Imke Wübbenhorst steht vor Comeback nach Baby-Pause
Als Chef-Trainerin im Männer-Fußball hat Imke Wübbenhorst an Vorurteilen gerüttelt. Nach der Geburt ihres ersten Kindes und Mutterschutz kämpft sie weiter um Frauen-Rechte und mit Young Boys Bern um den Titel in der Schweizer Womens Super League. Am Sonnabend kehrt sie nach nur 14-wöchiger Baby-Pause an die Seitenlinie zurück.
Imke Wübbenhorst hat alles für ihr Comeback vorbereitet. Zur Verstärkung ist seit diesem Wochenende auch ihre Mutter Kerstin in Bern. Sie wird sich in den kommenden zwei Monaten um Söhnchen Bendt kümmern, wenn Mama Imke und auch Papa Urs beruflich eingespannt sind. "Meine Mutter läuft mir quasi mit dem Kleinen hinterher, weil ich weiter stillen werde, sodass ich ihn immer anlegen kann", erzählt die 36-Jährige.
Nur 14 Wochen Baby-Pause
Die Auricherin kehrt am Sonnabend im Ligaspiel gegen Grasshopper Zürich nach 14 Wochen Mutterschaftsurlaub auf die Trainerbank bei den YB Frauen zurück. Planung erleichtert vieles. Aber der Alltag als Profitrainerin und Mutter mit einem gerade einmal dreieinhalb Monate alten Jungen ist eine ganz eigene Herausforderung.
Ein Kind als Karrierehemmnis? So habe sie das nie gesehen, erklärte Wübbenhorst. "Ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, weil ich davon überzeugt bin, dass ich alles hinbekomme, auch weil ich familiär eine super Unterstützung bekomme und YB voll hinter mir steht", entgegnet sie. Seit ihrem Abschied in den Mutterschutz Ende November hat sie der Technische Leiter Rolf Kirchhofer vertreten, der die Berner Fußballerinnen schon früher erfolgreich trainiert hat.
"Ich hatte Angst vor der Reaktion der Spielerinnen." Imke Wübbenhorst
Anfangs hatte sie ein schlechtes Gewissen gehabt - obwohl es doch eigentlich gar keinen Grund dafür gab. "Ich hatte Angst vor der Reaktion der Spielerinnen", gesteht Wübbenhorst, als sie ihrem Team erklären musste, dass sie mitten in der schweizerischen Super-League-Saison für ein paar Wochen in Mutterschaftsurlaub gehen werde.
Ein Umstand, der auch im modernen Fußball noch immer ungewöhnlich ist. Oder zumindest als ungewöhnlich angesehen wird - zumal Trainerinnen in Top-Ligen eher die Ausnahme sind.
Von allen Seiten unterstützt
Wübbenhorsts mulmiges Gefühl war komplett unbegründet. Natürlich waren die Spielerinnen und die Vereins-Offiziellen zunächst überrascht ob der Folgen der freudigen Nachricht von der Schwangerschaft. Aber das Team freute sich nicht erst mit, als die 36-Jährige mit Söhnchen Bendt im Trainingslager der YB auftauchte. Wenige Wochen nach der Geburt am Nikolaustag 2024 sah sie einige Testspiele, meinte aber sehr wohl, dass es gut sei, sich noch nicht um das für sie bald wieder übliche Geschäft kümmern zu müssen.
Regelrecht ins Schwärmen bringt die junge Mutter, wie sie im Gespräch mit dem NDR verriet, "wie der Verein und die Schweizer Öffentlichkeit mit ihrem Mutterglück umgehen". Von allen Seiten werde sie unterstützt - was zeige, "dass es dazugehört und dass wir doch auch hinbekommen sollten, dass Frauen ihren Beruf weiter ausüben können, wenn sie schwanger werden". Aber nicht zu leugnen ist, dass die Realität noch eine andere ist. Nicht wenige Vereine sagen sogar klipp und klar: Wir wollen einen Mann als Trainer und keine Frau.
Erste Trainerin im Männer-Fußball
Seit der Saison 2022/2023 ist Imke Wübbenhorst Trainerin in Bern - und nach wie vor sehr glücklich damit. Die zweimalige U19-Europameisterin stieg als Spielerin 2013 mit dem BV Cloppenburg in die Frauen-Bundesliga auf. Fünf Jahre später wurde sie Coach der Oberliga-Männer in ihrem Verein und damit erste Trainerin eines Männerteams in einer solch hohen Klasse. Es folgten die Stationen Sportfreunde Lotte und als Co-Trainerin für Analyse bei Drittligist Viktoria Köln.
