Wochenmärkte in SH: Immer mehr Stände fallen weg
Es gibt immer mehr Lücken auf etlichen Wochenmärkten, da Nachfolger und Personal fehlen. Auch die Abgabelast steigt. Der Verband der Marktleute schlägt Alarm: 2024 könnte ein schwieriges Jahr werden.
Ein Uhr nachts in Dannewerk. Hinter dem großen Tor des Fischbetriebes Rieger brennt Licht, draußen ist alles still. Martin Rieger sortiert Fisch. Lachs, Forelle oder Seeteufel. Für neun Verkaufswagen muss er packen. Jeden mit den unterschiedlichsten Fischsorten bestücken. Zwischen fünf und sechs Uhr fahren seine mobilen Fischwagen los. An die Ostküste, Westküste und in den Hamburger Raum. Er selbst muss heute nach Kaltenkirchen, eine Mitarbeiterin im Verkauf fehlt. Fast täglich muss er aushelfen.
Unternehmen schrumpfen
30 Wochenmärkte fahren Martin Rieger und sein Team an, vor ein paar Jahren waren es noch mehr als 51. Damals, als er Ende der 1990er-Jahre das Geschäft von seinem Vater übernahm, seien sie gewachsen, so Rieger. Doch das sei seit ein paar Jahren Geschichte, er müsse sich damit abfinden, dass sein Unternehmen immer weiter schrumpft. Er arbeite manchmal 100 Stunden die Woche, sagt er, nicht weil er es möchte, sondern weil er es muss. Hatte er vor Jahren noch 50 Mitarbeiter, sind es heute noch 25. Mit Work-Life-Balance hat das, was er macht, wenig zu tun. Die Aussicht auf einen Nachfolger sei hoffnungslos, denn reizvoll sei sein Arbeitspensum für niemanden.
Nachfolger fehlen
Es finden sich kaum noch Nachfolger. Wie Martin Rieger geht es vielen Beschickern in Schleswig-Holstein. Der Personalmangel spitze sich immer weiter zu, so Stefan Wegener, Vizepräsident vom Verband der Marktkaufleute. In vielen Gesprächen mit Marktbeschickern im ganzen Land wird klar: Personal- und Nachfolgemangel gibt es vielerorts. Egal, ob zum Beispiel beim Käse-, Wurst-, Gemüse- oder Blumenverkauf, es gibt zu wenig Personal und kaum noch oder keine Nachfolger. Geht ein Beschicker in den Ruhestand, ist auch meist der jeweilige Stand Geschichte. Das wirkt sich natürlich auf die Wochenmärkte aus.
Wochenmärkte: Die Reihen lichten sich
Denn jeder Stand, der wegfällt, hinterlässt Lücken auf den Märkten im Land. Sie schrumpfen. Früher habe es keinen Platz auf den Märkten gegeben, erklärt Mirco Schuh, der seit 35 Jahren seine Kurzwaren auf Wochenmärkten vertreibt. Da habe man keinen Stammplatz bekommen, da war man fliegender Händler und sei irgendwie durch Bewerbungen rein gekommen, erinnert er sich. Das habe sich alles geändert. Heute könnte jeder einen Stammplatz bekommen. Die Reihen lichten sich, erkennt auch Martin Rieger. Ein Beispiel sei der Markt am Mittwoch in Kaltenkirchen. 15 Stände habe es dort mal gegeben, jetzt seien es nur noch 11. Gerade hat der Geflügelmann wegen Personalmangels aufgehört.
Abgaben steigen - Marktbeschicker klagen über extra Kosten
Zum Personaldruck kommen immer höhere Aus- und Abgaben. Energie- und Spritpreise seien gestiegen, wie überall, sagt Rieger. Auch für 2024 befürchten die Händler die Auswirkungen von gestiegenen Abgaben. Die höhere CO2-Steuer, der sogenannte Tierwohlcent und die angekündigte Maut auf Bundesstraßen und Autobahnen für alle Fahrzeuge über 3,5 Tonnen ab Juli lassen die Ausgaben steigen. Die Marktbeschicker werde es mehrere tausend Euro extra kosten, so der Vizepräsident des Verbandes der Marktkaufleute, Stefan Wegener.
Kundschaft bleibt dennoch stabil
Das Traurige daran, sagt Martin Rieger: Mit seinem Geschäft auf den Märkten sei er zufrieden. Die Kundschaft sei auf seinen Märkten da. Sicher sei der Umsatz nicht mehr so hoch wie zu Coronazeiten. Die Wenigsten fragten noch nach Biolachs, sagt er. Was auch verständlich sei, da das Geld bei vielen nicht mehr so locker sitze. Wenn er dann - wie kürzlich - Märkte in Meldorf und Ostenfeld aufgeben müsse, schmerze ihn das sehr. An zu wenig Kundschaft habe es bei allen aufgegebenen Märkten nicht gelegen, sagt Rieger.
Keine guten Aussichten
Doch er weiß: So weiter arbeiten wie bisher kann er auf Dauer nicht. "Ich muss sicherlich noch weitere Märkte aufgeben", sagt Martin Rieger. Mehr Personal werde nicht vom Himmel fallen. Seit Jahren sucht er mit Plakaten nach neuen Kräften. Nur eine Mitarbeiterin hat er dadurch gefunden. Deshalb wird es wohl auch bei ihm so sein wie bei vielen seiner Kollegen heute schon. Wenn er in ein paar Jahren in Rente geht, müssen seine mobilen Stände von allen verbleibenden Wochenmärkten verschwinden.