Kommunalpolitik: Die Freude am Wirken vor Ort

Stand: 10.03.2023 06:43 Uhr

Viele Parteien und Wählergemeinschaften finden nicht mehr genügend Menschen, die sich in den Gemeindevertretungen ehrenamtlich engagieren. Doch zwei Beispiele aus Schleswig-Holstein zeigen, wie viel Freude politische Arbeit vor Ort machen kann.

von Balthasar Hümbs

Das Feuerwehrhaus in der Gemeinde Högsdorf (Kreis Plön) ist momentan eine Baustelle. Zwischen Leitern, Gipsplatten und Löschfahrzeug steht Julian Scharffetter. Dass das Feuerwehrhaus bald in neuem Glanz erstrahlt, ist auch sein Werk. Der 34-Jährige ist ehrenamtlicher Bürgermeister des knapp 500-Seelen-Ortes - der jüngste Bürgermeister im Kreis.

"Das bildet den Charakter"

Ein Mann steht vor einem Raum der Feuerwehr. © NDR
Bürgermeister Julian Scharffetter aus Högsdorf freut sich über das neue Feuerwehrhaus.

Vor zwei Jahren übernahm er das Amt. In der Kommunalpolitik ist er aber schon viel länger. Seit er 19 Jahre alt war, sitzt er für die örtliche Wählergemeinschaft in der Högsdorfer Gemeindevertretung. "Ich wusste immer, was ich will", sagt der Agrarunternehmer. Er ist fest in der Region verwurzelt, machte hier seine Ausbildung, führt seinen landwirtschaftlichen Betrieb. Dinge, die andere junge Menschen in den ihren 20ern so machen - Work and Travel in Australien oder Selbstfindung auf einer Weltreise - vermisse er überhaupt nicht. "Ich mag den Austausch mit den Menschen einfach", sagt er. "Das bildet den eigenen Charakter."

Berufstätig, fünf Kinder, Kommunalpolitikerin - und Spaß dabei

Eine Frau lächelt in die Kamera. © NDR
Tanja Gill-Weller ist seit dieser Wahlperiode Gemeinderatsmitglied in Stolpe.

30 Kilometer südwestlich von Högsdorf liegt Stolpe (Kreis Plön). Hier ist Tanja Gill-Weller zu Hause. Die 41-Jährige ist viel beschäftigt: Sie leitet halbtags ein Familienzentrum, kümmert sich um ihre fünf Kinder - und sitzt als parteiloses Mitglied seit fünf Jahren in der Stolper Gemeindevertretung. "Man muss sich gut strukturieren können und Zeitfenster nutzen", meint sie. "Wenn die Kinder Hausaufgaben machen, kann ich zum Beispiel Vorlagen für Sitzungen lesen". Den Eintritt in die Kommunalpolitik hat sie noch nie bereut.

Politik für Nachbarn und Freunde

Eine Motivation von Tanja Gill-Weller: Sie will, dass ihr Zuhause lebenswert bleibt. Und auch Julian Scharffetter findet es wichtig, etwas für den Ort zu tun, in dem er lebt. "Gemeinden sind die Keimzelle der Demokratie". Scharffetter möchte mitbestimmen, wie sich sein unmittelbares Lebensumfeld entwickelt. "Es macht Spaß, weil man einfach am Bürger, am Nachbarn, an Bekannten und Freunden wirkt."

Freude am Miteinander

Doch nicht nur Verantwortungsgefühl und Gestaltungswille treiben die beiden ehrenamtlichen Kommunalpolitiker an: Die politische Arbeit vor Ort macht ihnen auch einfach Freude. "Auch wenn wir mal nicht einer Meinung sind, gehen wir nach den Sitzungen einfach mal ein Bier trinken", berichtet Tanja Gill-Weller. "Man hat ein nettes Miteinander!" Und Bürgermeister Julian Scharffetter meint: "Es ist der Dialog, der mir am Ehrenamt so viel Freude bereitet."

Keine Lust auf eine politische Karriere

Für beide ist das ehrenamtliche Engagement in der Kommunalpolitik etwas völlig anderes als der Politikbetrieb auf Landes- oder Bundesebene. Es geht ihnen um das Engagement vor Ort und nicht um den ersten Schritt auf einer politischen Karriereleiter. "Mein Grundgedanke war nie, in eine Partei zu gehen", erzählt Julian Scharffetter. Und auch Tanja Gill-Weller kann sich nicht vorstellen, einmal auf höherer Ebene Politik zu machen: "Ich glaube, da enden meine politischen Ambitionen."

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