Kevin Keegan am Steuer seines Autos. © Witters

Kevin Keegan: HSV-Ikone und erster Popstar der Bundesliga

Stand: 15.08.2023 11:37 Uhr

Kevin Keegan spielt nur drei Jahre für den Hamburger SV. Doch so populär wie der knapp 1,70 Meter große Engländer ist seit Club-Idol Uwe Seeler kein HSV-Spieler mehr gewesen. Der Offensiv-Wirbelwind ist seiner Zeit voraus: überragend auf dem Fußballplatz und zudem ein Popstar. Eine Reise durch die bewegten HSV-Jahre der "Mighty Mouse".

Kevin Keegan: Die "mächtigste Maus" von Hamburg

Dreimal englischer Meister, zweimal Uefa-Cup-Sieger und der Triumph im Europapokal der Landesmeister mit dem FC Liverpool: Kevin Keegan ist bereits Weltklasse, als er 1977 für die Rekordsumme von 2,3 Millionen D-Mark zum HSV wechselt. Der damals 26-Jährige avanciert zu einem der ersten Superstars der Bundesliga und spielt sich mit seinem unermüdlichen Einsatz schnell in die Herzen der HSV-Fans.

VIDEO: Kevin Keegan: Von Beginn an Publikumsliebling (1 Min)

Versuch macht klug: Ein Weltstar für den HSV

Dass Keegan von 1977 bis 1980 das Trikot mit der Raute trägt, ist Dr. Peter Krohn zu verdanken. Der umtriebige Manager will einen Weltstar für seinen HSV haben und wird auf ein BBC-Interview aufmerksam, in dem Keegan davon spricht, eine neue Herausforderung zu suchen. "Da habe ich gedacht: Versuch' es doch mal." Mit Erfolg.

VIDEO: Keegans Ankunft in Hamburg (1 Min)

Startschwierigkeiten beim Starspieler

2:5-Pleite im ersten Spiel in Duisburg, Rote Karte in einem Freundschaftskick beim VfB Lübeck am Silvestertag 1977 und letztlich nur Rang zehn in der Bundesliga: Keegans erstes Jahr in Hamburg verläuft holprig. Auch die Beziehung zwischen ihm und Trainer Rudi Gutendorf ist schwierig. Die Amtszeit des Weltenbummlers, der erst im Juli an der Elbe angeheuert hat, währt nur vier Monate.

VIDEO: Holpriger Start: Keegan, Trainer Gutendorf und das Team (1 Min)

"Das hat in der ersten Saison einfach nicht zusammengepasst", erinnert sich der damalige HSV-Star Felix Magath. "Es hat ein Jahr gedauert, bis die Mannschaft und Kevin zusammengefunden haben."

Manager Netzer und Trainer Zebec bringen die Wende

Die Wende bringt ein weiterer Weltstar: Günter Netzer. Der Ausnahmefußballer hat gerade seine aktive Karriere beendet, da findet er sich nach dem Abgang von Krohn etwas unverhofft auf dem Managerstuhl des HSV wieder.

Netzer, vor nicht allzu langer Zeit noch im königlichen Trikot von Real Madrid selbst auf dem Platz unterwegs, weiß Keegan richtig anzupacken und landet mit der Verpflichtung von Trainer Branko Zebec den entscheidenden Coup.

Die Keegans: Mit Heidi und Oliver glücklich in Itzstedt

Kraft zieht Keegan nicht nur aus der neuen HSV-Konstellation. Nach getaner Arbeit genießt der sympathische Engländer mit seiner Frau Jean und seinen beiden Bobtails die Ruhe außerhalb Hamburgs, in Itzstedt.

VIDEO: Keegan tankt Kraft - außerhalb von Hamburg (1 Min)

"Mighty Mouse" macht den Meister

In der Saison 1978/1979 dreht "Mighty Mouse" beim HSV richtig auf. Keegan wieselt ohne feste Position hinter, vor und zwischen den Spitzen und stellt seine Gegenspieler vor unlösbare Probleme. Er spielt 1979 Fußball im Tempo des Jahres 2000 und schießt den Traditionsclub mit 17 Toren zum Titel, es ist der erste seit 19 Jahren.

VIDEO: 17 Keegan-Tore zur Meisterschaft 1979 (1 Min)

Vollprofi Kevin Keegan - Ein kreativer Kämpfer

"Er war ein ganz anderer Fußballspieler, war schon zwei Stunden vor dem Training da und der Erste, der in den Kraftraum gegangen ist", erinnerte sich HSV-Kultmasseur und Keegans Freund Hermann Rieger. "Seine Spielweise war faszinierend." Schnell, ungemein wendig, mit guter Technik und noch besseren Ideen: Der kreative Kämpfer Keegan ist in seiner Art zu dieser Zeit einzigartig.

"Er war anders als wir. Seine Ansprüche waren höher, und er hat alles professioneller gesehen", sagt Ex-Teamkollege Magath. Vor allem in Sachen Öffentlichkeitsarbeit habe er in einer anderen Liga gespielt: "Wie er mit Fans und Medien umgegangen ist, da war er uns um Jahre voraus. Er war ständig unterwegs, hatte Werbe- und andere Termine, halt wie ein Geschäftsmann."

"Hals über Kopf verliebt" - Keegan stürmt die Charts ...

