Flug gestrichen: Was können betroffene Kunden tun?
Wegen Personalmangels hat die Lufthansa-Gruppe Tausende Flüge in den Ferienmonaten gecancelt. Welche Rechte haben Reisende bei Annullierungen? Die Verbraucherzentrale Hamburg gibt Antworten.
Die Deutschen packt wieder die Reiselust: Erstmals seit Beginn der Corona-Pandemie steigen die Passagier-Zahlen deutlich an. Doch wegen der Krise in der Luftfahrtbranche haben sich viele Beschäftige andere Jobs gesucht. Beim Flug- und beim Bodenpersonal herrscht akuter Personalmangel, sodass die anziehende Nachfrage nicht bedient werden kann. Die Folge: Die Lufthansa hat weitere 2.200 Flüge in der Hauptferienzeit an den Drehkreuzen in Frankfurt am Main und in München gestrichen - zusätzlich zu den bereits Anfang Juni angekündigten 900 Verbindungen an Freitagen und Wochenenden im Juli. Auch Tochterfirmen sind betroffen: Eurowings strich rund 100 Flüge im Juli. Die Tochter Swiss verringert ihr Angebot von August bis Oktober um fast 700 Verbindungen. Bei Brussels Airlines sind es während der Sommerferien ebenfalls fast 700 Flüge.
Was Urlauber jetzt beachten müssen und welche Rechte sie haben, erklärt Julia Rehberg von der Verbraucherzentrale Hamburg im Interview mit NDR Info:
Wie gut bin ich grundsätzlich als Flugreisender vor Ausfällen geschützt?
Julia Rehberg: Es gibt durch die Fluggastrechteverordnung für den Verbraucher schon einiges an Schutz - gerade wenn Flüge kurzfristig annulliert werden. Liegen zwischen Annullierung und Abflug 14 Tage oder weniger, habe ich in der Regel auch einen Anspruch auf Ausgleichszahlung. Da gibt der Gesetzgeber durch die Fluggastrechteverordnung klare Regeln vor.
Lufthansa und Eurowings streichen auch Flüge in den Sommermonaten, die weiter in der Zukunft liegen als 14 Tage. Wie sollten betroffene Urlauber damit umgehen?
Rehberg: Es kann unserer Auffassung als Verbraucherzentrale nicht sein, dass eine Fluggesellschaft einen Vertrag mit einem Kunden schließt und im Nachhinein sagt: Nein, das mache ich doch nicht. Daher sollte man sich als erstes mit der Fluggesellschaft in Verbindung setzen und sie auffordern, eine anderweitige Beförderung zu dem Ziel zu besorgen. Diese Gelegenheit muss man der Fluggesellschaft gewähren. Diese kann die Kunden auf einen anderen Flug umbuchen oder eine Fahrt per Bahn organisieren.
Welche Alternative darf eine Fluggesellschaft anbieten?
Rehberg: Die Alternative muss vergleichbar sein in den Reisebedingungen und zum frühestmöglichen Termin stattfinden. Strittig könnte es werden, wenn die gebuchte Fluggesellschaft beispielsweise immer nur donnerstags fliegt: Muss mir die Fluggesellschaft dann auch den Flug bei einer anderen Fluggesellschaft zahlen, der deutlich früher - etwa am Freitag - stattfindet? Wir von der Verbraucherzentrale sagen: im Regelfall ja, die Fluggesellschaft muss auch auf andere Anbieter ausweichen.
Was ist, wenn mir eine Fluglinie eine Alternative anbietet, mit der ich nicht einverstanden bin?
Rehberg: Einen Anspruch auf Geld zurück habe ich immer, wenn der Flug annulliert wird. Ich habe also die Möglichkeit zu sagen: Ich möchte gar nicht mehr, ich möchte mein Geld zurück - dann komme ich aber auch nicht zum Ziel. Was aber, wenn ich auf die Reise angewiesen bin und eigenständig eine Alternative gefunden und gebucht habe? Kommt die Fluggesellschaft ihrer Verpflichtung, Sie frühestmöglich zum vereinbarten Ziel zu befördern, nicht nach, muss sie nach unserer Auffassung etwaige Mehrkosten für den Alternativflug bei einer anderen Fluggesellschaft erstatten.
Allerdings: In der Praxis muss man sich eventuell auf einen Streit mit der Fluggesellschaft einstellen. Sollte es keine Einigung geben, hat man immer noch die Möglichkeit, sich an die Schlichtungsstelle zu wenden - das ist für den Verbraucher kostenneutral.
Wer kommt für mögliche Folgekosten auf - etwa Hotelkosten, auf denen Verbraucher sitzen bleiben?
Rehberg: Unserer Auffassung nach hat die Airline auch die Folgeschäden wie zum Beispiel Hotelkosten zu ersetzen, wenn sie nicht nachweisen kann, dass sie kein Verschulden an der Annullierung trifft. Allerdings besteht eine Schadensminderungspflicht. Verbraucher müssen den Schaden möglichst gering halten: Wenn zum Beispiel ein Flug, der noch am gleichen Tag geht und weniger kostet als die Folgekosten, die entstehen, wenn ich gar nicht fliege, dann müsste ich mich für den Flug entscheiden. Zudem kann die Haftung für Folgeschäden mittels AGB auf grob fahrlässiges Verhalten begrenzt werden.
Was passiert, wenn ich eine Pauschalreise gebucht habe?
Rehberg: In diesem Fall ist erstmal der Reiseveranstalter am Zug, mit dem ich den Vertrag geschlossen habe. Im Zweifelsfall bekomme ich gar nicht mit, ob mich der Veranstalter mit Fluggesellschaft A oder B befördert. Das heißt, er muss sich um den Alternativflug kümmern und nicht ich. Geht mir dadurch aber zum Beispiel ein Urlaubstag verloren, dann hätte ich Anspruch gegen den Reiseveranstalter für den verlorenen Tag vor Ort.
Das Interview führte Philipp Weber, NDR Info