Schwangerschaft und Sport: Fragen und Antworten
Schwangerschaft und Sport - passt das zusammen? Sehr gut sogar, sagt Marion Sulprizio von der Deutschen Sporthochschule in Köln. Die Leiterin des Arbeitskreises "Schwangerschaft und Sport" erklärt, was werdende Mütter beachten sollten und warum für Leistungssportlerinnen wie Hindernis-Europameisterin Gesa Krause andere Regeln gelten.
Ist Sport in der Schwangerschaft gut?
"Wer schwanger ist, muss sich schonen und Ruhe halten." Eine alte Weisheit, die mittlerweile überholt ist, sagt Expertin Marion Sulprizio. Die umfassende Studienlage zeige, dass Sport in der Schwangerschaft sogar gesund für Mutter und Kind ist. Wer vorher sportlich nicht aktiv war, solle die Schwangerschaft nutzen, um das zu ändern. Einige Faktoren müssen jedoch beachtet werden.
Zunächst muss die behandelnde Gynäkologin grünes Licht geben. In welchen Dimensionen dann trainiert werden kann, hängt laut Sulprizio maßgeblich davon ab, wie viel Sport die Schwangere vorher gemacht hat. Eine Leistungssportlerin könne selbstverständlich anders trainieren als jemand, der sich in der Freizeit ein bis zwei Mal die Woche bewegt hat.
Welche Sportarten eignen sich für Schwangere?
Geeignet sind vor allem Ausdauersportarten, die keinen "High Impact" haben, bei denen also nicht gesprungen oder gehüpft wird. Dazu gehören Laufen, Schwimmen, Radfahren und Nordic Walking, um nur einige zu nennen. Dabei soll darauf geachtet werden, nicht "extrem aufzutrampeln, sondern eine schöne Abrollbewegung zu machen", sagt Sulprizio.
Ebenfalls empfehlenswert sind Yoga und Pilates. Mannschaftssport steht nicht ganz oben auf der Liste geeigneter Sportarten, kann die werdende Mutter in abgewandelter Form aber weiter ausüben.
Beim Handball kann sie beispielsweise technische Elemente weitertrainieren oder beim Volleyball das Baggern oder Pritschen perfektionieren. "Ein Hechtbagger, bei dem sich die Schwangere auf den Bauch wirft", sei selbstverständlich ein No-Go. All das, was die Schwangere gut beherrscht und kontrollieren kann, darf sie auch weiter machen.
Welche Sportarten sollten Schwangere meiden?
Nicht gut für Mutter und Kind sind Kampfsportarten, Stoß- und Tretbewegungen. Sulprizio rät von Judo, Karate und Kickboxen dringend ab, zumindest, wenn ein Gegner im Spiel ist. Ebenfalls nicht empfehlenswert sei es, "zu hoch in die Berge zu klettern". In der Höhe reduziert sich die Sauerstoffversorgung für das Baby. Das gleiche gilt für das Tiefseetauchen, welches darüber hinaus zu wenig erforscht sei.
Auch rät die Wissenschaftlerin von Sportarten ab, bei denen man stürzen kann. Bouldern, Hüpfen und Springen bringen die Gefahr mit sich umzuknicken. Das Risiko ist in der Schwangerschaft erhöht, da die Frau lockerere Bänder hat. Ein Umknicken würde dem Baby zwar zunächst nicht schaden, doch eine Schwangere kann medikamentös nicht gut versorgt, geschweige denn operiert werden.
"Wie lange kann ich noch reiten?", wird Sulprizio häufig gefragt. Das Reiten selbst sei nicht das Problem, erklärt die Expertin, doch ein möglicher Abwurf birgt große Risiken für Schwangere. Die Frau muss ihr Pferd also enorm gut einschätzen können, doch das Risiko zu fallen bleibt.
Welche positiven Effekte hat Sport in der Schwangerschaft?