Keegan ist der erste Popstar unter den Fußballprofis - im wahrsten Sinnes des Wortes. Mit seiner Lockenmähne hat der Engländer auch als Sänger Erfolg. Nach seiner Single "It Ain't Easy" von 1972 veröffentlicht er 1979 "Head Over Heels In Love" und landet mit dem von Chris Norman geschriebenen Song in Deutschland sogar einen Top-Ten-Hit.

VIDEO: "Head over Heels in Love"- "Mighty Mouse" kann auch singen (1 Min)

Keegan nimmt das Lied im früheren Rüssl-Studio von Komiker Otto Waalkes in Hamburg auf. Ein Tag, an den Norman gerne zurückdenkt. Die Zusammenarbeit mit dem Fußballstar habe Spaß gemacht, war aber nicht so ganz einfach, verrät der Sänger der britischen Band Smokie in einem späteren NDR Interview: "Ich erinnere mich, dass im Fernsehen Fußball lief und es schwierig war, ihn zurück ins Studio zu kriegen."

... und macht alles mit

Auf dem Platz malocht Keegan für den HSV, abseits des Rasens ist der Engländer der geborene Entertainer. Im Trikot der englischen Nationalmannschaft gelingt "Mighty Mouse" im September 1978 ein Flugkopfballtreffer, der von den Sportschau-Zuschauern zum "Tor des Monats" gewählt wird. Die Ziehung des Zuschauer-Preises nimmt Keegan natürlich selbst vor - im heimeligen Itzstedt.

VIDEO: "Tor des Monats" in Keegans Garten in Itzstedt (1 Min)

Feilschen um Europas Besten

Sehenswerte Tore, überragende Leistungen, die Meisterschaft 1979: Keegan befindet sich in der Hansestadt auf der Höhe seines fußballerischen Schaffens, wird 1978 und 1979 zu "Europas Fußballer der Jahres" gewählt. Topteams wie Juventus Turin, Real Madrid oder auch der FC Barcelona sind hinter Hamburgs Publikumsliebling her. Die Katalanen locken mit einem Jahressalär von 1,5 Millionen D-Mark. Dreimal so viel, wie der Engländer beim HSV verdient.

Netzer tut alles, um seinen Superstar zu halten und ist sogar bereit, ein paar Bundesligaspiele auf Keegan zu verzichten. Der Manager willigt bei der Vertragsverlängerung in ein Leihgeschäft mit dem US-Club Washington Diplomats ein, für die "Mighty Mouse" bis Anfang September 1979 auflaufen würde. Die Leihgebühr von 250.000 Mark soll direkt an Keegan fließen.

Doch der Deal platzt. Keegan hätte aufgrund der UEFA-Regeln erst ab dem Halbfinale für den HSV im Europapokal auflaufen dürfen. Die Bühne Europa ist allerdings einer der Hauptgründe, warum der englische Nationalspieler in Hamburg bleiben will. Eine ordentliche Gehaltserhöhung des HSV - von einer Verdoppelung der Bezüge ist die Rede - beendet schließlich das Hin und Her. Keegan bleibt.

Der unerfüllte Traum vom internationalen Titel

Die dritte und letzte Saison mit Raute auf der Brust geht allerdings ohne Titel für Keegan zu Ende. In der Bundesliga gibt der HSV auf der Zielgeraden die mögliche Titelverteidigung aus der Hand, wird hinter dem FC Bayern München nur Vize-Meister.

Die größte Enttäuschung muss Keegan aber ausgerechnet auf der internationalen Bühne erleben. Das Finale im Europapokal der Landesmeister verlieren die Hamburger, die im Halbfinale noch eine Sternstunde der Vereinsgeschichte gegen Real Madrid gefeiert hatten, überraschend mit 0:1 gegen Nottingham Forest.

"Ich war einfach müde" - Keegans Abschied aus Hamburg

Für Keegan ist es Zeit weiterzuziehen, auch wenn er sich in Hamburg sehr wohl fühlt. Nach 90 Bundesliga-Einsätzen und 32 Treffern geht "Mighty Mouse" zurück auf die Insel, wechselt zum FC Southampton. Die HSV-Fans verlieren ihre "mächtige Maus". Jahrzehnte später erzählt Keegan im NDR Interview, warum er seine zweite Heimat Hamburg verlassen hat.

VIDEO: Zu viel Zebec: Keegan sagt "Tschüs Hamburg" (1 Min)

Kopfball-Ungeheuer Hrubesch voller Zuneigung

Zebecs knüppelhartes Training war Keegan schlichtweg nicht gewohnt von seiner Zeit in England. "Er hat zu uns immer gesagt, dass er das nicht überlebt", erinnert sich Sturm-Partner Horst Hrubesch im NDR Interview und muss lachen. "Zebecs Methoden waren manchmal schon fragwürdig, aber es hat sich letztlich ausgezahlt." An seine HSV-Zeit mit Teamkollege und Freund Keegan denkt das einstige Kopfball-Ungeheuer voller Zuneigung zurück: "Wenn es ihn nicht gegeben hätte, müsste man ihn erfinden."

VIDEO: Horst Hrubesch über seinen Freund Kevin Keegan (1 Min)

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Collage mit Uwe Seeler, Paul Breitner und Otto Rehhagel (v.l.) © picture alliance

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Sportclub | 14.02.2021 | 22:50 Uhr

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