HSV-Abwehr wackelt: Neue Gesichter, alte Muster
Fußball-Zweitligist Hamburger SV hadert nach dem 2:2 beim Karlsruher SC mit altbekannten Problemen. Fünf Gegentore in zwei Spielen, die neu formierte Abwehr fremdelt noch mit dem riskanten Spielstil von Tim Walter. Der Trainer beschwichtigt.
Die Ehrlichkeit von Dennis Hadzikadunic war bemerkenswert. In einer Presserunde im Trainingslager sprach der Neuzugang über den Spielstil beim HSV. "Als ich das erste Mal auf dem Platz stand, habe ich gedacht: Sollen wir so wirklich spielen?"
Am Sonntag, vier Wochen danach, gab der Leihspieler vom FK Rostov sein HSV-Debüt - und wirklich, so wird gespielt. Viel Ballbesitz, kurze Pässe, hohes Gegenpressing, Hadzikadunic muss ins Risiko gehen. In Karlsruhe wurde klar: Er wird noch Zeit brauchen, bis er den "Walterball" verinnerlicht hat.
HSV mal wieder mit Abwehrsorgen
In der ersten Halbzeit stimmten die Laufwege des 25-Jährigen nicht, außerdem fehlte ihm im Aufbauspiel der Mut. Genau wie Nebenmann Guilherme Ramos, ebenfalls neu im Team. "Das Ziel war, dass Dennis und Gui viel mehr andribbeln", sagte Walter nach der Partie. "In der zweiten Halbzeit war Dennis besser, viel aktiver, gut in den Zweikämpfen."
Der Bosnien-Schwede war nicht der einzige Abwehrmann mit Problemen. Nebenmann Ramos musste nach 55 Minuten Gelb-Rot-gefährdet ausgewechselt werden. Für ihn kam Stephan Ambrosius, der in der Nachspielzeit Karlsruhes Budu Zivzivadze ignorierte. Der Georgier machte das 2:2.
Konterchancen blieben ungenutzt
Damit stehen fünf Gegentore nach zwei Spieltagen, eine geringe Stichprobe zwar, aber eindeutig zu viel für einen Aufstiegsfavoriten. Natürlich würden die Abwehrschwächen weniger ins Gewicht fallen, wenn Jean-Luc Dompé oder Bakery Jatta in der Schlussphase ihre Torchancen zur Entscheidung genutzt hätten. "Am Ende musst du Konter setzen, das 3:1, 4:1 machen", sagte Walter, "Dann kannst du den Mund abwischen und heimfahren."
Seine Flügelspieler - auch Levin Öztunali und Raphael Königsdörffer zählte der Coach dazu - blieben aber allesamt blass. Walter: "Wenn wir darüber nicht kommen, hakt unser Spiel."
Eben dieses Spiel, der viel diskutierte "Walterball", wird auch 2023/2024 das HSV-Thema schlechthin bleiben. Der Fußball ist attraktiv, die Fans goutieren ihn mit ausverkauften Stadien. Hamburgs Trainer hatte vor dem Spiel aber selbst gesagt: Spektakel ist nur dann gut, wenn das Ergebnis auch stimmt.
Der schmale Grat vom "Walterball"
Gegen Schalke 04 (5:3) passte es, dank eigener Tore in der Nachspielzeit. In Karlsruhe gab es eine gefühlte Niederlage. Der HSV könnte ebenso gut mit sechs Punkten dastehen wie mit zwei - so schmal ist der Grat vom "Walterball", wie schon in der Vorsaison. Ein Aufstieg hat aber mit Konstanz zu tun.
Walter beschwichtigt, will seiner Mannschaft Zeit geben. "Wir sind relativ jung zusammen, haben später als alle anderen begonnen mit der Vorbereitung. Wir sind ein Stück weit noch in der Findungsphase." Logisch, schließlich fehlte noch HSV-Kapitän Sebastian Schonlau, der wichtigste Innenverteidiger.
Mit Hadzikadunic, Ramos und Ignace van der Brempt standen drei Neuzugänge in der Viererkette, für alle ist der Spielstil gewöhnungsbedürftig. Der HSV wird hoffen, dass die Probleme mit jeder Woche weniger werden. Entweder, weil die Neuen sich besser integrieren - oder weil die Verletzungssorgen kleiner werden. Die alten Muster sollen endlich abgestellt werden.