Der "neue" HSV: Breite Brust und breiter Kader
Erstmals in dieser Saison steht der HSV in der Tabelle der 2. Fußball-Bundesliga unter den Top 3. Dazu kommen zwei Erkenntnisse: Die Hamburger können verteidigen und offenbar auch den Ausfall von Top-Torjäger Robert Glatzel verkraften.
Alle Jahre wieder heißt es beim mittlerweile zum Zweitliga-Dino gealterten HSV: Diese Saison klappt es wirklich. Sechsmal misslang die Bundesliga-Rückkehr - und diesmal? Das 3:1 am Sonntag gegen den bislang ungeschlagenen 1. FC Magdeburg lieferte mehrere Indizien dafür, dass es bei den Hanseaten in dieser Spielzeit möglicherweise besser und stabiler laufen kann als in den Jahren zuvor.
Schon vor der Partie hatte HSV-Coach Steffen Baumgart betont, für den monatelang verletzt fehlenden Glatzel keinen namhaften neuen Stürmer wie beispielsweise den derzeit vereinslosen Eric Maxim Choupo-Moting verpflichten zu wollen. Er setze lieber auf den vorhandenen Kader.
Diese vertrauensbildende Maßnahme zeigte Wirkung: Nach dem 1:0 durch Glatzel-Ersatz Ransford-Yeboah Königsdörffer feierten die HSV-Spieler, indem sie ein Trikot ihres verletzten Stars hochhielten und damit den Zusammenhalt des Teams demonstrierten. Zudem erzielte Glatzels Sturmpartner Davie Selke bereits seinen vierten Treffer in den jüngsten fünf Spielen.
Die Erkenntnis: Im HSV-Kader herrscht ein gesunder Konkurrenzkampf, der es ermöglicht, Ausfälle von Leistungsträgern zu kompensieren. Ein Beispiel ist in dieser Hinsicht auch Defensiv-Allrounder Noah Katterbach: Nach sechs Partien, in denen er nur auf der Bank saß, stand er die jüngsten drei Spiele stets in der Startelf und belohnte sich gegen Magdeburg mit einem Tor. Dafür gab es ein Sonderlob von Baumgart: "Dann ist doch schön, wenn einer trainiert, trainiert, trainiert. Eigentlich eher eine untergeordnete Rolle spielt, dann reinkommt und dann so eine Leistung abruft."
Die nötigen Zweitliga-Tugenden sind da
Indiz Nummer zwei für den "neuen HSV": In seinem siebten Zweitligajahr beherrscht er inzwischen endlich die nötigen Zweitligatugenden und kann auch pragmatisch verteidigen, wo es in den vergangenen Jahren unter Tim Walter immer nur dogmatisch nach vorn ging. So geriet der Sieg gegen Magdeburg auch dann nicht mehr in Gefahr, als die Partie nach der Roten Karte für Sebastian Schonlau und dem kurz danach folgenden 1:3 zu kippen drohte.
"Das Gesicht der ersten Hälfte und die Einstellung in der zweiten ist das, was ich mir vorstelle." HSV-Coach Steffen Baumgart
"Es war überragend, wie wir es zu zehnt verteidigt haben", sagte Katterbach. "Und es ist schön zu sehen, dass der Prozess Formen annimmt. Die Entwicklung als Mannschaft ist super. Da müssen wir jetzt weitermachen." So zeigte sich denn auch der HSV-Coach ungewohnt begeistert von seiner Mannschaft: "Wir haben erst richtig gut gespielt, danach hatten wir richtig gute Verteidigungsaktionen. Das Gesicht der ersten Hälfte und die Einstellung in der zweiten ist das, was ich mir vorstelle. Wir haben eine Truppe gesehen, die ihr Herz auf dem Platz gelassen hat."
HSV in der Spur, aber hanseatisch zurückhaltend
Anfang des Monats ließ sich die Bilanz des HSV mit "weder Fisch noch Fleisch" beschreiben, das anstehende Gastspiel bei Fortuna Düsseldorf war ein Gradmesser für den weiteren Saisonverlauf. Die Hamburger fügten dem Tabellenführer ebenso die erste Saisonniederlage zu (3:0) wie jetzt den bisher zweitplatzierten Magdeburgern.
Der HSV ist nun sechs Zweitliga-Spiele ungeschlagen, das gelang im Vorjahr kein einziges Mal. Trotzdem bleibt man an der Elbe vor der nächsten Aufgabe - am Sonnabend (13 Uhr, im NDR Livecenter) bei der SV Elversberg - hanseatisch zurückhaltend, wie Angreifer Selke betonte: "Wir sollten das nicht überbewerten. Es ist noch ein langer Weg, aber wir sind gerade auf dem richtigen."