Fußball-EM: Ronaldos letztes großes Hurra in Hamburg?
Auch der Stern von Cristiano Ronaldo muss einmal untergehen. Heute trifft der 39 Jahre alte Fußball-Superstar mit Portugal im Hamburger Volksparkstadion auf Vizeweltmeister Frankreich. Das Viertelfinale könnte das letzte EM-Spiel seiner Karriere sein.
Ronaldo weinte. Er weinte nach seinem Elfmeterfehlschuss in der Verlängerung - es wirkte wie pures Selbstmitleid. Er weinte nach dem endgültigen Schlusspfiff - offensichtlich vor Erleichterung nach dem 3:0 (0:0, 0:0)-Erfolg gegen Slowenien im Elfmeterschießen. Und Ronaldo weinte noch einmal, als ihm Roberto Martinez kurz darauf eindringlich einige Worte gesagt hatte - es wirkte, als habe Portugals Nationaltrainer noch einmal Ronaldos Wichtigkeit für die Nation betont.
"Natürlich war ich unglaublich traurig und hinterher überglücklich. Das ist Fußball. Alles oder nichts, das passiert immer wieder. Dann dreht sich das Schicksal und das Glück." Cristiano Ronaldo
"Es ist ohne Zweifel meine letzte EM", sagte der 39-Jährige nach dem Spiel im portugiesischen Fernsehen. "Ich möchte die Menschen aber noch einmal glücklich machen."
Dass ausgerechnet er selbst fast seine Karriere auf der ganz großen Bühne beendet hätte, war offenbar schwer zu ertragen gewesen. Ronaldo hat mittlerweile 20 Torschüsse bei dieser EM abgegeben - so viele wie kein anderer. Ein Treffer in der regulären Spielzeit ist ihm noch nicht gelungen.
Nun kommt noch mindestens ein Spiel dazu - und einer der wohl größten Fußballer der Geschichte mit Portugal nach Hamburg. Heute (21 Uhr, im NDR Livecenter) wartet im EM-Viertelfinale im Volksparkstadion Vizeweltmeister Frankreich mit Kylian Mbappé - es ist das Aufeinandertreffen der Stürmerstars an der Elbe.
Ronaldo schnappt sich einen Rekord nach dem anderen
Die Liste von Ronaldos Titeln und Rekorden ist schier endlos. Er gewann fünfmal den Ballon d'Or, den prestigeträchtigen Preis für den besten männlichen Fußballer der abgelaufenen Saison, wurde viermal zu Europas bestem Fußballer gewählt, dreimal als Weltfußballer ausgezeichnet. In seiner Karriere war er 20-mal Torschützenkönig, fünfmal Champions-League-Sieger und hatte 2016 großen Anteil daran, dass Portugal Europameister wurde. Die Liste ließe sich fortsetzen.
Große portugiesische Community in Hamburg
Nun gehört aber nicht viel Fantasie zu der Vorstellung, dass sich der große Ronaldo vor den gut 46.000 Zuschauern in Hamburg gegen Turnier-Mitfavorit Frankreich von der ganz großen Fußball-Bühne verabschieden könnte. Und das hat auch mit ihm selbst zu tun.
Dass der 39-Jährige von der Insel Madeira überhaupt noch als Stammspieler bei seiner sechsten EM kickt, ist an sich schon bemerkenswert, Nationaltrainer Martinez Ronaldo setzt ihn als klassischen Mittelstürmer ein. Auch wenn die Tage, da er im Vollsprint über den Flügel jagte und beeindruckende Dribblings hinlegte, längst vorbei sind, feiern die Fans den Altmeister nach wie vor frenetisch. So wird es auch in der Hansestadt sein, wo es traditionell eine große portugiesische Community und sogar ein eigenes Viertel am Hafen gibt.
Ronaldos Treffer gegen die Fußball-Zwerge
Aber spätestens das Spiel gegen die Slowenen hat offenbart, dass Ronaldo sein Team nicht mehr per sé beflügelt, sondern dass der Personenkult auch zu einer Belastung werden kann.
Martinez hat das komplette Angriffsspiel seines Teams auf den Superstar ausgerichtet, der sich doch eigentlich schon im vergangenen Jahr mit seinem Wechsel zu al-Nassr nach Saudi-Arabien irgendwie vom hochklassigen Profifußball verabschiedet hatte.
Bei al-Nassr ist er in dieser Saison Torschützenkönig der saudischen Liga geworden. Und auch in der EM-Qualifikation gelangen ihm zehn Treffer. Die Sternstunden sind allerdings deutlich rarer geworden. Die Gegner in der Quali waren unter anderem Liechtenstein (drei Tore), Luxemburg (zwei Tore) und Bosnien (zwei Tore). Darunter waren auch drei Elfmeter.
Auf Island, wo Ronaldo sein 200. Länderspiel absolvierte, schoss er sein Team in der 89. Spielminute mit seinem 123. Treffer für Portugal zum Sieg (mittlerweile 211 Einsätze und 130 Tore). Doch schon im Stadion Laugardalsvöllur vor 8.600 Zuschauern in Reykjavik hatte das portugiesische Team eigentlich augenscheinlich nur gespielt, um Ronaldo zum Jubiläum das Tor zu schenken. Wenn dieses dann nicht fällt, kann so eine Aufgabe lähmen. Wie auch das Fokussieren auf einen einzelnen Spieler.
Eigentlicher Held ist Torhüter Diogo Costa
Und so war es auch im EM-Achtelfinale gegen Slowenien, in dem nach Ronaldos Fehlschuss (105.) schließlich Diogo Costa zum späten Helden des Abends avancierte: Erst parierte der Torhüter weltklasse mit dem Fuß gegen Benjamin Sesko (115.), dann im Elfmeterschießen alle drei slowenischen Versuche.
"Nur diejenigen, die Elfmeter schießen, können verfehlen. Er hat uns den Weg zum Sieg gezeigt. Die Kabine steht hinter ihm. Wir sind sehr zufrieden mit ihm." Trainer Roberto Martinez
Am 3:0 hatte Ronaldo mit dem ersten verwandelten Elfmeter dann eigentlich einen kleineren Anteil. Seine Tränen waren aber trotzdem das große Thema des Abends. CR7 im Mittelpunkt - so ist auch das Selbstverständnis.
Die Tatsache, dass es seine letzte EM sei, habe ihn nicht derart emotional bewegt, versicherte Ronaldo: "Sondern das, was der Fußball mit sich bringt. Die Freude, die ich an dem Spiel habe, die Freude, meine Fans zu sehen, meine Familie und die Zuneigung, die mir die Menschen entgegenbringen."
Tränen des Glücks oder der Enttäuschung an der Elbe?
In Hamburg wird es heute sicher wieder Tränen geben. Offen ist nur: Werden es Tränen der Freude oder der Trauer sein? Die Partie im Volkspark könnte nach 2004, 2008, 2012, 2016, 2021 und 2024 das letzte große Hurra für den EM-Rekordspieler (29 Einsätze) und -Rekordtorschützen (14) werden - und Ronaldos mögliche Abschiedsvorstellung für die glücklichen Ticketinhaber ein historischer Moment.