Lesben- und Schwulenverband Hamburg warnt vor Reisen nach Katar
Der Lesben- und Schwulenverband Hamburg (LSVD) warnt Homosexuelle davor, zur Fußball-WM nach Katar zu reisen. Er habe Angst, sagte der Vorsitzende Wolfgang Preussner dem NDR.
"Der LSVD fordert, dass queere Menschen nicht dorthin fahren und das Auswärtige Amt eine Reisewarnung ausgibt", sagte Preussner. "Da ist schon das Zeigen der Regenbogen-Flagge verboten und eine Gefahr, dass man verhaftet wird. Dann schaut man sich die WM im Gefängnis an."
Zuvor hatte bereits der Lesben- und Schwulenverband Deutschland die Bundesregierung aufgefordert, konsequent alle diplomatischen Reisen während und zur WM in Katar abzusagen. Zudem solle das Auswärtige Amt eine Reisewarnung "für alle Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans*, intergeschlechtliche und queere Menschen (LSBTIQ*)" aussprechen.
Derzeit keine Reisewarnung für LGBTIQ-Personen
Das Auswärtige Amt verurteilte zwar am Mittwoch durch seine Sprecherin Andrea Sasse die Aussagen des katarischen WM-Botschafters Khalid Salman, eine Warnung für LGBTIQ-Personen für Reisen in das Emirat plant das Außenministerium aber derzeit nicht. Die Regierung Katars habe zugesichert, dass alle Fans bei der am 20. November beginnenden WM willkommen seien. In der vergangenen Woche hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser nach eigener Aussage eine "Sicherheitsgarantie" durch Katars Premierminister und Innenminister Scheich Chalid bin Chalifa Al-Thani erhalten.
"In der Steinzeit angekommen"
Salmans homophobe Äußerung in der ZDF-Dokumentation "Geheimsache Katar" hatte für Entrüstung gesorgt. Der frühere katarische Nationalspieler hatte Homosexualität als "geistigen Schaden" bezeichnet.
Kurze Zeit später ruderte der 60-Jährige zurück: Seine Aussagen seien "aus dem Zusammenhang gerissen". "Jeder" sei in Katar willkommen, "aber unsere Kultur und Religion ändern sich nicht für die Weltmeisterschaft".
Preussner zeigte sich von Salmans Aussagen wenig überrascht - und dennoch schockiert. "Im Vorfeld war klar, dass da keine anderen Aussagen kommen würden. Wir sind in der Steinzeit angekommen." Das WM-Organisationskomitee und der Weltverband FIFA haben die Aussagen bislang nicht kommentiert.
DFB will sich nicht "wegducken"
Der Umgang mit dem Gastgeberland wird öffentlich seit Wochen breit diskutiert - und die Diskussion hat durch die jüngsten Aussagen noch einmal Fahrt aufgenommen. Bundestrainer Hansi Flick reagierte geschockt auf die homophoben Aussagen des katarischen WM-Botschafters. "Das macht uns sprachlos. Ich bin fassungslos, dass so etwas in der heutigen Zeit passiert", sagte Flick bei der Nominierung seines WM-Kaders in Frankfurt/Main. Man werde aber klar die "Menschenrechtssituation vor Ort ansprechen und Augen und Ohren offenhalten", sich "nicht wegducken" und "auf die Missstände aufmerksam machen".
Kritik auch an "One Love"-Armbinde
Nationaltorwart Manuel Neuer soll nach jetzigem Stand bei der WM in Katar eine "One Love"-Kapitänsbinde tragen. Eine Kampagne, die durch eine Arbeitsgruppe der UEFA entstand. Der DFB hatte Ende September die gemeinsame Aktion mit anderen Topnationen angekündigt. "Wir hoffen natürlich, dass wir durch die One-Love-Binde viel Power platzieren können mit anderen Nationen zusammen", sagte der 36-Jährige.
Doch Kritik unter anderem von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch ("Reine Symbolik") war an der Farbgebung aufgekommen, weil diese nicht die Regenbogenflagge darstellt, die für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt steht. Eine solche Kapitänsbinde hatte Neuer während der EM 2021 getragen. "Da hätte man sich stark machen können - wo ist das Problem?", so Preussner.
Auch Schwule und Lesben diskutieren: Ansehen oder nicht?
Auch unter Lesben und Schwulen gibt es indes kein einhelliges Meinungsbild, wie man mit der WM als Zuschauer umgehen soll. "Unter den Schwulen ist die Stimmung, dass darf man eigentlich nicht unterstützen darf. Aber natürlich gibt es auch viele eingefleischte Fußball-Fans und die wollen auf dem Laufenden bleiben", sagte der Hamburger LSVD-Vorsitzende. Frustrierender sei vor allem die allgemeine Machtlosigkeit - gegenüber dem Turnier, der Menschrechtssituation und der Vergabe. Und so sagt auch Preussner etwas resigniert: "Man kann nicht viel tun jetzt. Es ist vorbei."