr 2022/2023 ein Minus von 4,9 Millionen Euro verbucht hat. Im vergangenen Jahr hatten die Hamburger noch einen Überschuss von 360.000 Euro vermeldet. Der Umsatz betrug damals rund 50,3 Millionen Euro.
Die Zahl konnte deutlich auf rund 62 Millionen Euro gesteigert werden, aber vor allem im Marketingbereich hatte St. Pauli ein ganz schwaches Jahr: Der Umsatz allein beim Fanartikel-Verkauf lag zwar mit knapp elf Millionen Euro so hoch wie noch nie, trotzdem gab es hier einen Verlust von 1,6 Millionen Euro. Das Eigenkapital fiel zudem von 8,1 Millionen auf 3,2 Millionen Euro.
"Es ist bisher nicht gelungen, nach den Corona-Jahre wieder zur alten wirtschaftlichen Stärke zurückzufinden." St. Paulis Präsident Oke Göttlich
"Wir müssen in den kommenden Jahren im Konzern und Verein planbare Gewinne realisieren, um in der Zukunft unser Eigenkapital und damit auch unsere wirtschaftliche Sicherheit und Unabhängigkeit wieder zurück auf Vor-Corona Niveau zu steigern", sagte Göttlich.
Man wolle "allen zeigen, dass nicht nur ein anderer Fußball möglich ist, sondern dass dieser andere Fußball auch noch ein Erfolgsmodell darstellt", erklärte er.
Personalkosten deutlich angestiegen
Stark angestiegen sind nach Informationen von NDR 90,3 die Kosten im Bereich Personal. Allerdings nicht wegen der Zweitliga-Mannschaft (der Profi-Etat stieg lediglich von 14,4 auf 15,6 Millionen Euro): Vielmehr gebe es eine massive Kostensteigerung im Bereich Verwaltung und Sonstiges.
Hier sind die Personalkosten um mehr als zwei Millionen Euro angewachsen - unter anderem, weil im Vorjahr noch viele Mitarbeiter Corona-bedingt in Kurzarbeit waren, und weil der Club seit 2022/2023 ein hauptamtliches Präsidium hat. Die nach dem großen Verlust erwarteten Fragen aus den Reihen der Mitglieder aber blieben auf der Mitgliederversammlung am Donnerstag weitgehend aus.
St. Pauli benötigt viel Kapital
Dennoch ist das negative Geschäftsergebnis für St. Pauli bitter, denn in den kommenden Jahren benötigt der Club viel Kapital. So soll an der Kollaustraße das Trainingsgelände für mehrere Millionen Euro erweitert werden.
"Wir werden unser Kostengerüst im Verein zukünftig wieder so anpassen, dass Rekordumsätze wie in der Vergangenheit auch zu planbaren Gewinnen führen", sagte der kaufmännische Geschäftsleiter Wilken Engelbracht.
Mehr Geld durch Ausrüster-Vertrag mit Puma
Ein Baustein, um Geld jenseits des vorgestellten Genossenschaftsplans zu generieren: ein neuer Ausrüster-Vertrag. Wie der Verein Ende Oktober bekanntgegeben hatte, wird St. Pauli von Sommer 2024 an wieder in Trikots des Sportartikelproduzenten Puma auflaufen, der die Hamburger bereits in den 1980er- und 1990er-Jahren ausstattete.
Man habe sich auf "eine umfassende und langfristige Zusammenarbeit geeinigt", hatte es in einer Mitteilung des Vereins geheißen. Fast zwei Millionen Euro pro Jahr spült das ab der kommenden Saison in die Kassen des aktuellen Zweitliga-Spitzenreiters.
Bauliche Veränderungen für mehr Sicherheit am Millerntor
Nach den Tumulten im Gästeblock beim jüngsten Heimspiel gegen Hannover 96 äußerte sich Göttlich auch zu Verbesserungen der Sicherheit im Millerntor-Stadion. "Wir werden zum nächsten Heimspiel beispielsweise einen erhöhten Zaun vom Gästeblock zur Nordtribüne installiert haben", erklärte er. Zudem werde es eine flexible 'Umnetzung' des Gästeblocks geben, "die wir je nach Anlass und Gegner anpassen können".
Das kommende Heimspiel findet am 1. Dezember gegen den Stadtrivalen HSV statt (18.30 Uhr, im NDR Livecenter).
Veränderungen im Umgang mit X, ehemals Twitter
Änderungen wird es bei St. Pauli künftig wahrscheinlich auch im Umgang mit der Social-Media-Plattform X, ehemals Twitter, geben. Mit 79,7 Prozent stimmten die Mitglieder für einen Änderungsantrag. Die Fanszene hadert vor allem mit Eigentümer Elon Musk.
Der Antragsteller hatte zunächst gefordert, dass der Verein die Aktivitäten auf der Social-Media-Plattform "zum nächstmöglichen Zeitpunkt, spätestens aber zum Ende dieses Jahres einstellt". Kommunikationsleiter Patrick Gensing hatte in dem Änderungsantrag des Clubs die Kritik an Musk geteilt und zugesagt, die Aktiviten auf X für die Vereinskommunikation und partnerschaftliche Verpflichtungen deutlich zu verringern und Alternativen aktiv zu stärken.
Präsidium trotz Millionen-Verlusts entlastet
Das Präsidium um Göttlich wurde trotz des Millionen-Verlusts von den Mitgliedern im CCH mit 94 Prozent entlastet. Hanna Obersteller wurde mit 97 Prozent als Nachfolgerin für den ausgeschiedenen Vizepräsidenten Finanzen und Organisation, Carsten Höltkemeyer, gewählt. Obersteller, geboren in Eckernförde, ist seit zehn Jahren Mitglied beim FC St. Pauli und war als Handballerin im Verein aktiv.