Wo die riesigen Drachen vom Schönberger Strand entstehen
Vier Freunde, die zusammen Riesendrachen bauen: Das sind die Baltic Kite Friends. In ihrer Werkstatt in Kiel-Wellsee entstehen immer neue Kreationen.
Stunde um Stunde, Nadelstich für Nadelstich entsteht in Kiel-Wellsee der nächste Riesendrache. In rund 300 Arbeitsstunden verwandeln die Baltic Kite Friends hier bis zu 280 Quadratmeter Stoff und 2,8 Kilometer Nähgarn in bis zu 30 Meter lange Flugobjekte. Seit drei Jahren treffen sich Ole Töpsch, Thomas Rixen, Henning Borchert und Norman Falkenberg dafür regelmäßig in ihrer Werkstatt. Im Ausland könnten sie die Drachen günstiger kaufen, doch sie machen sie lieber selbst. Das Tüfteln, Basteln und Handwerken ist für die vier Freunde Teil der Faszination der Riesendrachen.
Auf kleine Lenkdrachen folgten immer größere
In dem länglichen, fensterlosen Raum stehen Tische und Maschinen unter dem gelblichen Licht der Neonröhren. Bunte Stoffrollen hängen in der Mitte zwischen Laserschneidetisch, Klebestation und Nähmaschinen. Zählt man alle Drachen der vier zusammen, kommt man auf über 500. Thomas Rixen hat seine ersten schon als Jugendlicher gebaut. "Man fängt mit den kleinen Drachen an und irgendwann wird es automatisch größer, weil's einfach Spaß bringt", fasst er zusammen, während er an einem großen Blauwal näht. Er schätzt an seinem Hobby besonders, dass er das ganze Jahr über etwas zu tun hat. Im Winter sind sie eher drinnen und bauen zusammen, im Sommer sind sie viel draußen und lassen fliegen. Und: "Das Schöne ist, dass man nicht nur selber an dem Hobby Spaß hat, sondern halt auch andere, die da zugucken."
Sie fliegen vor allem an den Stränden rund um Schönberg
Abgesehen von Drachenfesten haben sie keine festen Termine oder Orte, an denen sie ihre Drachen steigen lassen. Meist sind sie jedoch an den Stränden von Schönberg, Brasilien, Kalifornien oder Heidkate (Kreis Plön). Und sobald sie ihre Werke steigen lassen, sind sofort auch Zuschauer da.
Stofftiere dienen als Schnittmuster
Schnittmuster gibt es für Drachen dieser Größe wenige. Der Trick der Baltic Kite Friends: Stofftiere. Die schneiden sie auseinander und zeichnen an diesem Vorbild ihr eigenes Schnittmuster in größerem Maßstab am Computer. "Man muss natürlich kontrollieren, dass die Nähte exakt gleich lang werden. Das ist eine Herausforderung, weil die Schnittmuster von den Stofftieren oft nicht so genau sind, wie wir sie gerne hätten", erklärt Thomas Rixen.
Von da geht es zum Zuschnitt. Haben sie früher noch Wohnzimmertische beim händischen Schneiden zerkratzt, geht das mittlerweile bequem per Laser. Den Tisch dafür haben sie selbst gebaut, der Schneidelaser ist ein umfunktioniertes Garviergerät. Durch kleine Löcher in der Tischplatte wird die lange Stoffbahn faltenfrei angesaugt. Die feinen Schnitte des Lasers sind auf dem Material kaum zu sehen. Mit einem leisen Ratschen lösen sich die ausgeschnittenen Stücke vom Rest.
Stück für Stück wird der Blauwal zusammengenäht
An der Nähmaschine nimmt der Blauwal dann Stück für Stück seine Form an. Ob alle Nähte tatsächlich da sitzen, wo sie sitzen sollen, fest genug sind und wo Schnüre befestigt werden müssen, damit der Wal quasi durch die Luft schwimmt - das zeigt erst der Praxistest, wenn das letzte Stück vernäht ist. Aufgepustet wird schnell klar: Der Wal dreht sich um seine eigene Achse. Kurzerhand stellen die Baltic Kite Friends die Nähmaschine in den Wal und fügen Abnäher ein, die die Schwanzflosse weiter nach unten zeigen lassen. Jetzt behält er seine Position.
"Das ist tatsächlich ein ganz tolles Gefühl, wenn man den Drachen das ersten Mal in die Luft hängt und er fliegt auf Anhieb. Das ist immer das Schönste, ein toller Lohn für die getane Arbeit", beschreibt Thomas Rixen die ersten Momente am Strand und erzählt auch von dem Kribbeln im Bauch, das er dann bekommt. Ein Glücksgefühl, ein perfekter Tag - ergänzen die anderen.
Gedanklich schon beim nächsten Flugdrachen-Modell
Die vier Freunde sind leidenschaftliche Drachenbauer: Egal ob es ums Konzipieren, Bauen oder Fliegen geht. Regelmäßig sind sie mit ihren Lieblingsdrachen an den Stränden rund um Kiel unterwegs, aber gerne auch Gast bei Drachenfestivals in anderen Orten und Ländern. Und spätestens wenn ihnen dann der Wind um die Ohren weht, sehen die Baltic Kite Friends in Gedanken schon die nächste riesige bunte Stoffkonstruktion am Himmel fliegen, die sie nähen werden.