Warum eine Stromtrasse unter die Erde muss - und eine andere nicht

Stand: 16.08.2024 08:43 Uhr

Im Kreis Stormarn wächst der Unmut über die Planung von Nordostlink. Dabei geht es nicht um die Stromautobahn selbst, sondern vielmehr darum, dass sie gesetzlich vorgeschrieben unter die Erde verlegt werden muss. Bei kürzeren Trassen in der Nähe ist das anders.

von Gregory Dauber

Der Landwirt Klaas Röhr versteht die Welt nicht mehr. Über eines seiner Felder bei Reinfeld läuft seit Jahren die Ostküstenleitung, wird gerade sogar erneuert. Strommasten, mit Kabel verbunden - ein Bild, das man aus ganz Deutschland kennt. Fast in Sichtweite, auf einem anderen seiner Äcker, ist die Welt eine andere: Der geplante Nordostlink droht sein Feld zu zerstören, sagt er.

Entscheidung fiel vor fast zehn Jahren

Grund dafür ist ein 2015 beschlossenes Bundesgesetz. Der darin festgeschriebene Erdkabelvorrang sieht vor, dass die Stromautobahnen genannten Trassen fast ausschließlich unterirdisch verlaufen müssen. Damit sind Gleichstromleitungen gemeint, die erneuerbare Energie aus dem Norden in den Süden der Republik transportieren sollen. Wechselstromleitungen bleiben dagegen oberirdisch.

Für den Landwirt und seine Felder hat das dramatische Folgen, sagt er: "Den Urzustand werden wir nie wieder herstellen können." Gemeint ist der für ihn wertvolle Boden und das Ökosystem darin. Über Jahrzehnte würden die Pflanzen nicht mehr richtig wachsen können, wenn das Kabel einmal verlegt ist. "Der Eingriff für das Bodenleben ist aber irreversibel."

Ökosystem steckt tief in der Erde

Die Kabel werden in bis zu zwei Metern Tiefe verlegt. Der Unterboden unter Röhrs Feldern ist die Grundlage für große Erträge und gesunde Pflanzen. Selbst junge Zuckerrüben schlagen schon tiefe Wurzeln und profitieren so von einem ausgeklügelten Ökosystem, dass Wasser und Nährstoffe ausbalanciert, so Röhr.

Ihm ist wichtig zu sagen: "Ich bin für die Energiewende und will als Landbesitzer auch meinen Teil dazu beitragen." Doch die Pflicht, Kabel unterirdisch zu verlegen, hält er für "Unsinn". Dabei gehe es nicht nur um seinen Ackerboden: "Der Bau einer Freileitung ist viel, viel wirtschaftlicher."

Erdkabel haben keine technischen Vorteile

Dass die Kosten für Erdkabel viel höher sind, steht außer Frage. Die zuständige Bundesnetzagentur teilt auf NDR Anfrage mit, dass Erdkabel mehr als sechsmal so viel kosten wie Freileitungen.

Sogar Netzbetreiber wie Tennet, die an Nordostlink und vielen weiteren Projekten dieser Art beteiligt sind, sehen Freileitungen als einen Gewinn: "Die Freileitung hat durchaus Vorteile, wir können schneller bauen, wir können kostengünstiger bauen und sie sind im Betrieb kostengünstiger", sagt Tennet-Sprecher Mathias Fischer NDR Schleswig-Holstein. Wesentliche technische Vorteile für Erdkabel gebe es nicht.

Der hohe Preis der Akzeptanz

Doch die Politik hatte 2015 etwas anderes im Sinn: Aus Sorge, dass große Freileitungen über Hunderte Kilometer am Widerstand von Anwohnern scheitern könnten, beschloss die große Koalition den Erdkabelvorrang. Besonders laut dagegen war der damalige bayrische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU), der die malerischen Landschaften seines Bundeslandes in Gefahr sah.

Die erhoffte Akzeptanz in der Bevölkerung hat einen hohen Preis. Es geht um Milliarden: Würden drei Stromautobahnen, die noch im Anfangsstadium der Planung sind, als Freileitungen gebaut, könnten laut Tennet bis zu 20 Milliarden Euro eingespart werden.

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Tennet will Nordostlink nicht umplanen

20 Milliarden Euro, die sonst jeder Verbraucher über den Strompreis mitbezahlen müsste. Die günstigeren Preise durch Windenergie würden dadurch konterkariert. Für Nordostlink in Schleswig-Holstein sei eine Umplanung nicht mehr sinnvoll, sagt der Tennet-Sprecher. Das Planfeststellungsverfahren läuft seit Ende Juli. Das Projekt würde um Jahre zurückgeworfen werden.

Landwirt Klaas Röhr hat nur noch wenig Hoffnung, dass sein Acker so bleibt, wie er ist. Aber es geht ihm auch ums Grundsätzliche: "Ich erhoffe mir von der Politik, dass die Politik sich nochmal voll in dieses Thema reinkniet."

Bundesnetzagentur winkt ab

Seine These: Ist den Menschen erstmal klar, was Erdkabel finanziell und ökologisch wirklich bedeuten, sei die Akzeptanz für Freileitungen wieder da. Bislang habe diese Debatte nicht ausreichend stattgefunden.

Die Bundesnetzagentur, die letztlich die Stromautobahnen genehmigen muss, ist an das Gesetz gebunden. Dass es sich die Politik noch einmal anders überlegt, glaubt man dort nicht.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 16.08.2024 | 06:00 Uhr

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