Zeitreise: 30 Jahre Literaturmuseum Buddenbrookhaus
Im Mai 1993 wurde es eröffnet, seitdem zieht das Lübecker Museum jedes Jahr zehntausende Menschen aus aller Welt an.
Das bekannte Haus in der Lübecker Mengstraße spielte aber auch schon, bevor es zum Buddenbrookhaus-Museum und Heinrich-und-Thomas-Mann-Zentrum wurde, eine wichtige Rolle in der Lübecker Stadtgeschichte.
Ein symbolischer Ort
"Ich wusste einen Ort, einen sicheren Hafen, sozusagen, wo ich zu Hause und geborgen war, wohin ich mich flüchten konnte, vor allem Ungemach des Lebens. Dies Haus hier war mein 'Mal' im Leben, Tom", erklärt Romanfigur Tony Buddenbrook ihrem Bruder die Bedeutung des Hauses in der Mengstraße für sie persönlich - kurz bevor die Familie im Roman das Haus verkaufen muss. Diese Worte, die Thomas Mann seiner Romanfigur in den Mund legte, dürften zum Teil auch seine eigenen Gefühle widerspiegeln: "Dieses Haus hat er wirklich auch als einen symbolischen Ort gesehen. Als einen Ort, der für etwas steht: Für dieses Lübeck, für diese Herkunft, für die eigene Familie", erzählt Dr. Birte Lipinski, die seit 2014 das Museum im Haus leitet.
Altes Familienhaus - im Roman und Realität
Für Thomas Mann und seine Geschwister war das Haus in der Mengstraße, das Haus ihrer Großeltern, der Ort, an dem die Familie zusammen kam, Feste gefeiert wurden - ein zweites Zuhause. 1901 nahm er es als literarisches Vorbild für den Hauptschauplatz seines ersten Romans. "Buddenbrooks. Verfall einer Familie" machte Thomas Mann berühmt, später zum Nobelpreisträger und das Giebelhaus in der Lübecker Altstadt weltbekannt. Detailliert beschrieb der Schriftsteller im Roman das Gebäude und die Einrichtung des Buddenbrookhauses. Vieles davon entsprach seinen eigenen Erinnerungen an die Mengstraße, so Dr. Birte Lipinski. "Ich finde, das ist schon etwas wirklich Besonderes: Man steht hier vor dieser Fassade, erkennt sie wieder. Und wenn man Literatur liebt, dann kann man doch eigentlich nichts schöner finden, als wenn man mal plötzlich in diesem Ort steht, den man da gelesen hat."
Prestigeträchtige Adresse seit dem Mittelalter
So geht es auch Historikerin Ann-Mailin Behm: "Immer, wenn ich hier vorbeigehe, dann ergreift mich dieses Lübecker Gefühl, könnte man sagen". Ausschlaggebend für diese besondere Ausstrahlung des Ortes ist neben Thomas Manns berühmtem Roman auch die bedeutungsvolle Geschichte vor den Manns. Denn: Das Haus, wie wir es heute kennen, gibt es erst seit Mitte des 18. Jahrhunderts. Ein erstes Haus stand aber schon 1289 auf dem Grundstück: Die Mengstraße war immer eine prestigeträchtige Adresse in Lübeck, schon im Mittelalter. "Es war, auch mit der Königstraße zusammen, hier natürlich der höchste Ort, auch mit der Marienkirche auf dem Hügel. Hier wohnte mehr oder minder die High Society von Lübeck, also die Ratsherren, die Bürgermeister", erklärt Ann-Mailin Behm. Das politische und ökonomische Drehkreuz der Hansestadt befand sich über Jahrhunderte genau hier. Im Zweiten Weltkrieg wurde die exponierte Lage dem Buddenbrookhaus zum Verhängnis: Während des Bombenangriffes im März 1942 wurde die Mengstraße fast komplett zerstört. Vom Buddenbrookhaus blieben nur die Fassade und die Gewölbekeller erhalten.
Literaturmuseum für Manns und Buddenbrooks
Ende der 1950er Jahre wurde das Haus wieder aufgebaut, 1993 dann das Heinrich-und-Thomas-Mann-Zentrum eröffnet. "Das Buddenbrookhaus ist ja schon ein sehr spezieller Ort: Ein Museum für einen literarischen Ort ist etwas sehr Seltenes", erklärt Museumsleiterin Birte Lipinski. Im Laufe der Jahrzehnte wurde das Museum weiterentwickelt, umgebaut und dem Zeitgeist angepasst. Das Ziel für den aktuellen Umbau ist, für die zahlreichen Besucherinnen und Besucher die Literatur noch erlebbarer zu machen, so Birte Lipinski: "Man soll hineinkommen ins Haus und wieder das Gefühl haben, man steht an diesem typisch Lübschen Ort, in dieser Kaufmannsdiele, das wollen wir so inszenieren. Es soll das Gefühl wieder aufkommen, wie es gewesen sein muss, in so einem Haus zu leben." Das Haus ist ein Museum für die Familie Mann und den Roman Buddenbrooks gleichermaßen. Wie in Thomas Manns gesamtem Werk, so vermischen sich auch an diesem Ort Biografie und Literatur.