Phänomen Füllkrug: Auf den Spuren von Stürmer-Ikone Gerd Müller
Mit seinem späten Treffer zum 1:1 gegen die Schweiz hat Niclas Füllkrug Deutschland den Gruppensieg bei der Heim-EM gerettet. Es war "Fülles" 13. Tor im 19. Länderspiel - eine beeindruckende Quote. Der Hannoveraner und das DFB-Trikot sind wie füreinander gemacht.
Die Zeit blieb gefühlt ein bisschen stehen im Frankfurter Stadion, als sich Niclas Füllkrug in der Nachspielzeit hochschraubte. Bis dahin hatten wohl nicht mehr viele an ein Tor der deutschen Nationalmannschaft im dritten EM-Gruppenspiel gegen die Schweiz geglaubt und sich mit der drohenden 0:1-Niederlage schon angefreundet. Doch auf Joker "Fülle" war Verlass.
"Du bist die geilste Sau auf Erden"
Technisch anspruchsvoll setzte er den Kopfball gegen die Laufrichtung von Torwart Yann Sommer perfekt ins Eck. 1:1, Gruppensieg, Sommermärchen-Stimmung trotz eines schwachen Spiels gerettet - dank Füllkrug!
"Das Tor war ein ganz wichtiger Moment, fürs Land, für uns, für die Mannschaft, für die Spieler. Im Nachhinein wird das mit Sicherheit ein Knackpunkt-Spiel gewesen sein." Niclas Füllkrug
"Du bist die geilste Sau auf Erden", schrieb Bruder Mika via Instagram, dazu ein Herz- und zwei Flammen-Emojis. Füllkrug antwortete belustigt mit "Haha" und Lach-Smiley. Breit grinsend erzählte er von seinem vierten Joker-Tor bei einer WM oder EM - einfach war es nicht. Per Kopf habe er "Tempo aus dem Ball rausnehmen" müssen, sonst hätte er ihn nicht "versenken" können.
Füllkrug ist ein kleines Phänomen. Ende 2022 debütierte der Hannoveraner als 29-Jähriger in der Nationalmannschaft, traf im letzten Testspiel vor der WM in Katar zum 1:0-Sieg gegen den Oman. Gut eineinhalb Jahre später darf der BVB-Profi die Heim-EM spielen und hat zwölf weitere Tore geliefert, davon einige wichtige wie jetzt gegen die Schweiz.
Nur Morlock und Müller besser als "Fülle"
Mehr Treffer in den ersten 19 Partien im Nationaltrikot haben nur zwei Spieler vor Füllkrug erzielt: Max Morlock (19 Spiele, 19 Tore) und der "Bomber der Nation" Gerd Müller. "Kleines dickes Müller" kam auf 17 in seinen ersten 19 DFB-Auftritten und war auf seine Art und Weise ebenfalls ein Phänomen. Der Weltmeister von 1974 passte mit seinem Körperbau und seiner Spielweise nicht so recht in das Profifußball-Schema, hatte aber einen unvergleichlichen Torriecher und am Ende seiner Nationalmannschaftskarriere 68 Treffer in 62 Spielen markiert.
50 Jahre später fällt Füllkrug ebenso etwas aus dem DFB-Rahmen. Neben den Feinfüßler-Stammpersonal Jamal Musiala, Florian Wirtz und eben Kai Havertz in der Sturmspitze kommt der 31-Jährige etwas hölzern daher, ist aber genau der "Dosenöffner", den die DFB-Elf immer wieder braucht.
Füllkrug: "Brutal geiler Moment"
"Ich lieb's einfach, das macht mir total viel Spaß", sagte Füllkrug nach dem Schweiz-Spiel und beschrieb sein Tor als "brutal geilen Moment". Und das ist es, was ihn im Vergleich zum manchmal etwas zu verzockt und verzagt wirkenden Leroy Sané so wertvoll macht. Er will auf dem Platz nicht zaubern, er will Tore schießen - für Deutschland, mit jeder Faser seines 1,89 Meter großen Körpers.
"Die Schweizer haben es vor allem im Zentrum hinten super gemacht. Da kamen unsere Zocker nicht immer durch." Niclas Füllkrug
Wird ihm das am kommenden Sonnabend einen Startplatz für das EM-Achtelfinale gegen England, Dänemark, Slowenien oder Serbien einbringen? Vermutlich nicht, auch wenn Julian Nagelsmann die Tür aufmachte. "Er liefert Argumente für beide Sachen: als Joker weiter zu fungieren, weil er es super macht, oder eben auch mal von Beginn an. Das ist Freud und Leid für ihn zugleich, dass er die Rolle gut erfüllt", sagte der Bundestrainer. "Er hat jetzt eine Woche Zeit, Gas zu geben. Wie alle anderen auch."
Nagelsmann kann sich darauf verlassen, dass Füllkrug genau das tun und zur Stelle sein wird, wenn er ihn braucht - ob von Beginn an oder eben von der Bank.