Fußball-EM: Wie aus einer "Kraterlandschaft" ein Top-Rasen wird
Die anstehende Fußball-Europameisterschaft in Deutschland wirft ihre Schatten voraus. Im schleswig-holsteinischen Norderstedt ist dies sogar wortwörtlich zu nehmen. Denn der Rasen des Edmund-Plambeck-Stadions war lange mit einer riesigen Folie abgedeckt, damit das noch nicht so satte Grün bis zum Eintreffen von Tschechiens Nationalmannschaft den Standards der UEFA entspricht.
Der Vize-Europameister von 1996 wird während des Turniers (14. Juni bis 14. Juli) sein sogenanntes Base Camp in einer Nobelherberge im verschlafenen Lemsahl-Mellingstedt beziehen. Als Trainingsstätte dient der Auswahl von Coach Ivan Hasek das Stadion des Regionalligisten Eintracht Norderstedt an der Ochsenzoller Straße. Hätten die Tschechen den Platz nach dem letzten Heimspiel der Garstedter am 12. Mai gegen den SV Meppen (0:2) begutachtet, würden sie vermutlich mit einem recht mulmigen Gefühl in der Magengegend in den Hamburger "Speckgürtel" anreisen.
Denn der Rasen im "EPS", wie das "Wonhzimmer" der Eintracht liebevoll gerufen wird, verdiente diesen Namen nicht mehr. Nach einem harten Winter und einer Saison, in der neben Norderstedt auch die U23 des FC St. Pauli ihre Heimspiele dort ausgetragen hatte, glich der Undergrund einer Kraterlandschaft. Dass sich hier Tschechens Fußball-Stars unfallfrei auf ihre EM-Partien würden vorbereiten können, es schien vor drei Wochen noch undenkbar.
Doch dann machten sich neben Greenkeeper Oliver Schaper auch das sogenannte Rasenkompetenzteam eines Prüflabors für den Sportstättenbau an die Arbeit, um den Platz in Top-Zustand zu bringen. Die Firma aus Osnabrück ist gemeinsam mit einem Partner-Institut aus Schottland für die Qualitätssicherung aller Stadien und Trainingsflächen verantwortlich, die während der Europameisterschaft genutzt werden.
Strenge Vorgaben durch "Bewertungssystem für Naturrasen"
Die Rasen-Experten mussten sich dabei vor Beginn ihrer Arbeit erst einmal in einen ziemlich umfangreichen Anforderungskatalog einlesen. Denn die standardisierten Vorgaben für Tests und Bewertungen der Flächen sind im "Bewertungssystem für Naturrasen" des Fußball-Weltverbandes FIFA geregelt, das die UEFA, der europäische Verband, übernommen hat. Wie ist die Wurzeltiefe? Wie hoch ist der volumetrische Bodenfeuchtgehalt? Oder wie ist der vertikale Ballrücksprung? Es gibt nahezu nichts, was nichts getestet und bewertet wird.
Die Spiel - und Trainingsflächen sollen schließlich in einem Zustand sein, als wären sie mit der häufig zitierten Nagelschere geschnitten worden. Klagen über versprungene Bälle - oder noch schlimmer - verstauchte Knöchel soll es von den Fußball-Stars bestenfalls nicht geben. Denn: "Der Rasen im Stadion ist wie die Bühne im Theater", sagt Landschaftsarchitekt Engelbert Lehmacher, der bei der Heim-Weltmeisterschaft 2006 das Kompetenzteam mit Rainer Ernst bildete.
Nordersteder Rasen lag unter einer riesigen Folie
Während die Spielflächen in den acht EM-Arenen - darunter auch das Hamburger Volksparkstadion - bereits zwei Wochen vor Turnierbeginn in einem guten Zustand sind, musste der Rasen im Norderstedter Edmund-Plambeck-Stadion noch unter einer riesigen Erdbeer-Spargel-Folie versteckt werden. "Damit kann er besser wachsen", sagte Oliver Schneider vom Rasenkompetenzteam dem NDR.
Vor einem Monat hatte er hier eine Bodenprobe entnommen und in seiner Firma, einem Prüflabor für Sportstättenbau, untersucht. "Da haben wir festgestellt, dass der Rasen im Anforderungsbereich der Norm liegt, also die Pflanze ein optimales Milieu hat, um zu wachsen", erklärte Schneider. Um den ramponierten Untergrund schnellstmöglich wieder in einem satten Grün erscheinen zu lassen, wurde der Rasen zunächst gemäht und dann mit der riesigen Folie abgedeckt.
Hybrid-Rasen in München verhindert Spielschäden
Maßnahmen, die andernorts nicht nötig waren. Der Fußball-Tempel des FC Bayern München, so schwärmt Schneider, hat beispielsweise einen Hybrid-Rasen. "Und der stabilisiert den Naturrasen so, dass nicht so viele Spielschäden enthalten sind." Aber der deutsche Rekordmeister - zuletzt wieder vermehrt als "FC Hollywood" in die Schlagzeilen geraten - hat halt anders als Eintracht Norderstedt auch eine Rasenheizung. Und nebenbei auch nicht nur einen Greenkeeper, sondern ein ganzes Team, das die Grashalme in der Arena tagtäglich pflegt.
Tschechen bestreiten zwei EM-Spiele in Hamburg
Mit viel Liebe zum Detail geht auch Eintracht-Greenkeeper Schaper stets seiner Arbeit nach. Bis zum Ende der Europameisterschaft erhält er dafür noch Unterstützung vom besagten Kompetenzteam. Anschließend zeichnet er dann wieder allein für den Rasen im Edmund-Plambeck-Stadion verantwortlich. Wie lange dieser von den Tschechen beansprucht wird, hängt letztlich auch mit vom Ausgang ihrer beiden Gruppenpartien im Volksparkstadion am 22. Juni gegen Georgien sowie am 26. Juni gegen die Türkei ab.
Sollte das Team um den Leverkusener Double-Sieger Patrik Schick den Einzug in die K.o.-Runde verpassen, dürften sich zumindest die Halb-Profis von Eintracht Norderstedt insgeheim etwas freuen. Denn dann haben sie ein paar Wochen länger Zeit, sich auf einem gut erhaltenen EM-Rasen auf die kommende Saison vorzubereiten.