Zu wenig Spenden: Wie Kliniken versuchen, Blut zu sparen
Die Zahl der Blutspenden ist zu gering. Kliniken müssen deshalb möglichst sparsam mit dem Blut umgehen. Die Westküstenkliniken Heide haben dafür jetzt eine Transfusions-Koordinatorin.
Wie verbunden sich Ulrike Martens diesem Ort fühlt, zeigt sich schnell. Stunden könnte sie über die Geräte im Labor der Westküstenkliniken in Heide (Kreis Dithmarschen) referieren, mit denen Mitarbeitende gerade Blutproben analysieren. Die kommen über ein ausgeklügeltes Rohrpostsystem von den Stationen geradezu angeschossen. Sauggeräusche kündigen sie an.
Besonders am Herzen liegt Ulrike Martens der "IH 500", eine beige, gut ein Meter hohe Kiste, in der sich surrend ein Roboterarm nach kleinen Probenröhrchen streckt. Durch eine verdunkelte Scheibe lässt sich beobachten, wie er Blut daraus entnimmt und weiterverarbeitet. "Der Arm kommt aus der Autoindustrie", sagt Ulrike Martens. "Er nimmt uns wahnsinnig viel Arbeit ab."
Hier im Labor soll "IH 500" helfen, Blutgruppen zu bestimmen und zu testen, wie sich das Blut von Patientinnen und Patienten mit fremdem Blut verträgt. Konserven davon stehen in der Blutbank in Kühlschränken gleich neben dem "IH 500" bereit, Menschen nach Unfällen oder bei der Therapie bestimmter Erkrankungen das Leben zu retten.
Transfusions-Koordinatorin einzigartig in Deutschland
Lange hat Ulrike Martens das Labor der Westküstenkliniken geleitet. Das ist vorbei - und trotzdem kommt sie noch täglich hierher, nur jetzt als Bluttransfusionsbeauftragte. Die Stelle ist neu geschaffen worden und ist nach Angaben der Westküstenkliniken einzigartig in Deutschland. Die Gesellschaft für Transfusionsmedizin bezeichnet sie als besonders. Und: als besonders gut.
Wie in der gesamten Bundesrepublik gibt es auch in Schleswig-Holstein zu wenig Blutspenden. Nach Daten des Blutspendediensts des DRK sank die Zahl hierzulande seit 2014 um mehr als 20 Prozent. Auch die Unikliniken, die einen eigenen Blutspendedienst haben, beschreiben auf NDR-Anfrage einen ähnlich hohen Rückgang.
Während einerseits um neue Spenderinnen und Spender geworben wird, müssen Kliniken andererseits schauen, möglichst sparsam mit dem Blut zu arbeiten. Der Umgang damit ist im Transfusionsgesetz penibel geregelt. Und zwar nicht nur im Hinblick auf die Sicherheit, sondern auch bezogen darauf, unnötige Blutgaben zu vermeiden.
Bei Ulrike Martens laufen alle Fäden zusammen
Oft liegt die Verantwortung für die Blutkonserven allein bei Ärztinnen und Ärzten, die diese Aufgabe quasi nebenher zu erledigen haben. In Heide ist dafür jetzt Ulrike Martens zuständig. "Bei mir läuft alles zusammen, was mit Tranfusionen zu tun hat", sagt sie. "Ich habe eine Schnittstellenfunktion, die die Ärzte entlasten und ihnen wieder mehr Zeit für ihre eigentliche Arbeit schaffen soll."
Ihr neuer Job - er beginnt dabei ein wenig im Alten. Also im Labor und speziell in der Blutbank, wo immer 160 Blutkonserven lagern. Das heißt: lagern sollen. Denn aufgrund der zu niedrigen Blutspenden kommt es immer wieder zu Engpässen - zu Problemen beim Befüllen der Blutbank.
Täglich kommt Ulrike Martens deshalb hierher, wirft selbst einen Blick in die auf 3,5 Grad Celsius geregelten Kühlschränke. Und spricht mit den Mitarbeitenden darüber, wie gut der kooperierende Blutspendedienst vom Deutschen Roten Kreuz nachliefern kann. Der Großteil ihrer Arbeit allerdings findet im Büro statt.
Dazu gehört zum Beispiel das akribisch Auswerten von Blutanalysen. Außerdem spricht die Transfusions-Koordinatorin mit Ärztinnen und Ärzten über die Notwendigkeit von Blutgaben. Hier haben sich die Grenzwerte, ab denen diese anotwendig sind, in den vergangenen Jahren stetig verändert. Gemeinsam überlegen sie außerdem, wie Patientinnen und Patienten so auf Operationen vorbereitet werden können, dass sie möglichst wenig oder gar kein Fremdblut benötigen.
Koordinationsstelle medizinisch sinnvoll - und auch finanziell
Auch der OP-Plan wird besprochen - und richtet sich dann nach Möglichkeit an den Beständen der Blutbank aus. Auf diese Weise werden Blutbestellungen planbarer, weniger Konserven werden "schlecht" - und teure Extrafahrten des Blutspendedienstes (manchmal begleitet von der Polizei, daher auch "Blaulichtfahrten" genannt) vermieden.
"Wenn ich meinen Job richtig mache, dann freut sich der medizinische wie der kaufmännische Direktor", sagt Ulrike Martens und lacht. Rein finanziell sieht die Klinik das Einsparpotenzial durch ihre Stelle im hohen fünfstelligen Bereich. Der Wert des Bluts, das nicht verschwendet wird und stattdessen Leben rettet - für Ulrike Martens unbezahlbar.
Eine ganz praktische Lösung fürs Blutsparen hat die Transfusionskoordinatorin schon eingeführt: kleinere Probenröhrchen für Blutentnahmen, vier Milliliter statt 7,5 Milliliter. "Klingt wenig, aber gerade bei Intensivpatienten, deren Blutwerte oft gemessen werden müssen und die oft körperlich schwach sind, kann das helfen, Blutkonserven zu sparen".
Blutsparen allein reicht nicht
Nur: Sparsamkeit allein, sagt Ulrike Martens, werde das Grundproblem nicht lösen. "Wenn man sich die demografische Entwicklung anschaut, dann werden wir bald viele der heutigen Spender nicht mehr haben, während gleichzeitig der Bedarf in unserer alternden Gesellschaft wächst."
Experten zufolge könnten rund 30 Prozent der Bevölkerung Blut spenden - doch nur zwei bis drei Prozent tun es. Wenn fünf Prozent regelmäßig zur Blutspende gehen würden, könnte das schon für eine sichere Versorgung mit Blut reichen. Ulrike Martens findet: "Blutspenden muss wieder schick werden!"