Wie klappt Inklusion im Sport? Nora und Alexander machen es vor
Nach über einem Jahr des gemeinsamen Trainings rückt für Nora Neuenroth und Alexander Knaub ihr Ziel in greifbare Nähe: eine Medaille bei den Special Olympics Weltspielen in Berlin im Juni.
Bei strahlendem Sonnenschein findet das letzte Trainingslager vor den Segelwettbewerben der Special Olympics Weltspiele in Kiel-Schilksee statt. Am Olympiahafen werden bereits die ersten Boote unter den neugierigen Blicken einiger Touristen ins Wasser gelassen. Milde Temperaturen und eine steife Brise versprechen für alle Beteiligten gute Trainingsbedingungen.
Seit über einem Jahr trainieren die 44-jährige Nora Neuenroth von der Segler-Vereinigung Kiel und der 46 Jahre alte Alexander Knaub aus den Norderstedter Werkstätten als sogenanntes Unified Team gemeinsam. Das bedeutet, dass ein Athlet mit geistiger Behinderung gemeinsam mit einem Partner ohne Behinderung segelt. Das Training hat sich ausgezahlt: Das Team aus Schleswig-Holstein hat sich für die Special Olympics Weltspiele in Berlin qualifiziert.
Im vierjährigen Wechsel finden die Sommer- und Winterspiele und damit die weltweit größten inklusiven Sportveranstaltungen statt. Nora und Alexander nehmen an den kommenden Weltsommerspielen in Berlin teil - dort werden sie täglich vom 19. - 24. Juni auf dem Wasser sein. Und eins wollen sie sich auch nicht nehmen lassen: Sie reisen bereits zur Eröffnungsfeier am 17. Juni an.
Herausforderung: die gemeinsame Sprache an Bord
"Für mich macht es keinen Unterschied, wem ich das Segeln beibringe", erklärt Nora. "Ob es ein kleines Kind ist, eine erwachsene Person oder jemand mit einer Behinderung. Ich fange immer bei null an", so die 44-Jährige. Genauso sei es mit Alexander gewesen - sie habe ihm ausreichend Raum gegeben, damit er in seinem Tempo das Segeln lernen konnte.
Eine besondere Herausforderung war es, eine gemeinsame Sprache an Bord zu finden. Alex redet nicht viel und Nora musste lernen, in seiner Mimik zu lesen, ob alles in Ordnung ist und er die Anweisungen verstanden hat. Sie hat als seine Trainerin angefangen und ist später spontan als Segelpartnerin eingesprungen. Seitdem sind die beiden auf dem Wasser ein eingespieltes Team.
Bei den Special Olympics steht die Teilnahme im Vordergrund
"Ich finde es schöner, bei einem Event wie den Special Olympics zu segeln, als bei einer Großveranstaltung wie beispielsweise der Kieler Woche. Dort wird oft mit dem Messer zwischen den Zähnen gesegelt. Bei den Special Olympics ist es anders. Da steht die Teilnahme im Vordergrund, wobei der sportliche Aspekt natürlich nicht in Vergessenheit gerät", so die 44-Jährige.
Bei perfektem Segelwetter geht es auf das Wasser für die erste Trainingseinheit des Tages. Von ihrer Trainerin werden die beiden Athleten aus dem Hafen gezogen. "Besonders bei diesen windigen Bedingungen ist es schwierig, aus dem Hafen herauszukommen. Deshalb geben wir den Booten eine kleine Hilfestellung. Auf dem Wannsee in Berlin werden wir nicht vor solche Herausforderungen gestellt. Darum konzentrieren wir uns beim Training auf die Manöver auf dem Wasser”, erklärt die nationale Segel-Koordinatorin der Special Olympics Iris Brettschneider.
Gemeinsam werden die Bedingungen ausgetestet
Auf dem Wasser werden zwei Tonnen ausgelegt, um das Up-and-Down Manöver zu proben. Dabei wird die Wettkampfstrecke mit zwei Tonnen markiert, die nach dem Wind ausgerichtet werden. Dieses Manöver wird später auch bei den Spielen in Berlin gefahren. Nora tastet sich gemeinsam mit Alexander an die Bedingungen heran und probt mit ihm letzte Kommandos. Im Anschluss setzen sie gemöeinsam die Segel und nehmen an Fahrt auf. "Es macht mir Spaß, auf dem Wasser zu sein. Mir gefällt es am besten, wenn wir richtig schnell sind”, schildert Alexander seine Trainingseindrücke.
Die Hürden waren hoch
Der 46-Jährige freut sich auf seine Teilnahme gemeinsam mit Nora. Sie möchten nicht nur teilnehmen, sondern eine Medaille mit nach Hause bringen. Der Weg dorthin war nicht immer einfach. In diesem Jahr stellt Deutschland zum ersten Mal ein Segelteam für die Weltspiele auf. Es galt viele Hürden zu überwinden. Zunächst mussten Boote angeschafft und an die Bedürfnisse der Athleten angepasst werden. Dann mussten die richtigen Trainer gefunden werden, die sich auf die besonderen Anforderungen einstellen konnten.
Deutscher Segler Verband unterstützt das Team
Der deutsche Segler Verband (DSV) bringt sich voll in das Projekt ein. "Das Segeln ist einer der inklusivsten Sportarten überhaupt. Wir möchten jedem die Möglichkeit geben, seine Stärken auf dem Wasser zu entdecken. Dabei spielt weder das Alter, die Herkunft, noch eine Behinderung für uns eine Rolle. Neben unserem Engagement bei den Paralympics möchten wir deshalb auch die Special Olympics unterstützen und stellen dafür gerne unsere Räumlichkeiten und unsere Trainerinnen und Trainer zur Verfügung”, so die Präsidentin des DSV, Mona Küppers.
Wannsee? Nach Ostsee-Training kein Problem
Nachdem Training lassen Nora und Alexander sich von ihrem Trainerboot zurück in den Hafen schleppen und bauen ihr Boot mit der Unterstützung ihres Teams ab. Mit der heutigen Trainingseinheit zeigen sich beide zuversichtlich. "Wenn wir bei dem Wind auf der Kieler Förde überzeugen können, sollte der Wannsee für uns kein Problem sein! Wir sind bereit, uns dem internationalen Vergleich zu stellen”, zieht Nora ihr Fazit aus der zurückliegenden Trainingseinheit.