Nach Abgängen von Topspielerinnen: Wohin führt der Wolfsburger Weg?
In Ewa Pajor verlässt eine weitere Topspielerin den VfL Wolfsburg. Der Bundesligist muss sich nun weiter verstärken, um in Deutschland und in Europa mithalten zu können. Die Herausforderungen sind groß: Wolfsburg strahlt im Frauenfußball nicht mehr ganz die Attraktivität früherer Jahre aus, der Verein muss dringend investieren. Schlecht ist die Perspektive dennoch nicht.
Vergangene Woche haben die Fußballerinnen des VfL Wolfsburg ein dickes Ausrufezeichen gesetzt: Mit dem Sieg im DFB-Pokalfinale gegen die Meisterinnen aus München demonstrierten die Wolfsburgerinnen ihre Stärke und konterten gleichzeitig die These mancher, dass im deutschen Frauenfußball eine "Wachablösung" zu Gunsten der Bayern stattgefunden habe. Dennoch liegt hinter dem VfL eine schwierige Saison. In der Qualifikation zur Champions League waren die Finalistinnen der vergangenen Saison gescheitert, in der Liga unterlagen sie den Münchnerinnen zweimal und büßten in anderen Spielen überraschend Punkte ein.
Nun verlassen in Lena Oberdorf, Dominique Janssen und Ewa Pajor drei Stammspielerinnen und international bekannte Profis den VfL. Dies macht die Aussicht auf Erfolg im Konkurrenzkampf mit den Bayern zunächst nicht besser. Bislang hat der Verein zwei Verstärkungen für die kommende Spielzeit bekannt gemacht: Aus Freiburg kommt Janina Minge, die als Oberdorf-Ersatz gilt, Innenverteidigerin Caitlin Dijkstra von Twente Enschede folgt auf Janssen. Beide Transfers sind sinnvoll, große Namen im internationalen Fußball sind sie jedoch nicht.
Große Namen bei der Konkurrenz aus München
Der FC Bayern hingegen sorgte allein im vergangenen Jahr mit mehreren Verpflichtungen von bekannten Spielerinnen für Furore: Pernille Harder, Magdalena Eriksson und Linda Sembrant kamen, zudem verlängerte die englische Europameisterin Georgia Stanway ihren Vertrag vorzeitig. Dem müsse man doch in Wolfsburg etwas entgegensetzen, sagen manche Expertinnen und Experten. Jedoch war es selten der Weg des VfL, Stars an den Mittellandkanal zu holen - die Vorgehensweise fällt nun im Vergleich mit der bayrischen Offensive nur mehr auf.
Oberdorf kam zum VfL als "Jahrhunderttalent" und geht als europäische Größe, Pajor wechselte bereits mit 18 Jahren zum VfL und entscheidet sich nun mutmaßlich für den ruhmreichen und finanziell starken FC Barcelona. Sie nutzt eine vertraglich vorgeschriebene Ausstiegsklausel aus ihrem Vertrag und dürfte damit beim VfL für Einnahmen von knapp 500.000 Euro sorgen, bereits der Wechsel von Oberdorf - ausgerechnet - nach München hatte rund 400.000 Euro in die Kasse gespült.
Stadt und Infrastruktur verlieren im internationalen Vergleich
Ralf Kellermann, Wolfsburgs Direktor Frauenfußball, könnte also mit prallem Portemonnaie shoppen gehen - wird es aber voraussichtlich nicht tun. Zum einen würde die Verpflichtung von internationalen Topstars ein Abrücken vom Weg bedeuten und zu großen Differenzen im Gehaltsgefüge des Frauenteams führen. Zum anderen ist Wolfsburg für Spielerinnen aus der Kategorie einer Vivianne Miedema, die den FC Arsenal nach der Saison verlassen wird, keine Option. Club und Stadt versprühen nicht so viel Glanz wie große europäische Städte.
Die Europameisterin von 2017 wird wohl auf der Insel bleiben, denn dort und in Spanien beim FC Barcelona finden Fußballerinnen mittlerweile in vielen Belangen die besten Bedingungen, auch die Gehälter sind höher als in der Bundesliga. "Barca" professionalisierte seine Frauenfußball-Abteilung erst 2015 und wurde mit den Mitteln und der Reputation des Weltclubs schnell zu einer der ersten Adressen in Europa. Diese Lücke wird der VfL, Champions League Sieger 2013 und 2014, nicht mehr schließen können.
Ein weiterer wichtiger Punkt: die Infrastruktur. In Deutschland gelten die Trainingsbedingungen am Wolfsburger Elsterweg immer noch als top, die Gebäude im 1970er-Jahre-Look und das Rundherum aber sind nicht halb so "fancy" wie der Münchner Campus. Und Manchester City baut dem Frauenteam gerade für zehn Millionen Pfund ein neues Trainingszentrum, andernorts nutzen Männer- und Frauenabteilungen Einrichtungen gemeinsam. Da kann Wolfsburg aktuell nicht mithalten.
Investitionen sind dringend nötig
Der Verein muss dringend investieren, vielleicht gar in eine Art Frauenfußballzentrum samt Nachwuchsakademie, um langfristig konkurrenzfähig zu bleiben. Dass es dafür aber eine große Finanzspritze des Eigners Volkswagen geben wird, ist unwahrscheinlich.
Zwar erhöht der Konzern die Zahlungen an die Fußball GmbH ab dem Sommer, nach NDR Informationen aber wird ein Gesamtbetrag für Männer- und Frauenabteilung gezahlt. Wie das Geld verteilt wird, darauf nimmt VW keinen Einfluss, und auch für neue Gebäude und Trainingsplätze wird das Unternehmen sehr wahrscheinlich keinen Zuschuss zahlen - obwohl die Fußballerinnen in der Vorstandsetage am Kanal sehr geschätzt werden.
Die Investments, ob in den Kader der Frauen oder in die Infrastruktur - ein Thema für den neuen VfL-Geschäftsführer, die Stelle ist noch vakant. Der im April überraschend freigestellte Marcel Schäfer hatte sich sehr für den Frauenfußball engagiert. Es braucht einen Nachfolger, der dies ebenso tut und erkennt, dass sich die Aufgaben nicht "mal eben nebenbei" erledigen lassen. Alternativ könnten Direktor Kellermann weitergehende Kompetenzen erteilt werden.
Gerüchte um Beerensteyn und Linder
Mit all seiner Erfahrung und seinem Know-how hat Kellermann natürlich ohnehin eine enorm wichtige Rolle beim VfL und arbeitet längst im Hintergrund daran, die Abgänge im Team zu kompensieren. Als weitere Neuzugänge gehandelt werden Lyneth Beerensteyn von Juventus Turin und die deutsche Nationalspielerin Sarai Linder aus Hoffenheim.
Mit Alexandra Popp spielt der größte Star im deutschen Frauenfußball weiterhin in Wolfsburg, dazu kommen einige andere Nationalspielerinnen wie "Shootingstar" Jule Brand. Auch wenn sich in Europa die Machtverhältnisse verschoben haben, wenn andere Clubs mehr Geld zahlen und manche großen Glamour versprechen: Man sollte den VfL nie abschreiben. Das hat ja zuletzt das Pokalfinale gezeigt.