Vom Jet-Set-Job in die Wohnungslosigkeit
Bernhard S. hat die teuersten Villen und Jachten ausgestattet und mit Designern wie Karl Lagerfeld und Jil Sander gearbeitet. Heute wohnt der 70-Jährige in einer Unterkunft für wohnungslose Männer in Kiel.
Noch vor zwei Jahren stand Bernhard S. (Name geändert) mitten im Berufsleben als Kürschner. Ein Kürschner ist ein Handwerker, der Tierfelle zu Pelzbekleidung und anderen Pelzprodukten verarbeitet. Drei Krankheiten kurz hintereinander rissen dem Kürschnermeister auch privat die Beine weg. Nun ist er einer von etwa 900 wohnungslosen Männern in Kiel, die mit der Zentralen Beratungsstelle (ZBS) für wohnungslose Männer der Stadtmission eine Anlaufstelle haben. Es sind nach Angaben der Stadtmission bei weitem nicht nur Männer mit Suchtproblemen, die zu ihnen kommen und Hilfe und Beratung suchen. Sei es Arbeitsverlust, eine Trennung, Mietschulden, man könne ganz schnell in so eine Situation wie Bernhard S. kommen, sagt Sabine Schober von der ZBS.
Keine Zeit für Zukunftssorgen im für ihn schönsten Beruf
"Themen und Überlegungen wie diese waren für mich so weit weg", sagt Bernhard S. Er hat sich nie Sorgen machen müssen. In der teuersten Villa der Schweiz, in St. Moritz, habe er die Zimmerdecken und Wände mit Pelzen verkleidet, Teppiche aus schneeweißem Fuchsfell passgenau verlegt. Er hat die in Kiel gefertigte Nobeljacht "White Pearl" - heute heißt sie "Sailing Yacht A" - nach den Wünschen der Auftraggeber ausgestattet. "Wir haben Sachen möglich gemacht", sagt er, "die noch nie jemand so ermöglicht hat".
Ein Jet-Set-Leben ohne große Einnahmen
Bernhard S. war unterwegs in Frankreich, Italien, der Schweiz, in Finnland und den USA. Er hat mit Jil Sander und Karl Lagerfeld zusammengearbeitet. Lagerfeld habe ihn dadurch beeindruckt, dass er sich einfach selbst an die Nähmaschine setzte und der Näherin zeigte, was er meinte. Über Geld musste sich Bernhard nie Gedanken machen. Die Rechnungen für Übernachtungen, Auftragsarbeiten und bei Auktionen zahlte der Arbeitgeber. Er habe auch in Hotels übernachtet, in denen ein Zimmer einen vierstelligen Betrag pro Nacht kostet. Bernhard S. hat viel gearbeitet, aber als angestellter Kürschner nie viel verdient. Aber das sei auch nicht wichtig für ihn gewesen, sagt er.
Für eine eigene Familie und Kinder hatte Bernhard keine Zeit. Er habe ohnehin gedacht: "Irgendwann fällst du tot um bei der Arbeit. So dahin krebsen, das mache ich eh nicht mit", sagt Bernhard S.
Mit den Krankheiten begann das Chaos
Doch dann wurde der 70-Jährige vor anderthalb Jahren krank. "Mitten im Arbeitsleben", wie er sagt. "Das Genick gebrochen haben mir die Augen-OPs. Es war klar, dass ich den Beruf so nicht mehr machen konnte. Damit fing das Chaos an, sonst wäre das alles so nicht passiert." Beim Heben einer Versandkiste mit Pelzen brach er sich durch eine falsche Bewegung mehrere Rücken- und Lendenwirbel. Er konnte nicht mehr laufen. Es folgte eine Parkinson-Diagnose. Bernhard S. wird entlassen.
Ersparnisse sind schnell aufgebraucht
Er lebt von seinen Ersparnissen - knapp 12.000 Euro. Nach mehren Monaten Mietrückstand kommt die Kündigung. Er lässt Termine und Aufforderungen verstreichen und liegt im Krankenhaus, als seine Wohnung in Kiel-Elmschenhagen zwangsgeräumt wird. "Alles, was ich hatte - viele Bücher, Antiquitäten und eine Uhrensammlung - alles weg."
Notunterkunft mit anderen wohnungslosen Männern
Über den Sozialmedizinischen Dienst der Klinik erfährt er von der Stadtmission und der Möglichkeit, zunächst in einer Notunterkunft untergebracht zu werden. Heute wohnt Bernhard S. mit sieben anderen Männern in einer Unterkunft in der Nähe des Hauptbahnhofs. Er teilt sich mit ihnen Bad und Küche. Anfangs habe es dort einige Quertreiber gegeben, einer sei nachts von der Polizei abgeholt worden, ein anderer habe die Küche immer versaut, sagt Bernhard. Da seien auch Leute dabei, die einfach nur Pech im Leben gehabt hätten.
Bei der Stadtmission findet er Hilfe
Über die Stadtmission Kiel, die im Auftrag der Stadt arbeitet, bekommt er einen Betreuer. Er war bei der Schuldnerberatung und es läuft die Privatinsolvenz. Kürzlich kam eine Mitteilung vom Amt, dass sich keine weiteren Gläubiger gemeldet hätten. Das mache ihn sehr froh, sagt Bernhard S. Er bekommt 828 Euro Rente, und er hat jetzt einen Wohnberechtigungsschein. In den nächsten Tagen kann er sich eine Wohnung anschauen. Wenn alles gut geht, kann er sie zum Jahresende beziehen.
Im Job hat er alle Probleme gelöst, nur seine eigenen zu spät
Was er rückblickend anders machen würde? "Wenn Probleme auftreten, sich wirklich rechtzeitig Hilfe holen. Ich habe es ja so laufen lassen. Dabei gibt es viele Institutionen, die helfen können. Da muss man über den eigenen Schatten springen. So wie ich es gemacht habe, war es nicht richtig", sagt Bernhard S.
Er möchte wieder arbeiten, kann sich vorstellen, Medikamente für Apotheken auszufahren. Aber er braucht "zuallererst mal eine Basis". Und meint eine Wohnung.