Physiologische Effekte:
Es gibt eine gute Studienlage, die zeigt, dass die Schwangere nicht übermäßig an Gewicht zunimmt und dass Rückenschmerzen und Bänderbeschwerden, mit denen viele werdende Mütter zu kämpfen haben, durch den Sport abgeschwächt werden. Vielversprechend ist auch, dass Sport gefährliche Erkrankungen wie Schwangerschaftsdiabetis oder eine Schwangerschaftsvergiftung reduzieren kann.
Und auch was den anstehenden Geburtsverlauf betrifft, kann der Sport sich positiv auswirken. Studien zeigen, dass während der Geburt von sportlich aktiven Schwangeren seltener Eingriffe, wie Saugglocken oder PDAs, nötig sind.
Die Gebärende kann oft besser mit Schmerzen umgehen. "Die Geburt kann man auch ein bisschen wie einen Wettkampf sehen", sagt Sulprizio, "da muss man konditionell was draufhaben und das triggert man natürlich mit Sport."
Psychologische Vorteile:
Mit Stimmungsschwankungen während der Schwangerschaft oder dem sogenannten "Babyblues" nach der Geburt haben viele Frauen zu kämpfen. Schuld sind besonders die sich verändernden Hormone. Studien belegen, dass diese Gemütsveränderungen und auch die Gefahr von Depressivität deutlich verringert werden, wenn die Schwangere Sport treibt. Denn wer sich bewegt, der schüttet weniger Stresshormone aus.
Aber nicht nur Hormone können durch Sport beeinflusst werden, auch die Sichtweise auf Dinge. "Wenn ich joggen gehe, bin ich in der Natur, dann habe ich frische Luft, Ablenkung und bin nicht in negative Gedanken versunken", erklärt Sulprizio.
Wo sind die sportlichen Grenzen für Schwangere?
"Moderat ist das Zauberwort", erklärt die Wissenschaftlerin. Das schließt Sport, bei dem die Schwangere an ihre Grenzen geht und Topleistung bringt aus. Die Grenze ist aber bei jedem anders. Ausschlaggebend ist, wie hoch die Belastung vor der Schwangerschaft war. "Früher hat man immer gesagt, man soll den Pulsbereich von 140 nicht überschreiten, das ist aber eigentlich nicht individuell genug", so Sulprizio.
Wichtig ist, dass die Schwangere genug Sauerstoff hat und nicht nur "auf Energiebereitstellung durch ihre Muskeln zurückgreift". Sulprizio rät dringend, anaerob zu trainieren und im Wohlfühlbereich zu bleiben. Für Freizeitsportler gilt: "Wenn man sich beim Laufen gut unterhalten kann, dann ist es gut." Ansonsten droht eine Unterversorgung des Babys: Sauerstoffmangel und zu wenig Nährstoffe, die in der Gebärmutter ankommen.
Wie sieht es bei Leistungssportlerinnen aus?
Gesa Krause, zweimalige Europameisterin und WM-Dritte über 3.000 Meter Hindernis, ist in der 22. Schwangerschaftswoche beim Silvesterlauf in Trier an den Start gegangen. Als 20. kam sie nach fünf Kilometern ins Ziel. Der öffentliche Aufschrei war groß.
"Gerade wenn man aus dem Leistungssport kommt, ist es gar nicht gut, auf ein Mini-Niveau runterzufahren. Aktiv zu bleiben, ist wichtig. Ein gutes Vorbild also, gut gemacht", sagt Sulprizio dazu. Krause ist dabei nicht an ihre Grenzen gegangen, hat keine Topleistung abgerufen und sich vorab medizinisch beraten lassen. Eine schwangere Leistungssportlerin kann eben anders weitertrainieren, als eine Freizeitsportlerin.
Wo kann ich mich als Schwangere beraten lassen?
Eine medizinische Betreuung durch die behandelnde Gynäkologin ist für sporttreibende Schwangere zwingend nötig. Außerdem bietet der Arbeitskreis "Sport und Schwangerschaft" an der Sporthochschule Köln ein Online-Coaching rund um das Thema Schwangerschaft und Sport an: https://www.dshs-koeln.de/sport-und-schwangerschaft/
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