Deutschland im Fußballfieber - EM sorgt für Partystimmung
Deutschland ist im Fußball-Fieber. Hunderttausende Menschen feiern friedlich und ausgelassen während der Heim-EM, auch Hamburg zog eine positive Zwischenbilanz. Damit war vor dem Turnier nicht zwingend zu rechnen gewesen.
Steckt Deutschland schon im Sommermärchen 2.0? Seit zehn Tagen läuft die Euro, und die Stimmung in den Städten ist überschwänglich, fast schon euphorisch - Tendenz steigend. Am Sonntagabend verfolgten Hunderttausende auf den Fanmeilen der Städte das Deutschland-Spiel gegen die Schweiz, alleine 45.000 Menschen feierten auf dem Heiligengeistfeld in Hamburg.
"Das übertrifft unsere Erwartungen. Wir können uns die Stimmung auf der Fanzone und im Public Viewing nicht besser vorstellen", berichtete Miriam Spengler, Sprecherin des Hamburger Fanfests. Bereits am Sonnabend, also eine gute Woche nach Turnierbeginn, hatten die Veranstalter in der Hansestadt mehr als 200.000 Besucherinnen und Besucher verzeichnet.
"Das ist ein schönes Gefühl", sagte Bundestrainer Julian Nagelsmann. Der Nationalmannschaft werden ab und an Zusammenschnitte der Partys in den Fanzonen vorgespielt.
Über 25 Millionen Menschen vor den Bildschirmen
Das 1:1 mit dem späten Tor von Niclas Füllkrug, das mit jenem stimmungslösenden Treffer von Oliver Neuville beim Sommermärchen 2006 im zweiten Gruppenspiel gegen Polen verglichen wurde, verfolgten allein im Ersten im Schnitt 25,566 Millionen Menschen. Weit über ein Viertel der deutschen Bevölkerung.
Mit diesem Zuspruch war in Zeiten von Kriegen und Krisen vor dem Turnier nicht unbedingt zu rechnen gewesen, weit weg war der WM-Jubel von 2014 vor dem tristen Hintergrund von Terror, Rechtspopulismus, Corona, Ukraine-Krieg und aus deutscher Fußballsicht auch zuhauf vermasselten Leistungen des DFB-Teams.
EM sorgt für neue Leichtigkeit
Und nun? Schwappt eine neue Leichtigkeit durch die Fan-Zonen und durch die Straßen, die während der Spiele der deutschen Mannschaft wie leergefegt sind. Wimpel, Fähnchen, gute Laune, ein fast vergessenes "Wir-Gefühl" bricht sich Bahn. Die Oranje-Fans zogen vor ihren EM-Partien friedlich singend und bunt durch die deutschen Städte, was auch die niederländische Regionalzeitung "De Twentsche Courant Tubantia" erfreut zur Kenntnis nahm: "Während wir uns in Europa über alles und jeden streiten, ist die EM erst einmal ein Sommer der Liebe, wie die Deutschen so schön sagen", schrieb das Blatt.
Bislang keine nennenswerten Zwischenfälle
Der englische "Guardian" veröffentlichte am Montag eine Fotoreihe mit Motiven "abseits der Action", die auch das friedliche Miteinander von Fangruppen zeigen. "Die Fußballfans aus den unterschiedlichsten Nationen sorgen für eine einmalige und außergewöhnliche Atmosphäre in der Stadt", teilten die Macher der Kölner Fanzonen mit. Und aus Hamburg hieß es: "Es sind vor allem die friedlichen und begeisterten Fans aus Hamburg, Deutschland und ganz Europa, die hier eine großartige Atmosphäre schaffen."
Die Nationen begegneten sich friedlich und mit Sportsgeist, es zeige sich, dass das Motto "United by football" kein Wunschdenken sei, so Spengler: "Hamburg ist bunt, es ist das Tor zur Welt, und das gute Miteinander zeigt sich auch auf dem Hotspot Fanzone."
Sowohl in den Stadien als auch in den Fanzonen gab es bislang kaum nennenswerte Zwischenfälle. Die Polizei ist mit Großaufgeboten im Einsatz, das Deutsche Rote Kreuz zog für die ersten EM-Tage ein positives Zwischenfazit. Hässliche Plakate und Gesänge mit rechtsnationalem Inhalt kamen zwar vor - aber nicht in Massen mit größerer internationaler Beachtung.
Turnierdirektor Lahm: "Sind sehr zufrieden"
Für die EM-Organisatoren sind die Bilder der großen Menschenmassen beispielsweise am Brandenburger Tor, auf dem Hamburger Heiligengeistfeld oder am Mainufer eine Art beruhigende Bestätigung. "Insgesamt sind wir sehr zufrieden, wir spüren das auch bei den Gästen", sagte Turnierdirektor Philipp Lahm, der seine eigene Verspätung mit der Deutschen Bahn zuletzt gelassen hinnahm. Infrastrukturelle Mängel im Land werden in den EM-Tagen deutlich, aber nicht zum Partycrasher. Die Europäische Fußball-Union UEFA gibt offiziell eine Vollauslastung der EM-Stadien an.
In der Hauptstadt rechnet Christian Tänzler von visitBerlin mit einem positiven Langzeiteffekt. Gerade die Bilder vom Brandenburger Tor mit der berühmten Fanmeile können "einen enormen Werbeeffekt bewirken, der sich nachhaltig positiv auf die Tourismusentwicklung und das Image Berlins auswirken wird".
Hoffnung, dass Deutschland weit kommt
Natürlich spielt auch die deutsche Mannschaft mit und überzeugte in der Gruppenphase. Doch noch ist Luft nach oben: Bei der Vor-Corona-EM 2016, bei der die DFB-Auswahl im Halbfinale ausschied, waren noch deutlich mehr Menschen auf den Straßen unterwegs. Nach dem 0:2 gegen Gastgeber Frankreich war die Party dann aber schnell vorbei. "Wir wünschen uns natürlich, dass Deutschland weit kommt und das Wetter nun sommerlich bleibt", so die Fanzonen-Organisatoren in Hamburg.