Vor einer Kita in Großensee: Eine Straße, zwei Tempolimits
In Großensee im Kreis Stormarn gelten auf einer Straße zwei verschiedene Geschwindigkeitsbegrenzungen. Eine Bürgerinitiative setzt sich jetzt für eine einheitliche Regelung ein.
Die Hamburger Straße in Großensee scheint auf den ersten Blick eine ganz normale Ortsdurchfahrt zu sein. Doch sie ist Schauplatz einer besonders skurrilen Verkehrsregelung: Die beiden Fahrtrichtungen haben unterschiedliche Geschwindigkeitsbegrenzungen. Ortsauswärts in Richtung Braak gilt Tempo 50, auf der Gegenfahrbahn in Richtung Ortsmitte wird auf eine Maximalgeschwindigkeit von 30 km/h hingewiesen.
Für die Eltern, die ihre Kinder täglich in den Kindergarten bringen, ist die aktuelle Situation unverständlich: "Kein Mensch versteht, dass auf der einen Seite Tempo 30 und auf der anderen Tempo 50 ist", erklärt Marion Köchling-Matt. Sie ist Mutter eines Kindergarten-Kindes. Auch für die Erzieherinnen und Erzieher, wie Anita Röper-Berlet, ist die Regelung belastend: "Warum nimmt man vor einer Kita das Tempo-30-Schild weg und sagt stattdessen 'So hier könnt ihr brettern Leute'?".
Ein Hin und Her der Geschwindkeitsbegrenzungen
Wie kam es dazu? Noch bis 2014 war an der Stelle in beiden Richtungen eine Tempo-30-Zone, um den Weg der Kinder zum örtlichen Kindergarten zu schützen. 2014 wurde dann der Schulwegsicherungserlass in Schleswig-Holstein geändert. Eine Geschwindigkeitsbegrenzung war von da an nur noch an Stellen möglich, die einer besonderen Gefahrenlage ausgesetzt sind. Bei Kindertagesstätten wurde davon ausgegangen, dass Kinder auf ihrem Weg begleitet werden und damit geschützt sind. Es war also wieder auf beiden Straßenseiten Tempo 50 erlaubt.
Bis 2017 ist es dabei auch geblieben. Im Dezember 2016 wurde die Straßenverkehrsordnung (StVO) geändert. Es war fortan möglich, im unmittelbaren Umfeld von Kindergärten eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h anzuordnen, so der Fachdienst Straßenverkehrsangelegenheiten der Kreisverwaltung Stormarn auf Anfrage von NDR SH. Daraufhin wurde in Großensee die Regelung eingeführt, die bis heute gilt: Tempo 30 im unmittelbaren Umfeld des Kindergartens, als auf der Straßenseite, die direkt am Eingang des Kindergartens liegt und Tempo 50 auf der anderen Seite. In den Entscheidungsprozess dieser Regelung waren damals Vertreterinnen und Vertreter der Verkehrsaufsicht des Kreises, des Landesbetriebs Straßenbau und Verkehr, der Polizei in Ratzeburg sowie Trittau, der Gemeinde Großensee und der Amtsverwaltung Trittau miteinbezogen.
Kreisverwaltung: "Kein relevanter Querungsverkehr"
Eine beidseitige Einführung von Tempo 30 sei damals nicht möglich gewesen, "da kein relevanter Querungsverkehr im Bereich des Kindergartens festgestellt werden konnte", so Kerstin Hauschild-Wegener vom Fachdienst Straßenverkehrsangelegenheiten des Kreises Stormarn. Mittlerweile habe sich laut den betroffenen Eltern und der Kindergarten-Leitung die Situation in der Gemeinde Großensee jedoch weiterentwickelt. Die Kita hat vor allem aus dem Neubaugebiet auf der gegenüberliegenden Straßenseite Zuwachs bekommen und wurde um einen Containeranbau vergrößert. Marko Bentien ist Vater von zwei Kindern, die den örtlichen Kindergarten besuchen und hatte vor einigen Wochen ein prägendes Erlebnis: "Ich hatte eine Autofahrerin darauf hingewiesen, dass sie sich bitte an die Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 km/h halten soll. Sie fragte mich daraufhin, wo das denn beschildert wäre und so bin ich erst darauf gekommen, dass das hier nur einseitig Tempo 30 ist." Er gründete daraufhin eine Elterninitiative und engagiert sich seitdem für die Einführung einer beidseitigen Tempo-30-Zone.
Für vorbeifahrende Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer ist kaum zu erkennen, dass sich an der betroffenen Stelle ein Kindergarten befindet und auch die Tempo-30-Beschilderung kann schnell übersehen werden. Der Kindergarten hat nun einen Antrag auf eine beidseitige Geschwindigkeitsbegrenzung auf Tempo 30 gestellt. Der wird jetzt von der zuständigen Behörde in der Kreisverwaltung geprüft.