Sprung ins kalte Wasser
Es war eine Zeit mit allerlei Rückschlägen. "Das muss man rückblickend so sagen, dass es eine schwierige Situation war", sagt Wübbenhorst. Ein Sprung ins kalte Wasser garniert mit Sprüchen, die weit unter die Gürtellinie gingen. "Vor allem von Zuschauern, beim Training wie bei den Spielen. Es war so, dass man darauf reduziert wurde, dass man eine Frau ist. Aber dass ich mehr Verstand vom Fußball habe, das haben die komplett ausgeblendet, das war gar nicht in deren Realität drin."
Wübbenhorst mit "Fußballspruch des Jahres"
Auf jeden Fall erzeugte ein weiblicher Chefcoach beim Männerfußball extrem viel Aufmerksamkeit - samt dummen Fragen, die von der schlagfertigen Ostfriesin auf ihre Art gekontert wurden. "Ich bin Profi. Ich stelle nach Schwanzlänge auf", so die damalige Trainer-Novizin auf die Frage, ob sie eine Sirene auf dem Kopf tragen werde, damit ihre Spieler schnell eine Hose anziehen könnten, bevor sie in die Kabine kommt.
Ein Wortwechsel, der auch im Fußball durchaus peinlich genannt werden darf und aus heutiger Sicht bereits aus der Zeit gefallen wirkt. Für die Medien auch international ein gefundenes Fressen, für die "Deutsche Akademie für Fußballkultur" der "Fußballspruch des Jahres 2019".
Trainer-Lizenzen nur an Männer
Unvermindert gilt bis heute, dass es Frauen im Männer-Fußball schwer haben. Die frühere Bremer Bundesligaspielerin Marie-Louise Eta war 2023 die erste Trainerin in der Männer-Bundesliga, als sie nach dem Rücktritt von Urs Fischer bei Union Berlin interimsweise Co-Trainerin sogar in der Champions League war. Als Ausnahme gilt Sabrina Wittmann, die als Cheftrainerin von Drittligist Ingolstadt um den Aufstieg spielt. Im Januar hat der Deutsche Fußball-Bund 17 Pro Lizenzen, also die höchste Trainerlizenz, vergeben - an 17 Männer.
Im aktuellen Ausbildungsjahrgang sind nur zwei Frauen. Was verschiedene Gründe habe, so Wübbenhorst, die sich einst freuen konnte, ein Stipendium von der UEFA bekommen zu haben. Die Ausbildung kostet fast 20.000 Euro. Ohne großen Verein als Finanzier im Rücken, ist das kaum zu stemmen. Zumal es keine Garantie dafür gibt, dass "man so hoch trainieren darf, dass man die Ausbildung darüber refinanzieren kann", meint die am 10. Dezember 1988 in Aurich geborene Wübbenhorst. "Ein wirklich schwerer Weg."
Glück als Mama und als Coach
"Ich wollte immer eine sehr gute Trainerin werden", sagt Wübbenhorst, die mit YB Bern in der Schweizer Frauen-Liga um die Meisterschaft spielt. Sie ist glücklich als Mama - und als Coach. Da sei ihr egal, "ob der nächste Step eine Frauen- oder eine Männer-Mannschaft sein wird". Momentan spielt die Hauptrolle in ihrem Leben sowieso der kleine Bendt. "Wenn ich zu 100 Prozent wieder einsteige, wird meine Mutter kommen und den Kleinen betreuen", sagt sie und frohlockt im NDR, "dass die ersten drei Monate auf jeden Fall wunderschön und sehr, sehr glücklich waren".
"In Bern war es schön zu erleben, wie ich im Frauenfußball geschätzt werde, vermutlich auch weil ich früher selber gespielt habe." Imke Wübbenhorst
Eineinhalb Jahre hat sie noch Vertrag in Bern, den sie gerne erfüllen will. "Ich wollte wieder in Ruhe arbeiten, ohne dass alles beäugt wird. In Bern war es schön zu erleben, wie ich im Frauenfußball geschätzt werde, vermutlich auch weil ich früher selber gespielt habe", sagte Wübbenhorst. "Ich hoffe, noch ein paar Jahre in Bern trainieren zu können. Warum nicht eine Ära prägen wie einst Christian Streich in Freiburg?"
Eine Rückkehr nach Deutschland sei momentan jedenfalls kein Thema. Auch nicht nach Bremen, obwohl ihr Herz seit jeher für Grün-Weiß schlägt.
Keine Frage, wer am Sonntag der Favorit für sie ist im Pokal-Halbfinale zwischen dem Hamburger SV und Werder - obschon sie einst selbst für den HSV gespielt hat. Das Nordderby im Volksparkstadion ist ausverkauft. 57.000 Zuschauer bedeuten einen deutschen Rekord für ein Frauenspiel auf Clubebene. Wübbenhorst wird das freuen.
