Was ändert sich nach Brokstedt? Erste Konsequenzen vorgestellt
Knapp vier Monate nach der tödlichen Messerattacke in Brokstedt hat der Innen- und Rechtsausschuss des Landtags erneut über Konsequenzen diskutiert. Erste Schritte wurden auf den Weg gebracht.
Als Konsequenz aus der tödlichen Messerattacke in einem Regionalzug in Brokstedt (Kreis Steinburg) im Januar haben Schleswig-Holstein und Hamburg mehrere gemeinsame Forderungen erarbeitet, die bei der Innenministerkonferenz der Länder eingebracht werden sollen. Das teilte Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) im Innen- und Rechtsausschuss mit. Inhaltlich waren viele Punkte bereits kurz nach der Tat genannt und gefordert worden.
Bessere Behördenkommunikation - Zentrales Postfach als Lösung?
So soll die Kommunikation zwischen den Behörden verbessert werden. Die Justizministerinnen und - minister der Länder fordern dafür eine zentrale Mitteilungsstelle für aufenthalts- und strafrechtliche Angaben, "ein zentrales Postfach", erklärte Schleswig-Holsteins Justizminsterin Kerstin von der Decken (CDU). Damit sollen Polizei und Strafverfolgung, Zuwanderungsbehörden, aber auch Justizvollzugsanstalten Zugriff auf alle notwendigen Informationen haben.
Einheitliche Kriterien für Intenstivtäter
Außerdem sollen einheitliche Kriterien für die Erfassung von ausländischen Mehrfach- und Intensivtätern geschaffen werden. Sütterlin-Waack sprach von einem Punktesystem als Möglichkeit. Derzeit sei das Vorgehen der Bundesländer sehr unterschiedlich. Mithilfe eines einheitlichen Systems solle auch die Rückführung von Straftätern verbessert werden. Ein Register für wohnungslose Menschen sei dagegen nicht zielführend, sagte die Innenministerin. Im Vorfeld war gefordert worden, dass kein Verfahren mehr am fehlenden Wohnsitz scheitern dürfe. Die Regelungen im Meldegesetz seien aber ausreichend, so Sütterlin-Waack.
Höhere Sicherheit in der Bahn
Innenministerin Sütterlin-Waack teilte weiter mit, dass sich Schleswig-Holstein und Hamburg für die Sicherheit in Zügen und auf Bahnhöfen einsetzen wollen. Das soll durch Waffenverbote und mehr Videoüberwachung erreicht werden, zudem sollen Polizistinnen und Polizisten in zivil kostenlos Bahn fahren dürfen.
Datenauswertung zu Messerangriffen
Im Zusammenhang mit der Tat war auch immer wieder die Frage aufgekommen, ob Delikte mit Messern härter bestraft werden müssten. Schleswig-Holsteins Justizministerin Kerstin von der Decken sprach von einer "gefühlten Bedrohung" durch Messerangriffe. Denn bislang wisse man zu wenig über solche Taten, da sie erst seit 2020 eigenständig erfasst werden. Bevor man Forderung aufstelle, brauche es eine Faktenbasis, sagte die Justizministerin. Deshalb soll die Kriminologische Zentralstelle bis zum Herbst einen Überblick zur Datenlage liefern.
CDU und Grüne wollen Gewaltprävention
CDU und Grüne wollen außerdem sogenannte Gewaltpräventionsambulanzen, die sich um psychisch auffällige, möglicherweise gewaltbereite Menschen kümmert, damit es möglichst nicht zu Straftaten kommt. "Das sind die Maßnahmen, von denen ich mir am meisten verspreche", sagte Ausschussvorsitzender und Grünen-Abgeordneter Jan Kürschner. Grundsätzlich müsse die psychiatrische Versorgung der Bevölkerung verbessert werden. "Es laufen einfach zu viele Leute allein gelassen rum, die man versorgen müsste und da entspringt leider auch viel Gewalt", so Kürschner. In einer Pressemitteilung noch während der Sitzung hieß es, das Justizministerium habe einen "überzeugenden Vorschlag" für die Gewaltpräventionsambulanzen vorgelegt - das sorgte für Unmut bei der Opposition, der das Konzept vor der Ausschusssitzung nicht bekannt gewesen war. SPD und FDP sprachen von einem respektlosen Umgang.
SPD: Niemand soll durchs Raster fallen
Die SPD will vor allem Menschen in Sammelunterkünften in den Blick nehmen, die oft durchs Raster fallen. "Wenn jemand gewalttätig wird in diesen Einrichtungen, dann greift im Zweifel nur das Hausrecht, das heißt, derjenige wird vor die Tür gesetzt und wir verlieren ihn komplett aus dem Blick", sagte der Abgeordnete Niclas Dürbrook. Die SPD fordert deshalb eine landesweite Strategie, wie mit diesen Menschen umgegangen werden kann.
FDP: Zentrale Ermittlungsgruppe wie in Hamburg
Die FDP spricht sich für eine zentrale Gruppe für die Rückführung straffällig gewordener Ausländerinnen und Ausländer nach dem Vorbild der Hamburger Ermittlungsgruppe GERAS aus. Hierzu sagte Sozialministerin Aminata Touré (Grüne), dass das Konzept nicht ohne weiteres von einer Stadt auf ein Flächenland wie Schleswig-Holstein übertragen werden könne, weil es keine zentrale Zuständigkeit gebe. Bernd Buchholz (FDP) sieht das anders. "Man kann eine zentrale Zuständigkeit dafür schaffen und zwar im Land, damit würde man die Kommunen entlasten." Eine bessere Kommunikation reiche nicht aus. "Wir müssen früher als Behörden wahrnehmen, wenn etwas nicht in Ordnung ist", so Buchholz.
Erste Initiativen, aber auch Kritik
Konkrete Beschlüsse oder Konzepte fehlen aber größtenteils noch. Der SPD-Abgeordnete Niclas Dürbrook sprach von einem Schritt in die richtige Richtung, "aber was wirklich konkrete Ableitungen angeht, da liegt noch nichts auf dem Tisch." So habe das Justizministerium keine Details über die Ausgestaltung des gewünschten zentralen Postfachs nennen können und stattdessen an das Innenministerium verwiesen. Die genannten Schritte seien noch sehr kleinteilig."Der große Wurf für eine bessere Kommunikation ist das nicht", so Dürbrook.
FDP-Politiker Buchholz sagte: "Viele Dinge sind gut gemeint, aber sie gehen am Ziel vorbei." Alle wollten Kommunikationswege, bei denen sie Mitteilungen abliefern können. "Aber wenn in Wahrheit keine Veranwortlichkeiten geschaffen werden, wie damit umgegangen wird, dann nützt das nichts", so Buchholz. Die wechselseitigen, zum Teil unabgesprochenen Vorschläge würden das kritisierte Wirrwarr nicht auflösen.
Flüchtlingsrat: Bessere Integration statt Restriktionen
Kritik kommt auch vom Flüchtlingsrat. "Die in den Landtagsanträgen vorgeschlagenen Konzepte ignorieren indes vollständig die bei psychisch belasteten vermeintlich gefährlichen Geflüchteten prägenden Lebenserfahrungen und -bedingungen", heißt es in einer Stellungnahme am Donnerstag. Darin spricht der Rat von einem 'Identifizieren und Wegsperren'-Ansatz der Fraktionen und kritisiert, dass Restriktionen und repressive Maßnahmen an den eigentlichen Problemenvorbeigehen. Stattdessen sollten bessere Perspektiven für Geflüchtete geschaffen und Hürden bei der Integration abgeschafft werden.