In der Kommunalpolitik herrscht Nachwuchsmangel
In vielen Gemeinden suchen Parteien und Wählergemeinschaften gerade händeringend nach Kandidaten für die Kommunalwahlen im Mai. Warum ist es so schwer, junge Menschen für das Ehrenamt zu gewinnen?
Am 20. März müssen die Wahllisten aus allen Kommunen stehen. Vielerorts scheitert es allerdings schon daran, Kandidaten für die Liste aufzustellen. Die bestehenden Fraktionen sind überaltert und schrumpfen. Neue Leute kommen nur selten dazu. NDR SH hat mit Gemeindevertretern, Bürgermeistern und Nachwuchspolitikern gesprochen, um zu verstehen, was es mit dem Nachwuchsmangel in der Kommunalpolitik auf sich hat.
Eine Wahl ohne Wahl
Bei Wiegold Decke, dem Fraktionsvorsitzenden der FDP in Stuvenborn (Kreis Segeberg), gibt es Schwarztee mit reichlich Kluntje. Auf dem Wohnzimmertisch liegen ein Ringordner und ein Fotobuch. Hat er schon Mal für den Besuch vorbereitet, sagt er. Sauber abgeheftete Zeitungsausschnitte und und Einladungsflyer erinnern an die Zeit, in der Decke und seine Parteikollegen das Dorf regelmäßig zusammengebracht haben. Biikebrennen, Pfingsttreff, Rübenmusessen - das alles organisiert er schon lange nicht mehr. Ihm fehlen die Leute, die mit anpacken. Auch für die Kommunalwahl.
Am 14. Mai wird es in Stuvenborn eine Wahl ohne Wahl geben. Denn der SPD und der FDP fehlen die Kandidaten. In der Gemeinde mit knapp 900 Einwohnern tritt zur Kommunalwahl nur die CDU an.
Unsere FDP, die wird in diesem Jahr nicht mehr antreten. Fast alle Mitglieder, die wir hatten, sind weggestorben. Wiegold Decke, Fraktionsvorsitzender FDP Stuvenborn
Früher war die FDP einmal ein großer Ortsverein. Jetzt sind sie nur noch zu dritt. Es wäre an der Zeit, dass die jüngeren übernehmen. Doch die sind nur schwer zu gewinnen. Sich für fünf Jahre in einem Ehrenamt verpflichten? Das wolle heutzutage kein junger Mensch mehr machen, erklärt Decke. Außerdem hätten viele derer, die neu zuziehen einfach kein Interesse am Dorfleben mehr. Decke beklagt, er habe vergeblich versucht junge Menschen anzusprechen.
Den Jüngeren mehr zutrauen
"Die Leute, die wir angesprochen haben, die fanden viele Sachen gut, die fanden viele Sachen toll, aber mitmachen wollte auch keiner und mehr kannst du nicht machen", sagt Decke.
Kann man doch - findet zumindest Stuvenborns Bürgermeister Rainer Ahrens. Er ist zwar auch schon seit 26 Jahren im Amt, aber seine CDU hat als einzige Partei in Stuvenborn eine Liste an Kandidaten für die diesjährige Kommunalwahl. Er sagt, die anderen seien selber Schuld. Man müsse den Jüngeren einfach mehr zutrauen. Der jüngste Kandidat auf seiner Liste ist 24. Die CDU Fraktionsvorsitzende im Ort, Viktoria Gloyer, ist 34. Sie kann verstehen, dass andere junge Menschen davor zurückschrecken, in die Kommunalpolitik zu gehen. "Ich glaube, es ist ein großes Imageproblem, dass man häufig denkt, das ist ein Club von älteren Männern. Das ist ja auch häufig so. Und das schreckt junge Leute eher ab, glaube ich."
Zu wenig Handlungsspielraum
Im Nachbarort Sievershütten (Kreis Segeberg) hört Bürgermeister Stefan Weber nach 15 Jahren jetzt auf. Auch für seine SPD kandidiert in diesem Jahr hier keiner. "Das ist ja nicht nur ein Phänomen bei uns in der Gemeinde, wo die Parteienlandschaft immer weiter zusammenschrumpft. Das ist natürlich für die Demokratie schade", sagt er.
Weber habe erlebt, dass der regelmäßige Satz "Das haben wir schon immer so gemacht" von Alteingesessenen den Nachwuchs abschreckt. Er selbst habe immer versucht, mit der Zeit zu gehen. Der 60-Jährige pflegt eigene Facebook, Twitter und Instagram Profile, hat sogar einen Youtube Kanal. Das alleine reiche aber nicht aus. Er sagt, es müsse sich etwas an der Struktur der kommunalen Selbstverwaltung ändern, um das Amt wieder attraktiver zu machen. Junge Menschen hätten eben andere Vorstellungen davon, wie sie Beruf und Ehrenamt mit ihrem Privatleben in Einklang bringen wollen. Mit den Jahren sei aber alles immer bürokratischer und aufwendiger geworden.
"Du hast was mit Politik zu tun"
Fünf Kilometer weiter in Seth (Kreis Segeberg) wohnt Lennard Hamelberg. "Mehr - Demokratie - Wagen" prangt an der Seite des Autos vor seinem Haus. Es gehört dem Kreisjugendring Stormarn. Mit dem "Demokratiebus" fährt er an die Ida-Ehre-Schule in Bad Oldesloe (Kreis Stormarn). Vor einem Jahr machte er hier noch selbst sein Abitur, jetzt gibt er dort einen Workshop, um den Schülerinnen und Schülern die Kommunalpolitik näherzubringen.
Zum Einstieg des Workshops gibt es ein Stimmungsbild. Daumen hoch für "Ich interessiere mich sehr für Politik", Daumen runter für "Politik hat nichts mit mir zu tun". Die meisten der 17 Daumen hängen irgendwo in der Mitte. Der Zugang entstehe durch Bildung, meint Hamelberg: "Wir brauchen verpflichtenden WiPo-Unterricht, wo den Schülern schon frühzeitig gezeigt wird: Hey du hast was mit Politik zu tun. Kommunalpolitik beeinflusst dein direktes Leben."
Umgang in der Politik muss sich ändern
Bisher setzt sich Lennard Hamelberg über den Kinder- und Jugendbeirat für seine politischen Interessen ein. Dort will er auch erstmal so lange wie möglich bleiben, mit den Workshops etwas bewegen. In eine Partei einzutreten und sich für Gemeindevertretung aufstellen zu lassen - das habe für ihn noch Zeit. Auch, weil sich in seinen Augen in der Kommunalpolitik selbst etwas ändern muss: "Der Umgang in der Politik ist halt einfach sehr harsch. Letztendlich sollte das Ziel aller Politiker und Politikerinnen sein, das Wohl in der Stadt zu verbessern und nicht, auf die eigene Parteilinie zu beharren und zu zeigen, wie toll sie selber sind."